Elternvertreter: Viele wollen Noten in den Klassen 3 und 4 behalten. Schulkonferenzen können nach den Ferien entscheiden. In Schleswig-Holstein sollen Noten in Grundschulen nicht mehr verbindlich sein.

Kreis Pinneberg/Kiel. Den Grundschulen im Kreis Pinneberg stehen hitzige Debatten bevor. Denn die Entscheidung des Bildungsministeriums, die Zensuren in Zeugnissen abzuschaffen, stößt auf Widerstand. „Die Mehrheit der Eltern möchte gerne Noten in den Klassen drei und vier haben“, sagt Katrin Engeln, Vorsitzende des Landeselternbeirates. Von „starken Widerständen“ spricht auch Wibke Huber-Saffer, Vorsitzende des Elternbeirats im Kreis Pinneberg. Nach den Sommerferien werden Eltern an den Schulen mitentscheiden können, ob die Regelung tatsächlich umgesetzt wird. Doch über das Verfahren gibt es ebenfalls Streit.

Stein des Anstoßes ist ein Beschluss, den die Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW Anfang dieses Jahres gefasst hat. Demnach soll es vom kommenden Schuljahr an in Grundschulen nur noch Berichtszeugnisse geben. „Ziffernnoten sind weder objektiv und verlässlich noch differenziert und leistungsmotivierend“, sagte Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos). Bisher waren Schulnoten in der vierten Klasse verbindlich, für die dritte konnten die Schulkonferenzen entscheiden. An die Stelle der Noten soll nun ein sogenanntes Kompetenzraster treten. Demnach erhält ein Schüler etwa im Fach Deutsch keine Note, sondern die Beurteilung „sicher“ im Bereich Lesen oder „annähernd sicher“ im Bereich Schreiben. Ein genormtes Raster gibt es aber nicht, die konkrete Ausgestaltung liegt bei den Schulen.

Katrin Engeln kann diesem Raster nur wenig abgewinnen. „Bei Berichten hat man weniger konkrete Vorstellungen davon, was sie eigentlich bedeuten.“ Noten hingegen seien „gesellschaftlich verankert“. Sie seien besser dazu geeignet, dass Kinder „lernen, sich realistisch einzuschätzen und auch mit negativen Rückmeldungen umzugehen“. Wie sie sagt, sieht das auch eine große Zahl von Eltern so. „Ich bekomme viele Rückmeldungen, so viele wie selten.“

Auch Wibke Huber-Saffer sagt, dass viele Eltern die Neuerung kritisch sehen. Sie spricht allerdings von einem „gespaltenen Meinungsbild.“ Saffer: „Die Eltern, die Anhänger von Gemeinschaftsschulen sind, sehen die Änderung oft positiv. Eltern, deren Kinder vermutlich auf ein Gymnasium gehen werden, sind eher für Noten. Denn sie befürchten, dass es ein regelrechter Schock für ihre Kinder wird, wenn sie in der fünften Klasse auf einmal Zensuren erhalten.“

Michael Doppke, Schulrat des Kreises Pinneberg, hält dem entgegen: „Es ist eben die Frage, wer sich anpassen muss. Es müsste ja auch möglich sein, an Gymnasien Lernfortschritte anders als durch Noten zu dokumentieren.“ Für Kinder, die auf Gemeinschaftsschulen Berichtszeugnisse erhalten, ergebe es jedenfalls nicht viel Sinn, in Klasse drei und vier „Noten dazwischenzuschieben“. Doppke ergänzt: „Ich kann auf Noten verzichten. Kinder können sich auch ohne sie einschätzen.“

Letzten Endes werden die Grundschulen selbst entscheiden, ob sie die Neuerung umsetzen oder weiterhin Noten verteilen – so sieht es der Beschluss aus Kiel vor. Die Schulkonferenzen, die sich je zur Hälfte aus Lehrern und Elternvertretern zusammensetzen, haben das Entscheidungsrecht. Für großen Unmut sorgt nun aber ein Detail in der neuen Grundschulverordnung.

Demnach kommt ein Beschluss nur dann zustande, wenn nicht nur eine Mehrheit in der Konferenz, sondern auch eine Mehrheit der Lehrer dem zustimmt. Faktisch bekommen die Pädagogen eine stärkeres Stimmrecht eingeräumt. Katrin Engeln und Wibke Huber-Saffer sprechen von einer „Aushöhlung des Elternrechts“.

Thomas Schunck, Sprecher des Bildungsministeriums, verteidigt den neuen Passus. Dieser sei das Ergebnis mehrerer Anhörungen und eine „Kompromisslinie zwischen den Extremforderungen“. Denn es habe auch den Wunsch gegeben, auf ein Mitbestimmungsrecht der Schulkonferenzen ganz zu verzichten. Dass die Lehrer nun eine höhere Entscheidungskompetenz haben, sei gewollt: „Lehrkräfte sind bei dieser höchst pädagogischen Frage die Fachleute.“ Schunck ergänzt: „Es gibt die Möglichkeit, dass Schulkonferenzen sehr unter den Druck von Eltern kommen. Aber das, was Elterndruck bedeutet, ist nicht immer das pädagogisch Vernünftige.“

Gesprächsbedarf dürfte es nach den Ferien in jedem Fall geben. Dazu Wibke Huber-Saffer: „Ich rechne damit, dass es lebhafte Diskussionen zwischen den Eltern und in den Schulkonferenzen geben wird.“