Wedel. Verwaltungschef Niels Schmidt spricht über politisches Klima und kritisiert fehlenden Rückhalt nach der Strafanzeige gegen ihn.

Probleme mit den Finanzen, Ärger um explodierende Kosten bei Bauprojekten und dann die Strafanzeige: Wedels Bürgermeister Niels Schmidt hat schon bessere Zeiten erlebt. Im Gespräch mit dem Abendblatt spricht er über Fehlleistungen der Verwaltungen, erklärt die Haushaltslage und äußert sich zu den Folgen der Strafanzeige.

Hamburger Abendblatt: Für das Jahr 2014 hatten Sie sich gewünscht, dass das Klima in Ihrer Stadt wieder besser wird. Wie beurteilen Sie das Klima heute?

Niels Schmidt: Das grundsätzliche Klima in dieser Stadt nehme ich weiterhin als positiv wahr. Zwar gibt es immer mal Kritik, aber das liegt auch an mangelnder Information. Da können wir als Verwaltung noch besser werden. Ich stelle leider fest, dass Gerüchte zunehmend über soziale Medien transportiert werden. Zum Beispiel wurde ich kürzlich angesprochen, ob es stimme, dass 200 Luxuswohnungen auf dem Elbespielplatz gebaut werden sollen. Das ist natürlich völliger Unsinn. Davon war nie die Rede. Da wundere ich mich schon, woher so etwas kommt.

Und das politische Klima?

Schmidt : Es ist schwieriger geworden. Die Fronten zwischen den politischen Lagern haben sich verhärtet. Wo es früher einen Grundkonsens in wichtigen Fragen gab, gibt es heute oft mehr Gegeneinander als Miteinander.

Der politische Ton auch gegen die Verwaltung ist rauer geworden, können Sie sich erklären warum?

Schmidt : Wedel profitierte lange von dem Vertrauen zwischen Politik und Verwaltung. Dieses Vertrauensverhältnis ist leider etwas angeknabbert. Ich kann es nicht nachvollziehen. Nehmen wir einmal meine Person. Ich lebe in dieser Stadt seit 54 Jahren und habe vor, auch weiterhin hier zu leben. Seit 33 Jahren arbeite ich für diese Stadt, davon elf Jahre als Bürgermeister. Ich möchte auch nach meinem Amt erhobenen Hauptes durch die Straßen gehen können und möchte nicht, dass die Menschen mit dem Finger auf mich zeigen. Welche Motivation sollte ich haben, Entscheidungen zu treffen, die der Stadt schaden könnten?

Genau das hat Ihnen ein Wedeler Mitbürger kürzlich unterstellt. Udo Möller, der um das städtische Grundstück am Kirchstieg mitbot, erhob schwere Vorwürfe gegen Sie. Die Rede war von Betrug, übler Nachrede und Verleumdung. Inwieweit hat Ihnen die Strafanzeige gegen drei CDU-Ratsherrn, aber vor allem gegen Sie persönlich zugesetzt?

Schmidt : Das hat mich getroffen. Es fasst einen an, solche Schlagzeilen in den Medien zu lesen, seiner Tochter das erklären zu müssen und sich gegen die Entwicklung nicht wehren zu können. Was mich am meisten geärgert hat, ist die Tatsache, dass Vorwürfe hochgespielt wurden, die jeglicher Grundlage entbehrten. Die Verkaufsverhandlungen in Fall Kirchstieg habe nicht ich geführt. Herr Möller hatte seine Chance, er hat sie nicht genutzt. Mir ist es persönlich völlig egal, wer das Grundstück bekommt. Ich habe Ratsbeschlüsse ausgeführt. Am Ende hat die Staatsanwaltschaft in der Anzeige keine Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung gesehen, eine Einschätzung übrigens, die sie Herrn Möller bereits mit Schreiben vom 17. 4. 2015 mitgeteilt hat.

Sie sagten, Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren. Aber Sie könnten doch zum Beispiel juristisch dagegen vorgehen?

Schmidt : Ich habe mich juristisch beraten lassen. Es gäbe sicherlich Möglichkeiten, aber im Moment möchte ich das nicht weiter betreiben. Ich sehe es nicht als sinnvoll an, sich auf dieses Niveau zu begeben.

Aber auch von Seiten der SPD, den Grünen und den Linken gab es im Anschluss an die Anzeige viele Nachfragen und Kritik. Dem eigenen Bürgermeister den Rücken stärken sieht irgendwie anders aus. Können Sie sich das erklären?

Schmidt : Das hat mich sehr enttäuscht. Ich kann es nur schwer nachvollziehen. Zwar handelte es sich um ein laufendes Verfahren, aber ich hätte mich über Unterstützung in der Öffentlichkeit gefreut. Einige haben mir im Vier-Augen-Gespräch etwas gesagt, aber warum macht man das nicht öffentlich?

Udo Möller hat auch Zeugen angebracht, und zwar Politiker. Zwei ehemalige und ein noch amtierendes Ratsmitglied wollten gegen Sie letztlich aussagen. Was verändert das in Ihrer weiteren Zusammenarbeit mit den Politikern?

Schmidt : Zwar gibt es in der Anzeige mehrere schriftliche Stellungnahmen dieser Personen, doch hat die Staatsanwaltschaft diese nicht als Anhaltspunkte gegen mich gewertet. Es irritiert mich auch, dass keiner dieser Damen und Herren mich angesprochen hat. Es hat schon etwas verändert. Wenn man die Vertraulichkeit von Besprechungen verletzt und dann noch falsche Behauptungen aufstellt, wie es in diesem Fall geschehen ist, dann schadet das der Stadt. Ich überlege mir neuerdings sehr genau, was ich sage. Man muss ja fürchten, dass es für persönliche Diffamierungen verwendet wird.

In der Stadt geht das Gerücht um, Sie würden überlegen, deshalb nicht mehr als Bürgermeister antreten zu wollen. Was ist dran?

Schmidt : Das stimmt nicht. Ich trete an und will auch gewinnen. Es war nie mein Lebensziel, Bürgermeister zu werden. Das hat sich ergeben. Heute weiß ich aber, das ist mein Traumberuf. Ich bin schon ein wenig stolz darauf, gemeinsam mit der Politik, meiner Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern in den vergangenen Jahren einiges auf den Weg gebracht zu haben. Unter anderem Wedels Hinwendung zum Wasser mit der Erneuerung des Elbwanderweges und dem neuen Schiffsanleger am Willkommhöft, die von den Bürgern hervorragend angenommen werden. Es wurden große Projekte wie die Hafensanierung und der Businesspark begonnen, die ich bis zum erfolgreichen Abschluss mitgestalten möchte. Nach dieser dritten Amtszeit wäre ich 61 Jahre alt, dann muss man sehen.

Am 28. Februar 2016 geht’s für die Wedeler an die Urne. Glauben Sie, dass Sie dann allein ins Rennen gehen?

Schmidt : Ich gehe davon aus, dass noch jemand ins Rennen geht, wahrscheinlich jemand von außerhalb.

Fürchten Sie angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre da nicht eine erneute Hiobsbotschaft in Sachen Finanzen, die mitten in Ihren Wahlkampf platzen könnte?

Schmidt : Die Finanzlage hat mit der Wahl nichts zu tun. Nach derzeitiger Prognose würden wir das Haushaltsjahr mit einem leichten Plus abschließen. Aber ich kann derzeit nicht sagen, wo wir am Ende landen werden. Tatsächlich kamen die schlechten Nachrichten in Bezug auf die deutlich niedrigeren Gewerbesteuereinnahmen jedes Mal im Herbst. Ich hoffe und bete jeden Tag, dass wir einen positiven Jahresabschluss haben werden.

War nicht das Ziel ohnehin ein ganz anderes? Man wollte doch jedes Jahr 1,6 Millionen Euro erwirtschaften, um das große Defizit der vergangenen Haushaltsjahre auszugleichen.

Schmidt: 1,6 Millionen Euro waren ein politisch gestecktes Ziel. Die Stadt hat bereits die Richtung geändert und viel eingespart. Es gibt aber auch gegenläufige Einflüsse von außerhalb. Die Herausforderungen, die sich aus der Not der Flüchtlinge ergeben, die ständigen Veränderungen im Schulwesen sind nur zwei Beispiele, die wir in dieser Dimension nicht voraussehen konnten.

Hinzu kommen in Wedel ständig deutlich gestiegene Kosten für städtische Bauprojekte. . .

Schmidt: . . .das Wort ständig ist hier nicht zutreffend. Es gibt aber ein grundsätzliches Problem bei öffentlichen Bauwerken. Zunächst einmal arbeiten wir nach anderen Regeln als private Bauherren. Für viele dieser Regeln gibt es gute Gründe, aber sie gehen häufig auch zu Lasten der Wirtschaftlichkeit. Oft arbeiten wir unter Zeitdruck, müssen schnell eine Unterkunft bauen oder auf Raumnot an Schulen reagieren. Uns fehlt häufig die Zeit für die Planung.

Und die gestiegenen Kosten?

Schmidt : Die voraussichtlichen Kosten beruhen auf standardisierten Berechnungsverfahren, die je nach Stufe auch eine Abweichungstoleranz nach oben und nach unten beinhalten. Diese halten wir in der Regel auch ein. Häufig werden aber Werte miteinander verglichen, die nichts miteinander zu tun haben, beispielsweise Haushaltsansätze ohne konkrete Projektplanung mit Kostenberechnungen oder Ausschreibungsergebnissen, denen konkrete Planungen zu Grund liegen. Man nennt das auch den Fluch der ersten Zahl.

Trotzdem ist auch Ihnen der Geduldsfaden gerissen beim Bau der Mensa am Johann-Rist-Gymnasium. Gibt es schon ein Ergebnis der internen Prüfung?

Schmidt : Die Ergebnisse zur zeitlichen Verzögerung liegen vor. Aber die Prüfung der gestiegen Baukosten durch das Rechnungsprüfungsamt läuft noch. Wir werden beides der Politik voraussichtlich nach der Sommerpause vorstellen.