Nicht nur die Zahl der Flüchtlinge steigt im Kreis Pinneberg. Mehr und mehr Bürger engagieren sich ehrenamtlich für eine Willkommenskultur, um die Geflohenen zu unterstützen und sie zu integrieren.

Kreis Pinneberg. Eine neue Willkommenskultur entwickelt sich im Kreis Pinneberg. In den vergangenen Monaten haben sich in den Rathäusern und Beratungsstellen viele Menschen gemeldet, die den immer zahlreicher ankommenden Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, Irak oder Serbien helfen wollen. So organisierten Ehrenamtliche des neuen Willkommensteams in Elmshorn mit dem Amt für Bürgerbelange jetzt eine Weihnachtsfeier, zu der fast 200 Menschen im Rathaus zusammenkamen. Für die Kinder gab es Geschenke, die Erwachsenen trafen sich am Buffet, zu dem die Gäste besondere Speisen aus ihren Heimatländern mitbrachten.

Die Idee zu der Weihnachtsfeier kam von Sonita Haidari, die aus Afghanistan stammt und sich in ihrem ersten Jahr in Deutschland wunderte, wie sich die Stadt in der Weihnachtszeit veränderte: „Auf einmal war alles beleuchtet und geschmückt, doch ich hatte keine Ahnung, was das alles bedeutet.“ Mehr und mehr Menschen engagieren sich auf diese oder ähnliche Art ehrenamtlich. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen haben erkannt, dass sie bei ihrem Auftrag, die Flüchtlinge zu integrieren, auf die Unterstützung der Bürger angewiesen sind. Und sie rufen sie dazu auf, sich zu engagieren. Und die Bürger helfen zahlreich.

Die Behörden organisieren Versammlungen mit dem Ziel, Arbeitsgruppen aus Ehrenamtlichen einzurichten, die sich gemeinsam mit den Verwaltungen um die Flüchtlinge kümmern. In vielen Fällen ist dies bereits gelungen. In Tangstedt haben sich nach einem Aufruf des Bürgermeisters Detlef Goos vier Frauen gemeldet, die sich nun mit Unterstützung aus der Gemeinde um zwölf Tangstedter Flüchtlinge kümmern. Für die Freiwillige Sabine Sommerfeld ist das Engagement eine Herzensangelegenheit. Auch sie hat das Wachsen einer neuen Willkommenskultur bemerkt. „Ich finde es toll, dass die Leute jetzt wach werden und helfen wollen“, sagt sie. „Es ist ganz wichtig, dass sich die Flüchtlinge willkommen fühlen.“ In Bönningstedt hat Pastor Christopher Fock Politiker, Lehrer und Vereinsvertreter zu einem Runden Tisch eingeladen, mit dem Ziel, die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge im Dorf besser aufeinander abzustimmen.

Ganz wichtig sei auch die Hilfe bei der ersten Orientierung, sagt Ludger Fischer vom Diakonieverein Migration in Pinneberg. „Gerade am Anfang ist unsere Arbeit sehr intensiv“, sagt sein Kollege Hüseyin Inak. So müssten die Flüchtlinge über die Schulpflicht aufgeklärt und ihnen gezeigt werden, wo sie Ärzte finden, wo sie Kleidung oder Handtücher herbekämen. Der Kreis Pinneberg hat dem Diakonieverein den Auftrag erteilt, sich um die soziale Betreuung und Beratung von Flüchtlingen zu kümmern, in erster Linie bei Fragen zu den Asylverfahren. Für diese Sozialarbeit zur Betreuung standen dieses Jahr bei 2250 Flüchtlingen nur 2,25 Stellen zur Verfügung.

Im Diakonieverein, der an sechs Standorten im Kreis aktiv ist, sind auch viele Mitarbeiter ehrenamtlich tätig. „Die Leute sind sehr bemüht zu helfen“, sagt Hüseyin Inak. „Im Moment haben wir einen Pool von 40 bis 50 Leuten und es werden immer mehr.“ So werden zurzeit vor allem Paten gesucht. Sie sollen ihren Schützlingen bei Behördengängen und Arztbesuchen helfen. Denn jeder Sozialarbeiter muss sich laut Fischer im Durchschnitt um 1000 Flüchtlinge kümmern. Auch Sachspenden können viel bewirken: Schulranzen, Kleidung, Spielsachen oder Fahrräder werden gern angenommen, um Flüchtlingen eine Grundversorgung zu bieten.

Weitere Arbeitskreise gibt es unter anderem in Wedel, wo laut Inak gerade eine große Unterstützerszene entsteht. Das mittlerweile 42-köpfige Willkommensteam in Elmshorn plant nach der Weihnachtsfeier weitere gemeinsame Veranstaltungen. Michael Dürr von der Stadtverwaltung sagt: „Die Ehrenamtlichen begleiten Flüchtlinge auch bei Behördengängen und dolmetschen. Es ist toll, dass bei der Feier Kontakte geknüpft werden konnten.“ In Halstenbek gibt es die Gruppe „Willkommen in Halstenbek“, in Rellingen den vom Diakonieverein betreuten Runden Tisch Asyl, und die Gemeinde Schenefeld plant für den 21. Januar ein erstes Treffen für einen Arbeitskreis. In Pinneberg und Wedel gibt es von Januar an Flüchtlingscafés, wo sich Flüchtlinge untereinander sowie mit Helfern und Beratern austauschen können. In Quickborn koordiniert die Werkstatt der Diakonie diese Flüchtlingshilfe mit ebenfalls zahlreichen ehrenamtlichen Kräften.

In Tornesch gibt es bereits ein Flüchtlingscafé, das aus Deutschkursen in der Volkshochschule entstanden ist. Jeden Freitagnachmittag treffen sich etwa 20 Flüchtlinge mit ebenso vielen Freiwilligen im Stadtteilbüro. „Wir haben gemerkt, dass die Kurse nicht ausreichen“, sagt VHS-Leiterin Inga Pleines. Eine Fremdsprache müsse man üben. Sabiallah Tagebi ist einer der Organisatoren. Der Iraner kam selbst vor zwei Jahren nach Deutschland und wartet auf eine Entscheidung über seinen Asylantrag. Solange bringt er sich ein, wo er kann, hilft beim Übersetzen, gibt seine Erfahrungen weiter. „Helfen ist gut für mich und gut für die Flüchtlinge.“ Brigitte Berger koordiniert das Café und führt die Geflohenen mit Einheimischen zusammen. Jeden Tag sehe sie leidende Flüchtlinge im Fernsehen, sagt sie, da wollte sie sich einsetzen.

Der Diakonieverein bietet Schulungen für die Gruppen an, erklärt das Asyl- und Aufenthaltsrecht, die Grundlagen von Asylverfahren und das Asylbewerberleistungsgesetz. Ein Asylverfahren führt oft durch einen Behördendschungel. „Die Aufklärung der freiwilligen Helfer, was in einem Asylverfahren passiert, ist sehr wichtig“, sagt Hüseyin Inak. „Wer das begreift, versteht besser, in welchen Bereichen ein Flüchtling am ehesten Hilfe braucht.“