In Schleswig-Holstein nimmt Schenefeld eine Vorreiterrolle ein. Denn die 18.000 Einwohner Stadt leistet sich als einzige im Kreis Pinneberg einen eigenen Schulpsychologen. Er geht in Rente und zieht Bilanz.
Schenefeld. „Ich bin ein teures und freiwilliges Vergnügen. Aber ein sehr sinnvolles“, sagt Peter Klyne über seinen Job. Klyne ist Schulpsychologe in Schenefeld. Sein Arbeitgeber, die Stadt, leistet ihn sich seit 35 Jahren zusätzlich zum Angebot des Landes. 100.000 Euro kostet die Beratungsstelle pro Jahr. Als Klyne anfing, war seine Stelle kein Ausnahmephänomen. Auch andere Städte erlaubten sich die Zusatzhilfe, um Schulen zu entlasten und den Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern, eine Anlaufstelle vor Ort zu bieten. Heute ist das anders. Es gibt keine Stadt dieser Größe weder im Kreis Pinneberg noch im übrigen Schleswig-Holstein, die sich solch eine Vollzeitstelle leisten will und kann.
Angesichts der angespannten Haushaltssituation vieler Kommunen wurden mit dem Ausscheiden des jeweiligen Kollegen die Jobs nicht neu besetzt. Und so zitterte auch Klyne vor ein paar Monate um die Weiterführung seiner Arbeit, als es um die Neubesetzung seiner Stelle ging. Denn der 65-Jährige geht am 31. Januar in Ruhestand. Umso glücklicher ist Klyne, dass er derzeit seine Nachfolgerin einarbeiten kann. Mit großer Mehrheit waren sich Schenefelds Kommunalpolitiker einig, dass sie an der stadteigenen Stelle festhalten wollen. „Das war keine Selbstverständlichkeit. Der Erfolg meiner Arbeit lässt sich nun einmal nicht in Euro messen. Aber ich bin sicher, dass ich im Laufe der Jahre zum Gelingen von Schule beitragen konnte“, so Klyne.
Während in Schenefeld aufgrund des Stabwechsels derzeit sogar zwei Schulpsychologen im Einsatz sind, steht für die restlichen Schulen im Kreis Pinneberg derzeit nur eine Aushilfskraft zur Verfügung. Denn die beiden von der Landesregierung finanzierten Schulpsychologen sind seit einigen Monaten wegen Elternzeit und krankheitsbedingt nicht im Dienst.
„Eine Kollegin aus Dithmarschen hat die Vertretung übernommen“, beruhigt Marc Trampe, Sprecher des Kreisverwaltung. Allerdings muss die Vertretung auch ihren Job in Dithmarschen machen und ist so nur alle 14 Tage vor Ort. „Die Geschäftsstelle ist besetzt und vereinbart die Termine. Wir haben bisher keine negativen Rückmeldungen erhalten“, sagt Trampe.
Eine halbe Aushilfskraft für mehr als 25.000 Schüler? Trampe räumt ein, dass das nicht die Ideallösung ist. „Wir hoffen, dass wir bald Verstärkung bekommen“, sagt er mit Blick auf die geplante landesweite Stellenaufstockung bei den Schulpsychologen, von der auch der Kreis Pinneberg profitiert. Schleswig-Holstein bildete mit Niedersachsen bislang das Schlusslicht bei der Versorgung mit Schulpsychologen in den Ländern. Das soll sich mit den Neuanstellungen ändern. Eine von diesen Zusatzstellen wird laut Trampe im Kreis Pinneberg geschaffen. Der neue Schulpsychologe wird dann möglicherweise bereits im März die Arbeit aufnehmen.
Während einige neue Kollegen kommen, zieht ein alter Hase Bilanz. Nach 35 Jahren Arbeit in Schenefeld sagt Klyne, der damals zufällig auf die freie Stelle stieß und sich bewarb: „Ich würde es noch einmal machen.“ Währeddessen sitzt er in seinem höchstens 16 Quadratmeter großen Besprechungszimmer am Holstenplatz 7. Hier hat er in den vergangenen Jahren Hunderten von Schülern ein Ohr geliehen. Manchmal ging es um Konzentrationsprobleme, manchmal um Mobbing und Gewalt. Doch um was es auch ging, es blieb in diesen vier Wänden. Verschwiegenheit war für Klyne sehr wichtig. Selten machte er sich bei den Gesprächen deshalb Notizen, denn was er im Kopf habe, könne man nicht zufällig lesen.
Wer zu ihm kam, kam freiwillig. Zwar empfiehlt die Schule manchen Eltern die neutrale Anlaufstelle, aber sie und der betroffene Schüler haben die Wahl, ob sie das Angebot annehmen. „Ich kann niemanden zwangsbeglücken“, erklärt Klyne, der auch Niederlagen in 35 Jahren verkraften musste. „An manchen Fällen habe ich mir die Zähne ausgebissen. Dann war ich einfach mit meinem Latein am Ende.“ Doch das sei die Ausnahme gewesen, oft konnte er weiterhelfen, Lehrer, Eltern und Schüler mit seiner Arbeit entlasten. Sein Ziel: dass keiner Angst haben muss, zur Schule zu gehen und in der Klasse in Ruhe lernen konnte.
Worauf er sehr viel Wert legt: Die Jugend ist nicht so schlecht wie ihr Ruf. Im Gegenteil. In 35 Jahren hat der Hamburger auch viel von den Schülern gelernt. „Es gab einige, die mich sehr beeindruckt haben, die trotz widrigster Umstände keine Rachegedanken hegten, sondern mit der Situation fertiggeworden sind.“ Aus Sicht des Familienvaters haben sich auch die Probleme, die an ihn herangetragen wurden, in 35 Jahren nicht grundlegend geändert. Natürlich habe es das Internet und seine Gefahren so nicht gegeben, aber das Hänseln schon. Auch das Abitur in acht statt neun Jahren habe nicht merklich zu einem Problem geführt. Trotzdem, wenn Klyne noch einen Wunsch frei hätte, dann würde er sich Folgendes erbitten: „Zehn Jahre Reformfrieden für die Schulen, damit sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können.“