Halstenbek. In der Halstenbeker Grundschule Bickbargenwird im Unterricht Essen zubereitet. Die Kinder lernen praxisnah, was im Leben wichtig ist.

Wenn 21 Drittklässler mit Papiermützen auf dem Kopf in der Schule Karotten hobeln und Schnittlauch schneiden, dann steht Ernährung auf dem Stundenplan im Heimat-, Welt- und Sachkundeunterricht. So wird in der Klasse 3a der Halstenbeker Grundschule Bickbargen in dem Fach sechs Wochen lang Essen zubereitet – und zum Schluss gibt es einen Ernährungsführerschein.

„Ich möchte den Kindern das Gefühl für gesunde Ernährung vermitteln“, sagt die Ökotrophologin Ursula Bollig, die Klassenlehrerin Jasmin Behrmann unterstützt. An diesem Tag steht Nudelsalat mit Tomaten, Käse und Gurken auf dem Speiseplan.

Ganz anders war der Heimatkunde-Unterricht Anfang der 70er-Jahre. Aufgaben und Themen wie „Kannst du eine Landkarte lesen?“ oder „Die Nordseeküste und ihre Inseln. Bauernland – Ferienland“ standen damals im schleswig-holsteinischen Sachunterricht auf dem Lehrplan. Auch wenn diese Inhalte heute nicht überflüssig geworden sind, hat sich das Fach im Laufe der Jahre doch sehr gewandelt. Bereits der Name hat sich mehrfach geändert: von der Heimatkunde über den Heimat- und Sachkundeunterricht bis zur Heimat-, Welt- und Sachkunde (HWS) – so heißt das Fach derzeit an den Grundschulen im nördlichsten Bundesland.

Was soll moderner HWS-Unterricht aus pädagogischer Sicht leisten? „Die Schüler sollen sich mit ihrer Lebenswelt auseinandersetzen. Die Lehrer knüpfen an die Erfahrung der Kinder an“, erläutert Hartmut Tank, 71. So wird das Thema Haustiere im Unterricht aufgegriffen, und Aspekte wie Pflege, artgerechte Unterbringung und Kosten werden untersucht. Die Kinder dürfen manchmal sogar ihr Haustier mit in die Schule bringen – diese Praxis wird der Leitidee „einer erkundenden Auseinandersetzung mit der Außenwelt“ gerecht. Hartmut Tank, Pädagoge im Ruhestand, ist Fachmann auf dem Gebiet der Heimat- und Sachkunde. Der Grund- und Hauptschullehrer hat sich vor allem auch als Studienleiter des Instituts für Qualitätsentwicklung Schleswig-Holstein (IQSH) mit dem Thema beschäftigt. Außerdem war er Landesfachberater für Heimat- und Sachkunde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den ersten Klassen heimatkundliche Themen wie der Dorfteich, Straßennamen und das eigene Bundesland behandelt. Naturwissenschaften waren damals nicht vorgesehen. Ende der 60er-Jahre entfernten sich die Lehrinhalte von der Heimat und stellten die sachlichen Dinge in den Vordergrund. „In dieser Zeit sollte das Fach auf eine naturwissenschaftliche Basis gestellt werden“, sagt Hartmut Tank. Ende der 80er-Jahre sorgten sich die Verantwortlichen dann um den Verlust des Heimat-Aspekts, sodass begrifflich und inhaltlich ein Heimat- und Sachkundefach geschaffen wurde.

1997 wurde der Lehrplan in Schleswig-Holstein verabschiedet, der bis heute gültig ist. So lernen die Kinder beispielsweise ihre unmittelbare Umgebung kennen, wie das Rathaus oder das Standsamt vor Ort. Manche Lehrkräfte fahren mit ihrer Klasse ins Winkingermuseum Haithabu bei Schleswig, um der Wikingerzeit nachzuspüren – und bauen nach dem Besuch den Wall und die Palisaden im schulischen Sandkasten mit Streichhölzern nach. „Praktisches Tun ist wichtig“, sagt Tank, denn durch den Prozess werde der Lernstoff verarbeitet und reflektiert. Auf diese Weise kommen die Schüler zu eigenen Erkenntnissen.

Der 18 Jahre alte Lehrplan umfasst sechs Lernfelder: 1. Ich und wir, 2. Sicherung des menschlichen Lebens (Körperpflege, Ernährung, Verkehrserziehung), 3. Raum und Zeit, 4. Heimat und Fremde, 5. Natur und Umwelt, 6. Technik, Medien, Wirtschaft. „Lehrer müssen sich nicht sklavisch an einen Lehrplan halten, aber sie müssen sich daran orientieren“, so Tank. Denn moderne Themen wie die Flüchtlingsproblematik tauchten in diesem Lehrplan noch nicht auf. Allerdings orientierten sich die Lehrer auch an einem sogenannten Perspektivrahmen. In ihm kommt auch die naturwissenschaftliche und technische Seite zum Tragen, die eine Zeit lang zu kurz gekommen war. Aus diesem Grund wurde 2006 die bundesweite Initiative „Haus der kleinen Forscher“ mit Stiftungsmitteln aus der Wirtschaft gegründet.

Kreis Pinneberg stellte die Förderung eines erfolgreichen Schulprojekts ein

Im Kreis Pinneberg fungierte bis vor Kurzem der Kreisjugendring (KJR) als lokales Netzwerk, um den Kindern in Kitas und Grundschulen die Begegnung mit Naturwissenschaften und Technik zu ermöglichen. Trainer dieser Einrichtung – Hartmut Tank ist seit seiner Pensionierung 2008 auch dabei – schulen in Workshops pädagogische Fachkräfte, die wiederum mit den Kindern naturwissenschaftlich experimentieren und die Physik und Biologie im Alltag entdecken. „Das ist auch eine Vorbereitung auf die Fächer an den weiterführenden Schulen“, so Trainer Karl-Heinz Werner, ehemaliger Elmshorner Schulleiter. Allerdings stellte der Kreis Pinneberg die finanzielle Förderung dieses erfolgreichen Projekts Ende 2014 ein. Fanden Anfang des Jahres noch die ausgeschriebenen Kurse statt, so hat das „Haus der kleinen Forscher“ in Barmstedt Ende März seine Pforten geschlossen.

Ausprobiert und getestet wird aber weiterhin. In der Grundschule Bickbargen sind die Neunjährigen eifrig dabei. Ihnen macht es offensichtlich Spaß, zu schnibbeln und zu rühren – und zu probieren. Zum Schluss wird gemeinsam gegessen. „Die Kinder lernen so auch, wo die Nahrungsmittel, zum Beispiel Eier, herkommen“, sagt Ursula Bollig. Als Hausaufgabe sollen die Kinder im Supermarkt Äpfel oder Bananen abwiegen und auf Verpackungen und Größen achten.

Ganz nebenbei werden mehrere Aspekte eines modernen HWS-Unterrichts abgedeckt. Die Schüler sind selbst aktiv, lernen etwas über Ernährung, Lebensmittel und ihren Körper – und über gelebte Kultur.