Rund 100 Fahnder sind an der großangelegten Razzia beteiligt. Vier Mitarbeiter aus der Verwaltung, darunter zwei Architektinnen, werden verdächtigt, systematisch Baumaterial unterschlagen zu haben.
Elmshorn. Am 12. November erschüttert ein Korruptionsskandal Elmshorns Rathaus. Rund 100 Fahnder der Staatsanwaltschaft Kiel und des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein durchsuchen den Verwaltungssitz, private Wohnungen und weitere städtische Gebäude, darunter die Bismarckschule, die Grundschule Hainholz sowie das Gelände des ehemaligen Klärwerks an der Kruck. Vier Mitarbeiter des Gebäudemanagements – zwei Architektinnen, der Hausmeister und eine Verwaltungskraft – sollen über einen längeren Zeitraum Baumaterialien in mindestens fünfstelliger Höhe unterschlagen haben. Gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft Kiel wegen Untreue und Bestechlichkeit.
Im Zentrum der massiven Korruptionsvorwürfe stehen die beiden Architektinnen Nicole H. und Inga B., langjährige Mitarbeiterinnen im Rathaus. Was anscheinend niemand wusste: Sie sollen als Paar zusammengelebt haben und damit das Vier-Augen-Kontroll-Prinzip der Verwaltung außer Kraft gesetzt haben. Da jede einzelne der betroffenen Rechnungen unter dem Betrag von 10.000 Euro liegt, gingen diese am Rechnungsamt vorbei.
Bürgermeister Volker Hatje und der Büroleitende Beamte Carsten Passig gingen schon Monate zuvor einem Verdacht nach. Als sich die Vorwürfe erhärten, schalten sie das LKA ein, bevor etwaige Beweise vernichtet werden können. Der Skandal hat die Kollegen im Rathaus tief erschüttert. Doch anstatt in eine Schockstarre zu verfallen, beweisen sie wie schon nach den Großbränden im Hochhaus an der Beethovenstraße ein gut funktionierendes Krisenmanagement.
Während die Ermittlungen in Kiel auf Hochtouren laufen, erstellt die Stadt einen Krisenplan. Großbaustellen wie der Neubau der Erich Kästner Gemeinschaftsschule (KGSE) sowie die Sanierungen der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule und des Stadttheaters gehen trotz Personalnot weiter.
Die Aufgaben der verdächtigen Architektinnen werden von anderen Rathausmitarbeitern und zum Teil von externen Kräften übernommen. „Wir hoffen, dass spätestens im Sommer alles wieder normal laufen wird“, sagt Bürgermeister Hatje. Die Stellen sind ausgeschrieben und sollen schnellstmöglich besetzt werden. „Wir stellen gern auch ältere Kollegen mit Erfahrung ein“, so das Stadtoberhaupt. Er sei erleichtert darüber gewesen, dass sich der Kreis der Verdächtigen während der Ermittlungen nicht erweitert habe. Das Rechnungsprüfungsamt ermittle derzeit die Höhe der Schadensersatzforderungen.
Ein erster Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Elmshorn kurz vor Weihnachten bleibt ohne Einigung. Architektin B. hat gegen ihre fristlose Kündigung geklagt, allerdings nicht auf Wiedereinstellung, sondern darum, die fristlose in eine normale Kündigung umzuwandeln. Zudem soll die Stadt auf Schadensersatzforderungen verzichten. „Darauf haben wir uns natürlich nicht eingelassen“, sagt Volker Hatje. Am 12. März wird es daher zur Kammerverhandlung mit Zeugenbefragungen kommen. Die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht läuft parallel zum Strafverfahren.