Mithilfe der App Entdeckerrouten können Wanderer und Radfahrer im Regionalpark Wedeler Au die Landschaftsgeschichte sowie die Tier- und Pflanzenwelt erkunden. Ein Selbsttest in den Holmer Sandbergen.
Wedel/Holm. Blühende Seerosen schwimmen auf dem Wasser, Libellen rauschen an einem vorbei, kleine verschlungene Pfade führen um den Teich. Es ist ein Idyll mitten in den Holmer Sandbergen. Viele Wanderer und Radfahrer verleitet der See zum Anhalten und Ausruhen. Dabei ist dieses Idyll kein natürlicher Teich sondern ein schönes Zufallsprodukt, entstanden durch den Sandabbau für Spurbahnen – was dem Vorgänger von Holms Bürgermeister Walter Rißler auch Ärger einbrachte, weil er sich zuvor keine Genehmigung für diesen günstigen Abbau geholt hatte. Die Entstehungsgeschichte und die heutige Nutzung des Sees als Löschteich kennen nur sehr wenige der Besucher, vor allem wenn sie von auswärts kommen. Aber genau das könnte sich jetzt ändern.
Eine neue Handyanwendung macht’s möglich. Entdeckerrouten heißt die kostenlose App, die es bereits seit 2013 in Hamburg gibt und in die jetzt erstmals auch zwei Routen aus dem Kreis Pinneberg aufgenommen wurden. Die eine schlängelt sich 6,7 Kilometer von der Hamburger Stadtgrenze an der Wedeler Au entlang bis an die Elbe in der Rolandstadt. An zwölf Informationspunkten dieser Bildungstour erfährt der App-Nutzer mehr über Pflanzen, Tiere und das Gebiet.
Die zweite freigeschaltete Entdeckungsreise führt über einen 4,3 Kilometer langen Rundweg durch die Holmer Sandberge. Welche Gräser gibt es in den Dünen? Woher stammt der Sand und warum ist es so schwer, die Dünenlandschaft zu erhalten? Auf all diese Fragen gibt’s Antworten aus dem Handy oder wahlweise vom Tablet. Vorgetragen werden sie von Experten aus dem Kreis Pinneberg. So borgten sich die Entwickler unter anderem die Stimme von Ranger Malte Göpel vom Elbmarschenhaus. Start der Tour durch die Holmer Sandberge ist der Parkplatz am Ende der Straße In der Heide.
Wer die Anwendung für Smartphones und Tablets nicht besitzt, kann sie sogar noch vor Ort mittels Internetverbindung schnell herunterladen. Beim Test am offiziellen Vorstellungstag am Donnerstag dauerte es nur einige Minuten, bis die App auf dem Handy und die dazugehörigen Routeninformationen heruntergeladen waren. Je nach Netzanbieter kann das aber auch mal länger dauern. Eine entspannte Vorbereitung der Tour vom heimischen Sofa aus empfielt sich.
Nach einer kurzen Einführung kann es losgehen. Tipp: Wer anderen Sparziergängern ihren Waldfrieden gönnt, schließt Kopfhörer ans Handy an. Während die Stimme im Ohr einem erklärt, wie die Dünenlandschaft entstand und wie sie heute gepflegt wird, erscheinen dank der multimedialen Welt auch gleich anschauliche Bilder auf dem Display des Smartphones. Mit der modernen tragbaren Infotafel in der Tasche kann der Entdecker auf Reisen gehen und bekommt einen neuen Blickwinkel auf das Naturschutzgebiet. „Wir kommen an der digitalen Welt nicht vorbei. Wir sehen darin eine Chance, Natur erlebbar zu machen“, erklärt Holms Bürgermeister Rißler. Die Gemeinde hat einen Teil der Kosten mitgetragen. Auch Wedel hat einen Zuschuss gegeben. 18.000 Euro hat die Erstellung und Einpflege der beiden neuen Routen unter der Federführung des Vereins Regionalpark Wedeler Au in dem Portal gekostet. Die Hälfte wurde durch Fördermittel der EU gestemmt. „Wir hoffen, dass die Entdeckerrouten gut angenommen werden und auch weitere im Kreis Pinneberg hinzukommen“, sagt Barbara Engelschall für den Regionalpark Wedeler Au, einem Zusammenschluss von fünf Kommunen aus der Region Pinneberg sowie dem Hamburger Bezirk Altona.
Bislang finden sich in dem Portal vier Routen durch den Norden der Hansestadt. Weitere sollen jetzt auch beispielsweise durch den Regionalpark Rosengarten folgen. Angedacht seien auch Entdeckerrouten durch den Sachsenwald bei Bergedorf. „Bislang bewerben die Regionen ihre Touren jeder für sich selbst. Das ist für die Nutzer schwer zu durchschauen. Entdeckerrouten bietet ein Portal, das alle Routen sammelt“, erklärt Susan Müller-Wusterwitz von Digitale Medien&Kultur das Projekt. 75.000 Euro hat die App gekostet, die Müller-Wusterwitz als hochwertige und durchdachte Anwendung bewirbt.
Tatsächlich ist die App sehr übersichtlich und leicht verständlich gestaltet. Wenn Fragen auftauchen, können Nutzer über einen Informationsbutton verschiedene Anleitungen abrufen. Eine Karte zeigt bei eingeschaltetem GPS den aktuellen Standort. Der Holmer Rundweg ist gut erkennbar und die Infostationen sind eingezeichnet. Keine Angst: Naturfreunde brauchen nicht die ganze Tour über aufs Handy zu starren. Die App beziehungsweise das Handy macht durch Töne oder Vibration auf sich aufmerksam, damit der Entdecker die Infopunkte nicht verpasst. In den Holmer Sandbergen gibt es zehn davon. Geschmackssache sind aber die Dialoge, die die Wissensvermittlung auflockern sollen. In einer Art Frage-Antwort-Spiel nähern sich dabei die Beteiligten dem Thema. Beispiel: „Wonach riecht es denn hier?“, fragt eine Frauenstimme. „Kiefern“, antwortet ein Mann. Dazu gibt’s ein Schaubild. Nun ja, zumindest haben beide eine angenehme Stimme.
„Wir freuen uns über Rückmeldungen und können die Routen auch sehr einfach ergänzen oder aktualisieren“, sagt Engelschall. Wer mit der Idee trotzdem nicht warm werden kann, für den gibt es zwei gute Alternativen. Zum einen gibt es beide Routen auch als gute alte Wanderkarte im Papierformat. Zudem können Interessierte alle Informationen als PDF oder digitale Infokarte auf www.entdeckerrouten.org abrufen.