Erst vor einer Woche fragte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident die Frau von Hamburgs Erstem Bürgermeister, ob sie die Nachfolge von Waltraud Wende antreten wolle. Jetzt muss sie sich mit deren Erbe auseinander setzen
Elmshorn. Schleswig-Holsteins neue Bildungsministerin Britta Ernst ist erst seit wenigen Tagen im Amt. Doch schon am Wochenende eilte sie zu ihrem ersten Termin in den Kreis Pinneberg, zum SPD-Kreisparteitag in Elmshorn. Ministerpräsident Torsten Albig hätte sie am Sonnabend zuvor gefragt, ob sie Nachfolgerin von Waltraud Wende werden wolle, erzählte sie vor der Delegiertenversammlung. Da ihr die Bildungspolitik immer sehr am Herzen lag, habe sie das Angebot sofort angenommen, sagte die Ehefrau des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Olaf Scholz.
Und das beinhaltete den Auftritt im Pinneberger Kreisverband mit seinen 1760 Genossen. „Ich habe alle Termine von Waltraud Wende übernommen“, sagte Britta Ernst dem Abendblatt, kurz bevor sie nach einer Stunde die Versammlung wieder verließ, um weiter Akten zu studieren. „Dies hier war mein erster Antrittsbesuch als Ministerin bei der SPD-Basis.“
Ursprünglich sollte Ministerin Wende den Pinneberger Genossen ihr bildungspolitisches Konzept erläutern, das die Schullandschaft in Schleswig-Holstein mit nur noch Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zu einem zweigliedrigen System umgekrempelt hat. Nun musste Britta Ernst diesen Part übernehmen, ohne bereits alle Details zu kennen. Ihr Credo sei, „die Qualität an den Schulen zu verbessern“, betonte die neue Bildungsministerin. Da sei es gut, dass die Landesregierung bereits beschlossen habe, bis 2017 weitere 728 Lehrer einzustellen, davon 228 allein in diesem Jahr. Auch wenn dies den Lehrermangel von 1500 Stellen nur zur Hälfte beseitigen werde, wie Pinnebergs Landtagsabgeordneter Kai Vogel später anmerkte. Dass das Land die 17 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit jetzt übernommen habe, weil die Förderung vom Bund ausgelaufen ist, helfe „gute Arbeit zu leisten“, ist Ministerin Ernst überzeugt.
Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit werden sein: die Integration von Behinderten in die Gesellschaft zu fördern und den deutschen Sonderweg der Sonderschulen – für sie „ein großer Skandal der Politik“ – endlich zu beenden. Unter dem Beifall der zahlreichen Zuhörer versprach Britta Ernst, dass sie sich der beruflichen Bildung verstärkt widmen werde. „Unser Ziel muss es sein, dass niemand nach der Schule verloren geht, sondern die Chance erhält, einen Beruf zu erlernen.“ Die gesellschaftliche Solidarität und der Fachkräftemangel verlangten dies, so Ernst.
Die Pinneberger Genossen hatten sich auf den bildungspolitischen Dialog mit der Ministerin gut vorbereitet, auch wenn sich Name und Person kurzfristig geändert hatten. So forderte der SPD-Kreistagsabgeordnete Nicolai Overbeck, das Land müsse den Schulbaufonds wieder auflegen, „damit die Kommunen, die gute Bildung anbieten möchten, dies auch in angemessenen Räumlichkeiten tun könnten“. Vor allem in Elmshorn, Quickborn, Uetersen und Halstenbek gebe es einen enormen Sanierungsstau.
Elmshorns SPD-Vizefraktionschefin Dörte Köhne-Seiffert kritisierte die neue Regelung der Finanzierung der Förderzentren über Schulkostenbeiträge, die die Standortkommunen Appen und Elmshorn benachteilige. Allein Elmshorn müsse für seine Raboisenschule jetzt 450.000 Euro zusätzlich bezahlen. Zudem müssten die Förderzentren zu gebundenen Ganztagsschulen werden, um die Eltern behinderter Kinder zu entlasten, forderte SPD-Kreisfraktionschef Hannes Birke.
Ministerin Ernst hörte sich den Wunschkatalog der Kreis Pinneberger Genossen ruhig und gelassen an, ohne sich aber dazu zu äußern. Dann überreichte ihr Kreisvorsitzender Thomas Hölck noch eine Schultüte und sie düste wieder ab nach Kiel.
So verpasste sie den Auftritt ihres Ministerkollegen Reinhard Meyer am Nachmittag und die erste Wiederwahl Hölcks als SPD-Kreisvorsitzender. Er wurde mit 96,8 Prozent Zustimmung für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Ebenfalls wiedergewählt wurden die stellvertretende Kreisvorsitzende Elke Schreiber (93,2%).