Handwerkskammer und IHK haben 20.800 ältere Unternehmer befragt, wie sie die Zukunft abgesichert haben. Ergebnis: Viele Seniorchefs haben sich über eine mögliche Betriebsübernahme keine Gedanken gemacht.
Kreis Pinneberg/Lübeck. Diese Firmenübergabe ist gelungen, weil sie von langer Hand geplant war. Schon vor zehn Jahren bei der Einweihung des neuen Betriebsgebäudes im Ellerbeker Gewerbegebiet Waldhof hat Inhaberin Monika Schimanowski-Brunkow, heute 64, mit Handwerksmeister Michael Horns darüber gesprochen, ob er den von ihrem Vater Karl-Heinz Brunkow 1960 gegründeten Heizungs- und Sanitärbetrieb, den sie 1990 übernahm, irgendwann weiterführen wolle. „Ich wollte das machen, bevor man umfällt“, erklärt die Diplomingenieurin für Verfahrenstechnik ihre vorausschauende Strategie. „Es ist besser, wenn man das rechtzeitig macht, als mit 70 krampfhaft einen Nachfolger zu suchen.“ 2009 begannen die ersten Gespräche mit der Handwerkskammer über die Unternehmensnachfolge. Zum 1. Januar 2013 wurde es ernst: Horns, 50, übernahm den 40-Mann-Betrieb. Übergeberin Schimanowski-Brunkow steht ihm als Beraterin weiter zur Seite.
In vielen Unternehmen läuft die Firmenübergabe nicht so reibungslos ab. So haben die beiden Handwerkskammern und die drei Industrie- und Handelskammern wieder 20.800 Betriebschefs in Schleswig-Holstein angeschrieben, die 55 Jahre und älter sind. Die 1700 eingegangenen Fragebögen würden zwar noch ausgewertet, sagt Stefan Seestädt, Abteilungsleiter für Betriebsberatung bei der Handwerkskammer Lübeck.
Aber das Ergebnis dürfte sich nicht sehr von der der Umfrage 2008 unterscheiden, der dritten Befragung zum Thema Firmenübergabe seit 1998: „Die Mehrheit der betroffenen Unternehmer hat sich noch keine Gedanken über die Nachfolgeregelung gemacht“, sagt Seestädt. „In deutlich zu wenigen Betrieben ist die Übergabe bereits geglückt.“ Immerhin seien davon rund 80.000 Mitarbeiter betroffen. 2008 hatten lediglich 43,5 Prozent der befragten Seniorchefs erklärt, eine Firmenübergabe bereits zu planen.
Dass immer mehr Unternehmer in Schleswig-Holstein in das Alter kommen, in dem ihr persönlicher Ruhestand nicht mehr weit ist, belegt diese Entwicklung: 1998 waren landesweit 6985 Unternehmer älter als 55 Jahre, 2003 waren es 7540 und 2008 8045. Nun hat sich die Anzahl der in Frage kommenden Unternehmer mehr als verdoppelt. Dabei ist das Erreichen des Rentenalters nur in einem von fünf Fällen der Hauptgrund für die Übergabe.
Die beiden häufigsten Gründe für eine Betriebsaufgabe sind demnach Krankheit (55,7 Prozent) und schlechte Auftragslage (36,9 Prozent). Die Bedeutung der Familien hat seit 1998 kontinuierlich abgenommen. So übernahm vor 15 Jahren noch jeden zweiten Betrieb ein Nachfahr des Firmenschefs. 2008 war dies nur noch bei 40 Prozent der Betriebe der Fall.
Hubertus Hatlapa, der den Uetersener Schiffszulieferbetrieb Ende der 1980er Jahre in dritter Generation übernahm, hat darüber seine Dissertation verfasst. Jedes Jahr würden in Deutschland 70.000 Familienunternehmen mit fast einer Million Beschäftigten weitergegeben, schreibt er darin. Nur noch jeder fünfte Betrieb bleibe in dritter Generation in Familienhand und nur noch jeder 25. in vierter Generation. „Die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe von Unternehmen außerhalb der Familie wird immer größer“, schlussfolgerte Hatlapa, der das von seinem Großvater Max 1919 gegründete Unternehmen 2013 an einen finnischen Mitbewerber verkaufte. Sein Rat in der Doktorschrift: Eine Firmenübergabe sei umso erfolgreicher, je mehr die betroffenen Eigentümer diesen Schritt nicht als letzten Ausweg, sondern als wichtigen Teil der Unternehmensentwicklung begreifen.
Die regionale Wirtschaft habe ein großes Interesse daran, dass die Betriebe nicht wegen ungelöster Nachfolgeregelung schließen müssten, betont Harald G. Schroers von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEP. „Jeder Betrieb, der dichtgemacht werden muss, weil ein Nachfolger fehlt, ist ein Schaden für die Region.“ Darum stehe die WEP Übergebern und Übernehmern mit Rat und Tat zur Seite und vermittle ihnen Kredite.
IHK und Handwerkskammer beraten jedes Jahr jeweils rund 30 Unternehmen im Kreis Pinneberg, die einen Nachfolger suchen. „Die Nachfolgeplanung ist ein komplexes Thema, das eine Vielzahl menschlicher, rechtlicher, steuerlicher und wirtschaftlicher Aspekte umfasst“, sagt Elmshorns IHK-Chef Paul Raab. „Ein gut vorbereiteter Übergang hilft, Kosten zusparen.“ Je eher sich ein Betroffener damit beschäftige, desto besser sei es für die Zukunft des Unternehmens. Eine Übernahme sei keine „Existenzgründung light“, warnt Raab. „Bei einer Unternehmensnachfolge müssen Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten eingebunden werden. Dafür muss der Nachfolger über besondere Führungsqualitäten und Fingerspitzengefühl verfügen.“
Lars Lüthje, der für die Handwerkskammer die 3000 Handwerksbetriebe im Kreis Pinneberg betreut, betont die wichtige Rolle des Firmenchefs in einem Handwerksbetrieb. „Häufig stellt er das Gesicht des Betriebes dar.“ Ein Nachfolger sollte daher, sofern er nicht vorher im Betrieb tätig war, eine Zeitlang mit dem ausscheidenden Inhaber „mitlaufen, um einen möglichst reibungslosen Betriebsübergang sicherzustellen.“ Auch sei es sinnvoll wie im Handwerksbetrieb Brunkow in Ellerbek, dass der Übergeber noch eine gewisse Zeit nach der Betriebsübernahme beratend tätig ist. Daneben sollte auch das Personal berücksichtigt werden, das bei einer Übernahme oft einen deutlich jüngeren Chef bekommt.
Firmenübernehmer Horns fühlte sich von der Handwerkskammer bestens beraten. „Das war eine sehr gute Vorbereitung.“ Die Vor- und Nachteile wurden aufgezeigt, der Wert der Firma ermittelt, der Kontakt zu den Banken hergestellt. „Die Kammer hat sich wirklich toll darum gekümmert.“ Er würde diesen Schritt wiedermachen und hat selbst bereits vorgesorgt. Zwei Neffen, die das Handwerk im dualen Studium erlernen, stünden in den Startlöchern.
Offenbar wollen sich im Handwerk wie Horns 2013 immer mehr abhängig beschäftigte Meister selbstständig machen. So hat sich die Zahl der Meisterprüfungen im Kammerbezirk Lübeck seit 2008 auf jetzt 270 im Jahr verdoppelt. Die Zahl der Lehrlinge - 1569 in Handwerksbetrieben im Kreis Pinneberg - sei dagegen leicht rückläufig. „Wir sind gerade dabei, eine Kampagne zu starten, um die jungen Leute für das Handwerk zu begeistern“, sagt Seestädt. „Im Handwerk haben sie exzellente Karriereaussichten.“ Schroers betont: „Ein Betrieb, der gut läuft, findet auch einen Nachfolger.“