In Uetersen gibt es politischen Streit um die Reduzierung des Personals. Experten sagen: Wie gut die Firmenansiedlung klappt, hängt nicht von der Zahl der Mitarbeiter, sondern von ihrem Einsatz ab.

Kreis Pinneberg. In der Metropolregion Hamburg wird um Firmen und Investoren gebuhlt. Der Kreis Pinneberg versucht, mit gezielter Wirtschaftsförderung Firmen in die Region zu locken. Die knapp 13.500 Einwohner zählende Gemeinde Rellingen schafft daher, wenn auch befristet, eine Vollzeitstelle in der Wirtschaftsförderung.

In Tornesch (13.000 Einwohner) wird das Wirtschaftswachstum seit Jahren vorangetrieben. Bürgermeister Roland Krügel wird dabei von zwei Mitarbeitern in der Wirtschaftsförderung unterstützt, die mit insgesamt 0,5 Stellen zuarbeiten. In Halstenbek (16.000 Einwohner) und Wedel (32.200 Einwohner) ist ebenfalls je eine volle Stelle vorhanden, in Barmstedt (9500 Einwohner) gibt es eine halbe Stelle, um Impulse zu setzen. Außerdem ist die WEP-Wirtschaftsförderung kreisweit tätig. Sie entwickelt erfolgreich überregionale Gewerbeparks in Zusammenarbeit mit Kommunen wie etwa den Tornescher Business-Park an der A 23.

In Uetersen, das knapp 18.000 Einwohner hat, sorgt die Wirtschaftsförderung dagegen seit Monaten für einen Dissens zwischen CDU, FDP und BfB auf der einen Seite und SPD, Grünen und Stadtverwaltung auf der anderen Seite. Vorwürfe werden in beide Richtungen erhoben, auch weil das Thema für den Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl im Herbst genutzt wird. So kritisiert Uetersens SPD-Fraktionschef Ingo Struve die jüngsten Äußerungen der CDU-Politiker Andreas Stief und Andreas Faust. Diese hatten den Wegzug des Mittelständlers Cornils als Ergebnis einer falschen Wirtschaftsförderung der vergangenen Jahre bezeichnet.

SPD und Grüne sprechen von einer Aufgabe der Wirtschaftsförderung von Seiten der Konservativen, seit die Wirtschaftsförderung auf eine halbe Stelle im Jahr 2012 reduziert und darüber hinaus im Dezember 2013 ein Großteil der verbliebenen Aufgaben an die Bürgermeisterin per Ratsbeschluss zwangsdelegiert wurde. „Was die CDU in Uetersen momentan macht, ist Anti-Wirtschaftsförderung“, urteilt Struve. Die SPD fürchtet, dass Uetersen wirtschaftlich künftig schlechter dastehen könnte, wenn tatsächlich nur noch eine Viertelstelle zur Verfügung stünde. Das entspricht einem Mini-Job-Verhältnis. Die CDU sieht das genau gegenteilig, spricht von einer sinnvollen Umstrukturierung der Aufgaben, weil sich das bisherige Prinzip nicht bewährt habe.

Laut Thomas Robbers, Vorsitzender des Deutschen Verbands der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaften, lässt sich nicht von vornherein eindeutig sagen, welche der beiden Marschrichtungen die richtige sei. Sicherlich müsse es Menschen geben, die sinnvoll in der Wirtschaftsförderung arbeiten können und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen erhielten. Die Zahl der Stellen, die eine Stadt für die Wirtschaftsförderung bereitstelle, sage aber grundsätzlich erst einmal nichts über die Qualität der Arbeit aus. „Wichtig ist, was die machen“, sagt der Verbandsvorsitzende. Daher gebe es auch von Seiten des Verbandes keine klaren Empfehlungen an Städte und Gemeinden, wie stark eine Wirtschaftsförderung personell ausgestattet sein sollte.

Helge Conrad vom Dortmunder Wirtschafts-Beratungsunternehmen Experconsult bestätigt, dass es keinen Richtwert zur Personalstärke einer städtischen Wirtschaftsförderung für Städte bis 20.000 Einwohner gebe. Auch die Frage, ob Wirtschaftsförderung mit einer halben Stelle oder noch weniger überhaupt noch möglich sei, lasse sich nicht pauschal beantworten. „Vielmehr hängt dies von der Struktur und Organisationsform der Wirtschaftsförderung ab“, sagt Conrad.

Es gibt laut Conrad und Robbers beispielsweise Kommunen mit weniger Stellen, die produktiver seien als jene, die mehr Stellen haben. Impulse liefernde Ideen, Kontakte zu Unternehmen, lokale Rahmenbedingungen und die Kombination von Wirtschaftsförderung mit Stadtmarketing sowie weitere Aspekte hätten Auswirkungen darauf, wie gut oder schlecht eine Wirtschaftsförderung funktioniere. „Es ist extrem schwer, hier klare Aussagen zu treffen. Man könnte schnell Äpfel mit Birnen vergleichen“, sagt Robbers.

Die Erfahrung zeige aber, so Robbers, dass Städte zwischen 15.000 bis 20.000 Einwohnern üblicherweise eine ganze Wirtschaftsfördererstelle vorhalten. Laut einer Experconsult-Umfrage aus dem Jahr 2012 haben Städte mit bis zu 50.000 Einwohnern durchschnittlich 2,6 Mitarbeiter (Bundesdurchschnitt 8,5 Stellen), die sich dem Thema Wirtschaftsförderung widmen. „Das hängt jedoch auch deutlich von der Organisationsform ab“, sagt Conrad. So gebe es oftmals Stellen, die sowohl Wirtschaftsförderung betreiben als auch andere Aufgaben in der Stadt wahrnehmen, wie etwa das Bauamt.

Eine Stadt wie Neumünster mit 76.000 Einwohnern beschäftige, so Robbers, sechs Personen in der Wirtschaftsförderung, die knapp 300.000 Einwohner zählende Stadt Münster zählt 12,5 Stellen. Dass Uetersen die Wirtschaftsförderung auf 0,5 Stellen reduziert habe und nochmals zusätzlich Aufgaben an die Verwaltungschefin delegiert hat, ist aus Robbers Sicht im Vergleich zu anderen Städten zumindest „höchst ungewöhnlich“. Er bezweifelt, dass sich die Stadt so besser als bisher am Markt positionieren werde.

„Wenn ein Unternehmer Beratung braucht, wird es schwer, diese zu bekommen“, urteilt der Verbandsvorsitzende. Dies nicht ohne Grund. Laut der Experconsult-Umfrage seien gerade für Städte bis 50.000 Einwohner insbesonders persönliche Kontakte entscheidend für das Ansiedeln und Halten von Firmen. In 83,8 Prozent der Fälle von Unternehmensansiedlungen wurden Betriebe über persönliche Kontakte auf den jeweiligen Wirtschaftsstandort aufmerksam.

Nicht immer werden solche Leistungen aber von städtischen Angestellten erbracht. Immer mehr Wirtschaftsförderungen in Norddeutschland sind laut Experconsult privatwirtschaftlich organisiert. 2012 lag der Wert bei 41,3 Prozent. Sie verfügen mit einer Million Euro über ein deutlich höheres Durchschnittsbudget als kommunale Wirtschaftsförderungen, die im Schnitt etwa 208.000 Euro Jahresetat haben. Externe Beratungsunternehmen sind auch nicht unbedingt besser. Zwar seien diese Dienstleister gut in der Unternehmensansiedlung, bei der Innovationsförderung lägen sie aber nur im Mittelfeld. Projekte zum demografischen Wandel und zum Fachkräftemangel nähmen sie so gut wie gar nicht wahr.

Was, wenn Städte aufgrund knapper Mittel und Personalausstattung nicht ausreichend Wirtschaftsförderung vor Ort betreiben können? WEP-Geschäftsführer Harald Schroers plädiert in solchen Fällen für eine verstärkte freiwillige Zusammenarbeit mit anderen Städten. Ein mehr an Miteinander sei hier ohnehin sinnvoll, denn viele Aufgaben ließen sich sonst nur noch schwer stemmen.