Ulrike Graefen, Sprecherin der Pinneberger Schulallianz, fordert die konsequente Sanierung der Bildungseinrichtungen in der Kreisstadt.
Pinneberg. Ulrike Graefen ist Sprecherin der Pinneberger Schulallianz. Der 2014 initiierte Zusammenschluss von Eltern setzt sich für die Sanierung von maroden Bildungseinrichtungen ein. Im Interview gibt sich die 49-Jährige kämpferisch. Die Allianz werde den Druck auf Politik und Verwaltung hochhalten.
Hamburger Abendblatt: Frau Graefen, seit 13 Monaten kämpft die Schulallianz in Pinneberg für eine Sanierung der Bildungseinrichtungen. 2014 wurde trotzdem nicht annähernd das Geld investiert, das die Politik bereitgestellt hatte. Wie tief sitzt der Frust?
Ulrike Graefen: Ich würde eher von Wut sprechen: Wir erleben seit vielen Jahren dieses Trauerspiel. Über viel zu lange Zeit haben wir geglaubt, dass es der Stadt als Träger der Schulgebäude ein selbstverständliches Anliegen sein muss, diese Häuser instandzuhalten. Nach und nach mussten wir erkennen, dass weder die Stadtverwaltung noch die Politik dieser Pflicht nachgekommen sind. Es gibt Schulen in der Stadt, die sich in einem durchaus akzeptablen Zustand befinden – aber in anderen Schulen ist die bauliche Situation seit vielen Jahren vollkommen desolat und unzumutbar. Für uns ist das, um es auf den Punkt zu bringen, ein Riesenskandal.
Ihre Kinder werden in Gebäuden unterrichtet, die nicht den gesetzlichen Brandschutzbestimmungen entsprechen. Haben Sie Angst um ihre Kinder?
Graefen: Wir Eltern werden in diesem sensiblen Bereich immer wieder beschwichtigt: „Alle Schüler sowie die Lehrer können im Brandfall sicher geborgen werden“ – heißt es. Das ist eine Vermutung, der man Glauben schenken kann, doch sicher wissen kann das hier niemand. Diese unkalkulierbare Gefahr ist für uns Eltern nicht akzeptabel. Aktuell liegen uns die Zahlen der Verwaltung vor, die in den neuen Haushalt einfließen sollen. Ausgerechnet im Brandschutz wurden schamlos große Beträge in das Folgejahr verschoben – Ausgang ungewiss.
Wie lauten Ihre konkreten Forderungen für 2015 und die kommenden Jahre bis 2018, wenn der Sanierungsplan abgearbeitet sein soll?
Graefen: Kante zeigen und die Schulsanierung nicht immer wieder infragestellen. Nicht fragen: „Was können wir streichen?“, sondern: „Was brauchen wir – auch an personellen Ressourcen –, um das Ziel zu erreichen?“ Mit Versprechungen für die Zukunft werden wir uns nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre auf keinen Fall zufrieden geben. Wer sich eine Kür wie eine teure Straße oder einen schicken Bahnhof genehmigen möchte, hat zuerst seine Pflicht zu erfüllen. Wir fordern, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die fristgerechte Umsetzung des Sanierungsplans uneingeschränkt geschaffen und andere Projekte erst anschließend bearbeitet werden.
Hat die Schulsanierung in Pinneberg tatsächlich Priorität, wie so oft betont wird?
Graefen: Definieren Sie Priorität! Im Ernst: Dieser Begriff entspricht doch hier nur einer Worthülse. In unseren Augen benutzen Teile der Politik und Verwaltung vollmundig Lippenbekenntnisse, versuchen uns damit ruhigzustellen und zu beschwichtigen. Gleichzeitig werden wir inhaltlich hingehalten, Beschlüsse werden nicht durchgeführt, Erläuterungen nicht gegeben. Man hat sich gedanklich bereits darauf eingerichtet, die Schulsanierung noch weiter zu verschieben und zu verschleppen. So viel zum Thema Priorität, Transparenz und Respekt – Respekt uns, aber insbesondere den Schülern gegenüber. Echte Prioritäten gibt es in Pinneberg doch schon längst: Diese liegen glasklar in der zügigen Durchführung der Projekte Westumgehung und Bahnhofsanierung.
Die Schulallianz hat vorgeschlagen, an der Theodor-Heuss-Schule den Unterricht vor und nach den Sommerferien nach draußen zu verlagern, um den Handwerkern mehr Zeit zu geben. Ein ernst gemeinter Vorschlag, der auch für andere Schulen gelten könnte?
Graefen: Immer wieder wird das Argument genannt: Eine Sanierung in diesem Umfang kann der Schulbetrieb nicht verkraften. Das ist kompletter Unsinn! Was nicht verkraftbar ist, ist eine Sanierung, die über zehn Jahre dauert. Daher hat die Schule an dieser Stelle angeboten, den Unterricht für einen gewissen Zeitraum auszulagern, damit die Arbeiten im Gebäude zügig durchgeführt werden können. Die Stadt muss nun zeigen, dass die fehlende Zumutbarkeit kein vorgeschobenes Argument ist, um die Arbeiten weiter zu verschleppen und entsprechend das Geld dafür nicht ausgeben zu müssen – wie in den Jahren zuvor immer wieder passiert. Auch das ist ein Skandal.
Zwei Demonstrationen hat die Schulallianz bereits organisiert. Planen Sie weitere Protestaktionen für den Fall, dass die Hängepartie weitergeht?
Graefen: Sicher ist, dass wir Eltern uns nichts mehr gefallen lassen. Die Zeiten der vornehmen Zurückhaltung sind definitiv vorbei. Wir sind Bürger dieser Stadt, zahlen unsere Steuern und unsere Kinder haben ein Recht auf intakte, sichere und angemessen ausgerüstete Schulhäuser. Die Schulallianz ist kein Haufen von hobbylosen Aktivisten, die nichts Besseres zu tun haben, als zu demonstrieren. Wir werden zu diesem Ausdruck des Protestes regelrecht aufgefordert. Es ist ein Armutszeugnis für Pinneberg, dass wir Eltern uns in der Schulallianz organisieren und formieren mussten, um Stadt und Politik zu zeigen, dass sie so nicht mit den Schulen umzugehen haben.
Ist es eine Alternative, die Stadt Pinneberg zu verklagen?
Graefen: Im Grundgesetz ist das Gleichheitsprinzip verankert. Wir wiederholen uns, wenn wir sagen, dass es den Schülern dieser Stadt nicht zum Nachteil gereichen darf, hier vor Ort beschult zu werden. Die Sorgfaltspflicht ist seitens der Stadtverwaltung und der Politik zum Teil sträflich vernachlässigt worden. Wir werden weiter für das Recht der Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt kämpfen. Ob wir zu einem rechtlichen Schritt an dieser Stelle gezwungen werden, wird sich zeigen. Betonen möchte ich, dass wir uns immer konstruktiv und lösungsorientiert verhalten haben und auch weiterhin werden. Es ist allerdings mehr als bedauerlich zu erkennen, dass einflussreichen Menschen in dieser Stadt das Schicksal der Schulen relativ gleichgültig zu sein scheint.
An der Theodor-Heuss-Schule ist bei Bauarbeiten geschlampt worden. Schuldige wurden bislang nicht benannt. Was erwarten Sie von Bürgermeisterin Urte Steinberg?
Graefen: Die Bürgermeisterin hat Transparenz versprochen, die wir einfordern. Es muss klar erläutert werden, wer in diesem Fall Fehler begangen hat. Es darf nicht sein, dass diese gravierenden Planungs- und Ausführungsdefekte ohne Konsequenzen bleiben. Die Verantwortlichen müssen benannt und gegebenenfalls auch juristisch belangt werden.
Wenn Sie aufgerufen wären, eine Schulnote zu vergeben, welche würden sie der Stadt Pinneberg als Schulträger derzeit geben?
Graefen: Wir würden eine glatte Sechs geben. Eine Ganztagsschule ohne Mensa, eine Schule mit kaputtem Dach, eine Schule mit abgegammeltem Pavillon-Provisorium und nicht zuletzt an der THS eine Dauerbaustelle, in der die Außenfassade des Innenhofes vor Jahren ersatzlos entfernt und bis heute nicht erneuert wurde, wo es zu Pfusch und Schlamperei kommen konnte, der Brandschutz dabei nicht berücksichtigt und nun teuer nachgeholt werden muss. Das ist die traurige Realität in Pinneberg. Die Kritik gilt aber nicht nur der Verwaltung: Nebenbei müssen wir uns von Politikern hinterher rufen lassen, dass es in Pinneberg nicht nur die Schulen gibt. Das ist der absolute Gipfel.