Momentan bekommen 40 junge Flüchtlinge Sprachunterricht, die Zahl steigt fast wöchentlich. Sie wollen eine Ausbildung zum Maurer oder zur Friseurin machen – und irgendwann in ihre Heimat zurückkehren.
Pinneberg. Ein Vormittag in der Kreisberufsschule in Pinneberg. Es ist 11 Uhr, Katrin Ilonka Siebel steht im Klassenzimmer, Schüler sitzen vor ihr und hören sich aufmerksam ihre Fragen an. Sie scheinen einfach zu sein für Berufsschüler: „Wie alt bist du?“ oder „Woher kommst du?“, fragt Siebel zum Beispiel. Sie spricht langsam und deutlich. Doch die Schüler kostet es sichtlich Mühe, alles zu beantworten. Und das ist kein Wunder, denn sie lernen erst seit kurzer Zeit Deutsch. Auf die Frage „Warum bist du nach Deutschland gekommen?“ geben alle die gleiche Antwort: „Ich hatte Probleme zu Hause.“
Es sind Flüchtlinge, die zum Beispiel aus Afghanistan und Syrien nach Deutschland gekommen sind. Sie wohnen im Kreis Pinneberg und werden an der Berufsschule unterrichtet, denn sie sind zwischen 16 und 18 Jahre alt und damit alle noch berufsschulpflichtig. „Derzeit besuchen 40 junge Flüchtlinge unsere Schule“, sagt Berufsschulleiter Ulrich Krause. Und es werden immer mehr, vor allem seit diesem Sommer steigt die Zahl laut Krause fast wöchentlich. Einige wenige, die schon länger in Deutschland sind, besuchen bereits zusammen mit deutschen Schülern eine reguläre Klasse.
Dazu gehören die jungen Männer Sardar und Seyed. Seyed ist vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen, Sardar ist schon seit 2011 hier. Am Anfang sei es schwierig gewesen, ohne Sprache, sagt er. „Die Lehrer haben mir viel geholfen, nicht nur im Unterricht.“ In der Schule habe er viele Freunde gefunden, ergänzt Seyed. Beide wollen in diesem Schuljahr ihren Hauptschulabschluss machen. Sardar möchte später Maurer, Seyed Fliesenleger werden.
Auch Arezo hat feste Pläne für die Zukunft. Die 17-Jährige ist mit ihrer Familie aus Afghanistan geflüchtet und lernt zurzeit Deutsch. Sobald sie die Sprache gut genug beherrscht, möchte sie eine Ausbildung zur Friseurin beginnen. Ulrich Krause hat eine Idee: „An der Berufsschule in Elmshorn gibt es ein Berufsgrundbildungsjahr für Friseure. Das könnte etwas für Arezo sein.“
Möchte Arezo irgendwann in ihre Heimat zurückkehren? „Natürlich“, sagt sie. „Das ist mein Land.“ Diese Einstellung hätten alle jungen Flüchtlinge, erzählt Berufsschullehrerin Katrin Ilonka Siebel. „In Momenten der Hoffnungslosigkeit stelle ich ihnen immer die Frage: Warum seid ihr hier? Sie wollen alle zurückkehren und ihre Heimat wieder aufbauen. Das ist ihre größte Motivation.“
Im Klassenzimmer ist erst einmal Pause, die Schüler fangen an, sich in ihren eigenen Sprachen miteinander zu unterhalten. „Alle helfen sich hier gegenseitig“, sagt Siebel. Anders wäre der Unterricht nicht möglich, weil ständig neue Schüler dazukommen, die noch nicht so viel können wie die anderen. Siebel unterrichtet eigentlich Kunst und Theater, hat aber eine Weiterbildung für das Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) gemacht. Warum sie sich dafür entschieden hat? „Ich liebe meine Sprache“, sagt die Lehrerin. Aber vor allem interessierten sie die Jugendlichen. „Ich stelle mir vor, wie es meinen eigenen Kindern ginge, wenn sie allein in einem fremden Land wären“, sagt sie. „Ich möchte den Flüchtlingen ein Stück Zuhause geben.“
Doch das ist nicht einfach. Viele der jungen Menschen haben schlimme Reisen hinter sich, einige haben unterwegs ihre Familie verloren. Als wäre das noch nicht schwierig genug, gibt es laut Siebel ein weiteres Problem: „Auch Kinder aus Ländern, deren Kämpfer sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, müssen hier miteinander auskommen.“ Bei den meisten steht auch noch nicht fest, ob sie überhaupt in Deutschland bleiben dürfen – die Asylverfahren laufen.
Erst vor kurzem sollte ein Junge abgeschoben werden, berichtet Ulrich Krause. „Wir haben noch versucht, irgendeine Möglichkeit, zum Beispiel eine Unterbringung, für ihn zu finden. Aber er hatte zu viel Angst.“ Der Junge ist untergetaucht. Wohin, wissen Schulleiter und Lehrer nicht.
„Das Unterrichten der Flüchtlinge ist eine Herausforderung, die wir gern annehmen, aber wir stoßen auch an unsere Grenzen“, sagt Krause. Die Berufsschule könne die Probleme irgendwann nicht mehr allein lösen. „Wir brauchen konkrete Unterstützung durch die Politik – finanziell und personell.“ Im Bildungsministerium habe sich schon etwas bewegt, meint Krause. „Aber die Flüchtlingsbewegung ist schneller.“
Derzeit stehen der Berufsschule eine Schulsozialarbeiterin und zweieinhalb DaZ-Lehrstellen zur Verfügung. Viele Lehrer würden zudem freiwillig die Klasse mit den Flüchtlingen unterrichten, sagt Krause. „Aber das Kollegium ist an der Belastungsgrenze.“ Es fehle an Personal, das sich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich um die teilweise traumatisierten Schüler kümmert. So wäre eine zweite Schulsozialarbeiterin sehr hilfreich. Krause betont: „Wir wissen, wie es geht. Man muss uns nur die Möglichkeit geben.“
Ziel sei, für die Flüchtlinge ein stabiles Umfeld in der Schule aufzubauen. „Wir wollen sie so schnell wie möglich so weit bringen, dass sie eine Ausbildung beginnen können.“