Kreis Pinneberg. Schenefelder Initiative startet Spendenaktion für Erdbebenopfer. Barmstedterin Savalin Thiemann im Katastrophengebiet im Einsatz
„Es ist alles zerstört“, sagt John Tamang. Im März besuchte der Schenefelder zuletzt sein Heimatland Nepal. Dann kam das Erdbeben, das alles veränderte, das Tausende Opfer forderte und das eines der ärmsten Länder der Welt in eine tiefe Krise stürzte. Viele der Tempel, die Tamang und seine Tochter noch auf ihrer Reise besuchten, gibt es nicht mehr. Die Not ist groß. Es fehlt an allem.
Das weiß Tamang aus den Nachrichten, die er täglich verfolgt. Er weiß es aber auch von seiner Familie und seinen Freunden, mit denen er über das Internet regelmäßig in Kontakt steht. Unter ihnen ist auch seine Tochter. Die 18-jährige Talitha verlängerte die Reise und blieb bei Verwandten in Kathmandu. Dort erlebte sie das Erdbeben und die Folgen. Ihr Vater hätte am liebsten sofort den Rückflug gebucht. Aber: „Sie wollte bleiben und helfen“, sagt Tamang stolz.
Denen helfen, die in Not sind und denen beistehen, die aufgebrochen sind, um vor Ort zu helfen: Das ist auch das Ziel einer Schenefelder Initiative. Einen Tag nach der Erdbebenkatastrophe klingelte bei der engagierten Schenefelderin Ingrid Pöhland das Telefon. Vereinsmitglied Edith Blaffert berichtete von dem, was sie von ihrem Nachbarn Tamang gehört hatte und fragte Pöhland, ob man nicht helfen könnte. Kann man, fand die Chefin des gemeinnützigen Vereins Glücksgriff.
Mithilfe der Deutsch-Nepalesischen Gemeinschaft in Hamburg, die sich dem Bündnis anschloss, und ihren Verbindungen konnte eine Liste mit dringend benötigten Dingen erstellt werden. „Vor einer Woche haben wir angefangen, passende Sachen zu sammeln und zu sortieren“, erklärt Pöhland. Die ehrenamtlichen Helfer von Glücksgriff, die eine Art Secondhandladen für den guten Zweck betreiben, haben bereits mehr als 50 Säcke und Kartons beiseite gestellt, vor allem mit Kinderkleidung.
Ziel ist es, schnellstmöglich einen Schiffscontainer mit benötigten Gütern voll zu bekommen und auf die Reise zu schicken. Doch dafür sind die Glücksgriff-Helfer selbst einmal auf Hilfe angewiesen. Sie bitten um Spenden. Da die Monsunzeit bevorsteht und zahlreiche Menschen durch das Beben ihr Zuhause verloren haben, bitten die Helfer um stabile Zelte und Regensachen für Kinder und Erwachsene. „Viele sind verletzt. Krücken und Rollatoren werden auch benötigt“, so Pöhland. Tamang, dessen Freund Arzt in Kathmandu ist, weiß, dass es auch an Einweghandschuhen, Mundschutz und Medikamenten für die medizinische Versorgung mangelt.
Wer zudem Schlafsäcke, Wolldecken, Matratzen, Schuhe, Handtücher und kleine Rucksäcke erübrigen kann, wird gebeten, die Dinge so schnell wie möglich im Vereinslager im Gebäude der alten Schenefelder Post am Heisterweg gegenüber dem Rathaus abzugeben. Die Ehrenamtlichen nehmen außer mittwochs und sonntags täglich in der Zeit von 10 bis 13 Uhr sowie 15 bis 18 Uhr Spenden entgegen.
Auch finanzielle Hilfe wird benötigt
Damit das alles gelingt, braucht es aber auch ein wenig finanzielle Hilfe. „Der Container kostet etwa 2500 bis 3000 Euro“, erläutert Pöhland. „Wir stellen dafür Sammelbüchsen im Laden an der Lornsenstraße und im Lager am Heisterweg auf und hoffen auf Spenden.“
Pöhland ist besonders wichtig, dass klar ist, wohin die Spenden gehen. Deshalb wurde in Abstimmung mit der Deutsch-Nepalesischen Gemeinschaft beschlossen, dass die Hilfe aus dem Kreis Pinneberg für das Bergdorf Sindupalchok bestimmt sein soll. Seit dem Erdbeben ist es abgeschnitten, die Helfer haben viele Bewohner noch nicht erreicht, weiß Sunita Thapa-Krahn. Sie kam 1999 nach Deutschland und blieb der Liebe wegen. Seit elf Jahren lebt sie in Schenefeld. Über ihre Heimat ist sie ausgesprochen gut informiert. Kein Wunder: Ihre Schwester arbeitet in der Deutschen Botschaft in Kathmandu.
Die beiden Schwestern und Tamang sind es auch, die dafür Sorge tragen werden, dass die Spenden wirklich bei denen ankommen, die sie brauchen. „Wir wollen hinfliegen und vor Ort sein, um die Sachen zu verteilen“, so Thapa-Krahn. Über die Deutsch-Nepalesische Gemeinschaft seien schon Hilfsladungen in Nepal eingetroffen, auch Freiwillige mitgeflogen.
Barmstedterin flog am 26. April mit weiteren THW-Helfern nach Kathmandu
Unter denen, die vor Ort Hilfe leisten ist mit Savalin Thiemann auch eine THW-Helferin aus dem Kreis Pinneberg. Die Barmstedterin flog am 26. April mit einem Team der Schnell-Einsatz-Einheit Wasser Ausland (SEWA) in die Hauptstadt Kathmandu, wo die Trinkwasserspezialisten einen Tag später eintrafen. Nach einer ersten Erkundung der Lage suchten die Helfer den Hof eines örtlichen Wasserwerks als Standort für ihre mobile Wasseraufbereitungsanlagen aus. Dort kann kontaminiertes Wasser gereinigt werden, sodass es den Standards der Weltgesundheitsbehörde WHO entspricht.
Zwei Anlagen dieser Art, die über eine Kapazität von jeweils 5000 Liter Trinkwasser pro Stunde verfügen, haben die Helfer dabei. Weil die Wasserversorgung im Erdbebengebiet ein großes Problem darstellt, machten die deutschen Helfer die beiden Anlagen so schnell wie möglich startbereit. Am 2. Mai ging die erste Anlage in Betrieb, einen Tag später folgte die zweite. Damit können die Helfer vor Ort pro Tag 30.000 Einheimische mit dem lebensnotwendigen Gut Wasser versorgen.
Die 31-jährige Barmstedterin ist für die Kontrolle der Wasserqualität zuständig. „Die Wasserqualität überprüfen wir ständig nicht nur im mobilen Labor, sondern auch durch die Betriebsanalytik. Umso weniger Trübung wir haben, desto besser“, schreibt sie in einem Internetblog des THW.
Savalin Thiemann, die bereits mehrere Auslandshilfseinsätze für das THW absolviert hat und trotz ihrer jungen Jahre sehr einsatzerfahren ist, lobt das SEWA-Team vor Ort. „Es ist gut zusammengestellt und wir ergänzen uns super. Hier kann ich mein Wissen über die Anlage gut an diejenigen weitergeben, die damit noch nicht so erfahren sind. Über die Anerkennung, die wir hier vor Ort bekommen, freue ich mich sehr, aber auch auf das Wiedersehen am Flughafen in Deutschland mit den Kameraden.“
Bis zur Rückkehr nach Barmstedt dauert es noch mindestens zwei Wochen. Voraussichtlich bis zum 24. Mai wird die 31-Jährige in Kathmandu bei mehr als 30 Grad Hitze dafür sorgen, dass so viele Menschen wie möglich sauberes Trinkwasser erhalten. Bis gestern konnten bereits 390.000 Liter Trinkwasser an die Bevölkerung abgegeben werden.
Noch 30 bis 45 Tage kann es dauern, bis der Schiffscontainer mit Schenefelder Hilfsgütern in Nepal ankommt. Ist das nicht viel zu spät? „Nein“, sagt Tamang. „Einige Dörfer sind bis zu 70 Prozent zerstört. Es wird nicht nur einige Monate lang Hilfe gebraucht. Das wird Jahre dauern.“