Den 150 Flüchtlingen wird es in Pinneberg nicht einfach gemacht. Von einer Willkommenskultur ist die Kreisstadt noch weit entfernt.
Pinneberg. Ali Akbar Hussaini öffnet die Tür. Er lächelt, als er Ulrike und Roman Bues erblickt. Bekannte Gesichter. Davon gibt’s für ihn in Pinneberg nicht viele. Hussaini ist einer von 150 Flüchtlingen, die in der Kreisstadt eine neue Heimat gefunden haben. Er kommt aus Afghanistan, spricht kein Wort Deutsch – und ist somit dringend auf Unterstützung angewiesen.
Behördengänge, Arztbesuche, Besorgungen – Familie Bues ist für ihn, seine Frau Zohra und Tochter Fatima da, kümmert sich. Ehrenamtliches Engagement ohne Organisation im Rücken. Von einer Willkommenskultur, wie sie etwa in Rellingen und Wedel entstanden ist, ist die Stadt Pinneberg noch weit entfernt. In den Nachbarkommunen steht die Betreuung von Flüchtlingen auf breiterer Basis. „Wir müssen hier noch viel Aufbauarbeit leisten“, räumt Rathaussprecher Marc Trampe ein. Ein Arbeitskreis sei bereits initiiert worden. Für März sei ein Runder Tisch zum Thema geplant.
Auf den wollten Ulrike und Roman Bues nicht warten. Sie machten sich im Dezember auf, steuerten auf eigene Faust eine städtische Unterkunft für Flüchtlinge an. Und klopften einfach mal an. „Ein bisschen haben wir uns gefühlt wie die Zeugen Jehovas“, sagt Roman Bues. Die Motivation? „Wir haben zwei Jahre als Entwicklungshelfer in Kamerun gearbeitet, wissen, wie es in einem fremden Land ist. Zudem sind unsere Kinder groß, wir haben Zeit.“ Bei den Menschen in der Behelfsunterkunft rannten sie offene Türen ein.
164 Asylbewerber bringt die Stadt derzeit in eigenen oder angemieteten Wohnungen unter. Das zweiköpfige Helfer-Team kümmert sich um vier Familien. Die Flüchtlinge kämen in der Regel mit nur einer Reisetasche an. Die wichtigsten Papiere, kaum Kleidung – das war’s. Ulrike Bues bittet um Spenden, versucht, das Nötigste zu organisieren. Ihr Mann kümmert sich um die Technik. „Ich repariere derzeit Fahrräder ohne Ende.“ Familie Hussaini hat mittlerweile einen Fernseher und kann über Satellit Programme aus der Heimat empfangen. Die notwendige Schüssel hat Roman Bues befestigt.
Als größtes Problem stellen sich die Sprachbarrieren heraus. Die aus Syrien, Afghanistan und dem Iran stammenden Neubürger sprechen in der Regel kein Englisch und Deutsch schon gar nicht. „Und so lange sie nicht offiziell anerkannt sind, haben sie kein Anrecht auf Integrationskurse“, sagt Ulrike Bues. Ihr Mann hat stets einen elektronischen Übersetzer dabei, um Dringendes zu klären. Etwa die Frage, wie die Betreuung der zweijährigen Fatima gewährleistet werden kann.
Die Kleine tobt auf dem flauschigen Teppich, während Mutter Zohra einen Tee zubereitet. Familie Bues lässt sich die aus Afghanistan stammende Mischung schmecken. Ihnen sei von Beginn an mit großer Gastfreundschaft begegnet worden.
Ulrike und Roman Bues hoffen darauf, dass sich weitere Pinneberger finden, die ehrenamtlich in die Arbeit mit Flüchtlingen einsteigen. Dass das nötig sein wird, daran lassen die Zahlen kaum Zweifel. Laut Rathaussprecher Trampe rechnet Pinneberg für dieses Jahr mit einem Zuzug von mindestens 135 Menschen aus Krisengebieten. Er feile derzeit an seinem Konzept für deren Unterbringung. Einen ersten Entwurf hat Trampe, der von Bürgermeisterin Urte Steinberg als Verantwortlicher eingesetzt wurde, der Politik vorgestellt.
Trampe kann sich vorstellen, Info-Abende für Ehrenamtliche anzubieten. Allerdings sei die Zeit dafür in Pinneberg noch nicht reif. „Momentan würde uns das überfordern, wir müssen erst intern funktionieren.“ Ulrike und Roman Bues wünschen sich eine echte Willkommenskultur für ihre Stadt. Behörden und Ehrenamtliche sollten enger zusammenarbeiten. An einem von der Stadt initiierten Runden Tisch würden sie sofort Platz nehmen. Auf ein Angebot für Asylbewerber können sie bereits jetzt hinweisen: Dienstags öffnet das Flüchtlingscafé an der Bahnhofsstraße seine Pforten – in den Räumen des Café Pino. „Etwa 40 Menschen nehmen dieses Angebot derzeit in Anspruch“, sagt Ulrike Bues.
Ali Akbar Hussaini hat während des Gesprächs aufmerksam gelauscht. Verstanden hat er kaum ein Wort. An der Wand der kleinen Wohnung hängt ein Zettel. „Die Wand“ ist darauf zu lesen. Ulrike Bues lacht. „Auch ein Weg, unsere Sprache zu lernen.“ Wer das kleine Helfer-Team unterstützen will, wendet sich an Ulrike Bues unter der Telefonnummer 04101/758 91 oder per E-Mail an ulrike.bues@gmx.de.