Wedel . Nachdem sie sich für den Bau eines Flüchtlingsheimes einsetzte, bekam die Jugendbeiratsvorsitzende Marieke Leidner einen Schmähbrief.
So richtig wohl war ihr nicht, als sie den Brief zum ersten Mal las. „Im ersten Moment ist das schon etwas einschüchternd“, sagt Marieke Leidner über die drei handschriftlichen Seiten, die jemand ihr wegen ihres Appells in Sachen Bau des geplanten Flüchtlingsheims in Wedel geschickt hatte. Sie sei unverschämt, unwissend, habe keine Erfahrung und solle in Zukunft derartige absurde Äußerungen unterlassen, kritisiert der Schreiber, der den Brief für Leidner ans Wedeler Rathaus schickte. Einen Absender schrieb er allerdings nicht drauf. Unterzeichnet wurde der Brief lediglich mit einer „sehr aufgebrachten Wedeler Bürgerin“.
Anonym eine Minderjährige, die sich im Jugendbeirat der Stadt engagiert, angreifen? „Das ist grenzwertig“, sagt die 17-Jährige, die sich nach dem ersten Schreck überlegt, offensiv mit dem Brief umzugehen. „Er bestätigt mich darin, dass wir einen Nerv getroffen haben, und motiviert mich weiterzumachen“, sagt die Schülerin.
Leidner engagiert sich seit 2012 im Wedeler Jugendbeirat. Seit kurzem sitzt sie sogar dem Gremium als Chefin vor. In dieser Funktion hatte sie sich während der jüngsten Ratsversammlung zu Wort gemeldet und im Namen des Beirats ein Statement zum umstrittenen Bau der Notunterkunft an der Feldstraße gegeben. Sie sprach sich für die Mittelfreigabe zur Baufinanzierung des Flüchtlingsheims aus. Es sei eine Chance für Wedel, vielfältiger zu werden. Der Standort wäre gut, da er zentraler liege. Sie appellierte an die Kommunalpolitiker, ein Zeichen gegen rassistischen Tendenzen in Wedel zu setzen. Das kam gut an.
In der Regel meldet sich der Jugendbeirat sehr selten zu Wort. „Es war mir eine Herzensangelegenheit, etwas zu diesem Thema zu sagen“, erklärt Leidner. Anlass war ein Treffen mit einer aus Syrien geflüchteten Familie, die heute in Wedel lebt. „Wir hatten als Jugendbeirat die Chance, eine Flüchtlingsfamilie kennenzulernen. Mir ist dadurch klar geworden, unter welchen Bedingungen sie hier leben und wie wichtig dieses Thema auch für uns Jugendliche ist“, berichtet die Schülerin. Gern hätte sie mit dem anonymen Briefschreiber den Dialog gesucht, einen Gesprächstermin vereinbart, vielleicht ein ähnliches Treffen mit einer Flüchtlingsfamilie organisiert. Kritik sei legitim, sagt Leidner. „Aber nicht auf diese Art und Weise.“