Schüler aus der russischen Stadt Selenogradsk bringen Höhepunkte ihres Besuches im Kreis Pinneberg zu Papier. Die Werke werden 2015 anlässlich des 20-jährigen Bestehens des deutsch-russischen Vereins gezeigt.

Barmstedt. Sie hatten 18 Stunden Busfahrt auf sich genommen, aber müde waren sie nicht. Zu aufregend war das, was auf die 23 Schüler aus der russischen Stadt Selenogradsk wartete, als sie an ihrem Ziel ankamen: der Jugendbildungsstätte in Barmstedt. Es ist dem Verein Selenogradsk zu verdanken, dass jedes Jahr aufs Neue Kinder aus dem russischen Bezirk die Möglichkeit erhalten, in der Adventszeit zu einem einwöchigen Besuch in den Kreis Pinneberg zu kommen. Der Verein organisiert auch das Programm für die Gruppe. Auf dem Plan: Schwimmbadbesuche, Weihnachtsmärkte, zwei Besuche bei der Jugendfeuerwehr, ein Ausflug nach Lüneburg ins Salzmuseum und Toben auf einem Indoorspielplatz.

Dabei sind Mädchen und Jungen im Alter von elf bis 14 Jahren, „viele gute Schüler“, sagt Irina Balaschova, 30, eine der begleitenden Betreuerinnen. Da die Fahrt nach Deutschland während der regulären Schulzeit stattfindet, ist es von Vorteil, wenn man gut im Unterricht mitkommt. Irina Balaschova kam das erste Mal mit zehn Jahren nach Deutschland als Mitglied einer Tanzgruppe. Es muss ihr gefallen haben, denn mit 16 verbrachte sie gleich ein ganzes Jahr als Austauschschülerin in der Familie von Gerhard Kascha, dem Ersten Vorsitzenden des Vereins.

Nun unterstützt sie die Arbeit ihrer ehemaligen Gasteltern ehrenamtlich, hat extra Urlaub dafür genommen. „Als Irina bei uns ankam, war unser Sohn in ihrem Alter“, erzählt Gerhard Kascha. Seitdem hat die Familie immer wieder Gastschülerinnen und -schüler aufgenommen, von 1997 bis jetzt insgesamt 33 an der Zahl. Der Austausch ist Gerhard Kascha ein Herzensanliegen. Ohne die Vereine, die russische Entsprechung zum deutschen Pendant hat mehr als 200 Mitglieder, „würde die Städtepartnerschaft nicht funktionieren“, sagt er. „Wir gestalten in Deutschland eine der gelebtesten Partnerschaften zwischen Russen und Deutschen.“

An diesem Morgen, zwei Tage vor der Abreise, herrscht ausnahmsweise mal keine Aufbruchstimmung in der Jugendbildungsstätte Barmstedt. Der Ausflug zum Weihnachtsmarkt in Stade ist erst für mittags geplant. Im Obergeschoss werkeln die Betreuer in der Küche, denn die Gruppen, die hier untergebracht sind, müssen sich schon selbst versorgen. „Gestern gab es eine russische Suppe“, sagt Irina Balaschova. „Wir kochen international. Spaghetti Bolognese gab es auch schon“, lacht sie.

Ansonsten ist es ungewöhnlich still auf der Etage, denn die Kinder sitzen in einem Gruppenraum an langen Tischen und malen. Sie bringen das zu Papier, was sie bisher auf ihrem Besuch gesehen haben. Die Bilder sind für eine Ausstellung bestimmt, die im Rahmen einer großen Feier zum 20-jährigen Bestehen im kommenden Jahr gezeigt wird.

Vlada, ein zartes Mädchen von zwölf Jahren, hat den fliegenden Weihnachtsmann gemalt, wie er über die Buden des historischen Weihnachtsmarktes in Hamburg schwebt. Ihr haben die Weihnachtsmärkte sehr gefallen, sagt sie, „aber auch das Salzmuseum in Lüneburg“. Dort gab es eine Führung in russischer Sprache, die Kinder hörten gespannt eineinhalb Stunden zu. Mit genauso viel Freude sind sie jetzt auch beim Kunstprojekt dabei.

Der blonde Vladas, 11, einer der Kleinsten, gibt eine eher ungewöhnliche Antwort auf die Frage, was ihm denn am besten während seines Aufenthalts gefallen habe: „Die Architektur!“ Vielleicht ziert deswegen das Hamburger Rathaus sein Blatt, zusammen mit dem Weihnachtsmarkt. Alexandra, 12, würde gerne wieder nach Deutschland kommen, „als Austauschschülerin für ein Jahr“. Trotzdem kämpft sie ein bisschen mit Heimweh und freut sich „auf alles zu Hause“. Sie hat einen Weihnachtsbaum gezeichnet. Das Weihnachtsfest findet für orthodoxe Christen allerdings erst am 7. Januar statt. Während bei uns im Advent alles schon ganz weihnachtlich aussieht, begehen sie diese Zeit mit Fasten und innerer Einkehr. Geschenke erhalten sie übrigens zu Hause auch, allerdings traditionell zu Silvester.

Zum Weihnachtsmarkt nach Hamburg sind sie mit ihren Betreuern mit dem Zug gefahren. „Das hat sie besonders beeindruckt wegen der Doppeldecker“, sagt Irina Balaschova. Ist so eine Reise für die Begleiter nicht sehr anstrengend? „Es ist eine sehr schöne Abwechslung! Zeit auszuruhen habe ich immer noch, wenn ich wieder nach Hause komme.“