Pinneberg. Stadt soll versäumt haben, angesichts der Landesförderung die eigenen Zuschüsse für die Betreuungseinrichtungen zu hinterfragen.
Riesenwirbel um die städtische Kita-Förderung in Pinneberg: Die Politik vermutet, dass Hunterttausende Euro versenkt wurden, weil Betriebskostenzuschüsse in den vergangenen Jahren unvermindert gezahlt wurden – obwohl Land und Bund ihre Förderung bei der Betreuung von Krippenkindern massiv ausgeweitet haben. Geld aus Berlin und Kiel sei direkt an die Träger geflossen, ohne dass die Politiker in Pinneberg informiert worden seien. Der zuständige Fachbereich im Rathaus habe es versäumt, die gleichzeitige Kürzung städtischer Mittel vorzuschlagen.
„Die Zuschüsse von Bund und Land waren ausdrücklich dafür gedacht, die Kommunen zu entlasten“, sagt SPD-Sozialexperte Dieter Tietz. Es sei Aufgabe der Verwaltung gewesen, entsprechend zu reagieren. „Möglicherweise ist der Stadt ein hoher Schaden entstanden“, so Tietz, der die Vermutung einer „groben Fahrlässigkeit“ in den Raum stellt. Bis zum 20. Juli fordert er Zahlen. Bis dahin soll die Verwaltung bei den Trägern abgefragt haben, wie viel Geld direkt an die 25 Krippengruppen der Pinneberger Kindergärten geflossen ist.
Mittwochabend: Der Sozialausschuss tagt im Pinneberger Rathaus. Tietz skizziert die Praxis der vergangenen Jahre, erinnert daran, dass die Betriebskostenförderung bei den Kindergärten im Stadtgebiet über feste Betreuungssätze geregelt ist. Anders als in benachbarten Kommunen, wo Träger Jahr für Jahr ihre Einnahmen und Ausgaben offenbaren und erst anschließend über Zuschüsse verhandelt wird.
„Wir zahlen derzeit rund 40 Prozent der Betriebskosten“, so Tietz. Zwar gebe es in Pinneberg eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, die sich mit den Kitas befasst. Auch deren Mitglieder seien jedoch von der Stadtverwaltung nicht darauf hingewiesen worden, dass das Land seine direkt an die Träger ausgezahlten Zuschüsse für die Krippenbetreuung in den vergangenen Jahren massiv erhöht habe. Wolfgang Vetter, der für die CDU im Sozialausschuss sitzt, sprach am Mittwochabend gar von einem Skandal. „Wenn sich herausstellt, dass da etwas an uns vorbeigegangen ist, dann ist das eine Sauerei.“ Weniger aufgeregt kommentierte Anna Tranziska von den Grünen das Geschehen: „Wir müssen erstmal Zahlen auf dem Tisch haben, dann können wir entscheiden, ob wir uns hintergangen fühlen.“ Ihr Fraktionskollege Manfred Stache mahnte zur Sachlichkeit: „Wir müssen Stellungnahmen der Träger einholen, es ist zu früh, von einem Skandal zu sprechen.“
Zumindest für das Jahr 2011 kann Tietz Zahlen präsentieren. So seien die Landeszuschüsse, die an Pinneberger Kitas mit Krippenbereich gezahlt wurden, von 84.800 Euro im Jahr 2009 auf 488.824 im Jahr 2011 explodiert. Aktuellere Daten habe er in Pinnebergs Rathaus angefragt, aber bislang nicht erhalten. Man könne durchaus „von Vernebelung“ sprechen. Der Sozialdemokrat geht derzeit davon aus, „dass die Träger über Jahre hinweg eine zu hohe Betriebskostenförderung der Stadt“ erhalten habe. „Wir Politiker konnten das gar nicht merken.“
Bürgermeisterin Urte Steinberg war wegen eines anderen Termins am Mittwochabend nicht dabei, was Tietz während der Sitzung des Sozialausschusses ausdrücklich bedauerte. Die Rathauschefin äußerte sich am Donnerstag auf Abendblatt-Anfrage: „Wir sind dabei, die gesamte Thematik aufzuarbeiten. Sofern sich die Möglichkeit der Anpassung der Betreuungsstundensätze ergibt, werden wir gemeinsam mit der Politik und im Dialog mit den Kindertagesstätten einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten“, so die Rathauschefin. Wichtig sei, dass zukünftig eine regelmäßige Bewertung der Betreuungskostenpauschale erfolge, damit zeitnah Anpassungen vorgenommen werden könnten.
Pikant: Sollte die Stadt Pinneberg tatsächlich über mehrere Jahre Geld versenkt haben, weil Bundes- und Landesförderung bei der Berechnung von Zuschüssen „vergessen“ wurden, würde die „Rotstift-Rallye“ der vergangenen Jahre konterkariert. Seit die Stadt 2012 wegen ihrer katastrophalen Haushaltslage unter den Rettungsschirm des Landes Schleswig-Holstein schlüpfte, wird in Pinneberg eigentlich jeder Cent zweimal umgedreht. Kiel unterstützt die klamme Kreisstadt mit Millionen, fordert jedoch im Gegenzug eisernen Sparwillen und das Ausschöpfen der Einnahmepotenziale.
Helga Grüne-Ostmeier vom Träger Waldstraße kann die Aufregung nicht recht verstehen. Bei ihrem Verein beschränke sich der Landeszuschuss derzeit auf Personalkostenzuschüsse. Auch Grüne-Ostmeier wird vermutlich bald eine Einladung der Politik erhalten. Voraussichtlich wird die interfraktionelle Arbeitsgruppe für Kita-Angelegenheiten das Gespräch mit den Trägern suchen.