Die Odyssee des Simo Shukri. Diakonieverein Migration beklagt zu geringe Personalausstattung für seine Sozialarbeit
Kreis Pinneberg. Simo Shukri, 23, ist ein fröhlicher junger Mann. Er lacht, macht Späße mit den Kollegen im Deutsch-Integrationskurs, die es aus aller Welt hierher verschlagen hat. „Meine Heimat ist Deutschland“, sagt der Syrer. In sein Herkunftsland will er nicht mehr zurück. „Da ist Krieg. Da musste ich weg.“ Als anerkannter Asylant darf er bis April 2016 bleiben. Dann muss er sein Aufenthaltsrecht verlängern.
Der Syrer hat eine wahre Odyssee hinter sich – und hat trotzdem noch Glück gehabt, sagt Ludger Fischer, der Leiter des Diakonievereins in Pinneberg, der den Auftrag vom Kreis für die soziale Betreuung von Flüchtlingen hat. Der Landeszuschuss lässt allerdings immer nur einen Berater pro 1000 Flüchtlinge zu. Waren es 2013 noch 1,7 Stellen für insgesamt 1779 Flüchtlinge, sind aktuell aufgrund steigender Zahlen 2,25 Stellen finanziert.
Shukri floh im März 2013 zu Fuß in die Türkei, flog nach Köln, wo er sich bei der Aufnahmestelle in Dortmund meldete. Die schickte ihn weiter zu einer Sammelunterkunft nach Neuss, von wo aus er nach Neumünster kam. Von dort ging es über die Ausländerbehörde in Elmshorn und das Sozialamt in Pinneberg in die Unterkunft in der Altonaer Straße nach Halstenbek. Da lebt er nun in einem kleinen Zimmer, das er sich mit einem Landsmann teilt.
Shukri sprach kein Wort Deutsch, als er hier ankam. In Neumünster musste er sich vom Bahnhof zur Erstaufnahmestation durchschlagen. Ein Deutscher, den er auf Englisch ansprach, hatte ein Smartphone und begleitete ihn dorthin. Eine Woche danach erhielt er dort die Bahnfahrkarte nach Elmshorn, wo er sich in der Kreisverwaltung melden musste. Da gab es keinen Dolmetscher. Erst seit diesem Jahr kommt der Migrationsverein dem Amt mit fünf Sprachkundigen zu Hilfe, so Ludger Fischer. Vorher war dafür kein Geld da.
Als Shukri in Pinneberg ankam, war das Rathaus zu. Zum Glück war es nachmittags auf und so bekam er 120 Euro für den Rest des Monats. Ein Kurde, der hier seit 17 Jahren lebt, brachte ihn dann nach Halstenbek, von wo ihn eine Sozialarbeiterin in die Unterkunft fuhr, sein neues Zuhause. Auch als anerkannter Asylant findet er keine Wohnung und keinen Job, obwohl er fünf Jahre lang als Grafikdesigner in Syrien gearbeitet hat. Shukri lebt wie die meisten Flüchtlinge vom Hartz-IV-Satz mit 399 Euro im Monat und lernt im 900-Stunden-Integrationskurs Deutsch. Danach will er noch den Kurs Deutsch am Arbeitsplatz bei der VHS Halstenbek belegen, um endlich einen Job zu finden.
Solange jemand im Asylverfahren ist, dürfe er keinen Deutschkurs belegen. Arbeiten ist erst nach drei Monaten möglich. 2013 kümmerten sich Fischers Leute um etwa 450 Flüchtlinge im Kreis Pinneberg pro Quartal. Aktuell leben 955 Asylbewerber im Kreis Pinneberg. Hinzu kommen 477 Personen, die kein Aufenthaltsrecht genießen, aber aus gesundheitlichen, humanitären oder anderen Gründen nicht abgeschoben werden. Diese Woche erst hat die Landesregierung erneut einen Winter-Abschiebestopp für landesweit 2250 Flüchtlinge bis Ende März erlassen, der für 15 Länder gilt.
Jetzt hat Fischer 2,25 Stellen zur Verfügung. 63,91 Euro bekommt er für jeden Flüchtling im Kreis pro Vierteljahr. 91.000 Euro kamen so voriges Jahr zusammen. Geld, das das Land dem Kreis zur Verfügung stellt, der es dem Migrationsverein weiterreicht. Drei Sozialpädagogen, ein Erzieher, ein Fahrer und fünf Dolmetscher müssen sich das Geld in Teilzeit und auf Honorarbasis teilen. Immerhin könne er nun zweimal in der Woche zur Ausländerbehörde fahren, um dort die 30 Menschen, die jetzt pro Woche aus Neumünster nach Elmshorn kommen, in Empfang zu nehmen, sagt Fischer. Der Verein unterhält fünf Anlaufstellen und hat dienstags von 9 bis 11 Uhr in Pinneberg (Bahnhofstraße 2c) und donnerstags von 15 bis 17 Uhr in Elmshorn (Hainholzer Damm 11) feste Sprechzeiten. In der Arche in Elmshorn und im Café Pino in Pinneberg werden bald zweimal die Woche offene Treffs für Flüchtlinge sein.
Die Flüchtlinge werden über das Asylverfahren aufgeklärt und beraten. Sie erhalten Hilfe bei Behördengängen, bei der Suche nach Arbeit und Wohnungen sowie persönlichen und sprachlichen Problemen. Am schlimmsten dran seien die vom Kriegsleid traumatisierten Menschen, sagt Fischer. Die Betreuung dieser oft psychisch angeschlagenen Menschen sei äußerst zeitaufwendig. „Wir beraten alle, aber können nicht überall sein“, sagt Fischer. Kein Verständnis hat er dafür, wenn aus Barmstedt und Schenefeld Kritik laut wird, die Hilfe des Migrationsvereins käme dort nicht an. „Wenn ich nicht sechsmal im Jahr in die Unterkunft nach Langeln fahren müsste, könnte ich auch ins Rathaus nach Barmstedt kommen.“ In Schenefeld würden zurzeit 15 Flüchtlinge sehr umfassend betreut.
Da freut sich Fischer, dass andere Kommunen inzwischen begriffen hätten, dass sie die Arbeit mit eigenem Geld und Personal unterstützen müssen. So gibt es jetzt zusätzliche Betreuungsstellen in Elmshorn, Quickborn, Halstenbek und Wedel. „Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist heute deutlich größer als noch vor 20 Jahren.“