Paradox: Uetersener Ratsmehrheit aus CDU/FDP und BfB stampft die Stelle der Wirtschaftsförderin faktisch ein. CDU sagt, sie wolle damit die Wirtschaftsförderung stärken

Uetersen. Die Stimmung bei den Parteien der Stadt Uetersen ist gereizt. Ursache ist die Wirtschaftsförderung. Im Januar wurde vom Rat die Stelle der Wirtschaftsförderin Meike Koschinski von einer auf eine halbe Stelle gekürzt. Eine Strafmaßnahme. Auslöser dafür war der angekündigte Weggang des erfolgreichen mittelständischen Unternehmens Witte Pumps, das mit seinen 50 Mitarbeitern vom Esinger Steinweg in die Nachbarstadt Tornesch umzieht. Der Verlust des Unternehmens hatte für Entsetzen bei der CDU gesorgt, so dass CDU, BfB und FDP damals die Arbeitsstelle von Koschinski drastisch reduzierten. Nun wird die Stelle nochmals gekürzt, auch wenn die CDU das so nicht offen sagen will.

Bereits im Januar, kurz nachdem die Pläne von Witte Pumps bekannt wurden, hatte CDU-Fraktionschef Andreas Stief verkündet, dass seine Fraktion am liebsten die komplette Personalstelle streichen würde. Dies angeblich aus grundsätzlichen Erwägungen. Wirtschaftsförderung sei eigentlich Chefsache, so Stief damals. Darum müsse sich die Bürgermeisterin selbst kümmern. Denn nur die Verwaltungschefin könne auf Augenhöhe mit Unternehmern und Managern über Firmenansiedlungen und Investitionen verhandeln. „Wir können es uns aber nicht leisten, diese Stelle mit jemandem zu besetzen, der sich ursprünglich auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten beworben hat“, sagte Stief damals. Koschinski entgegnete, sie habe sich sehr wohl auf die Stelle der Wirtschaftsförderin beworben. Bürgermeisterin Andrea Hansen, einst ebenfalls Wirtschaftsförderin in Uetersen, hatte sich zumindest zufrieden Koschinskis Arbeit geäußert und diese in Schutz genommen. Der Witte Pumps-Umzug sei Koschinski nicht anzulasten.

Als wenn die Kürzung der Stelle nicht Strafe genug gewesen sei, haben CDU/FDP und BfB nun nochmals den Rotstift gezückt. Auf der jüngsten Ratssitzung sind viele Aufgaben, die laut dem Stellenplan bislang Aufgabe der Wirtschaftsförderin gewesen sind, dem Amt der Bürgermeisterin zugeordnet. Damit wurde die Stelle der Wirtschaftsförderung inoffiziell auf eine Viertelstelle zusammengestrichen. Grüne und SPD zeigten sich empört und entsetzt vom Vorgehen des politischen Trios. Mehrere Politiker gehen davon aus, dass CDU, BfB und FDP nicht mit Koschinski auskommen und aus rein persönlichen statt aus fachlichen Gründen die Wirtschaftsförderin loswerden wollen.

Die Grünen und die SPD attackieren die CDU scharf. „Ich frage mich, ob wir in der falschen Partei sind“, sagt Grünen-Fraktionschef Thorsten Berndt. Die Grünen würden sich für einen Erhalt, wenn nicht gar eine Stärkung der Wirtschaftsförderung einsetzen, während die CDU sie abschaffen wolle. „Eine Stellenkürzung wäre fatal“, so Berndt, auch weil das Gutachten zur Fusion gerade dazu geraten hatte, die Wirtschaftsförderung in Uetersen massiv auszubauen.

Sicherlich würden laut dem Grünen-Politiker Wirtschaftskontakte zu den Aufgaben einer Bürgermeisterin gehören, doch diese könne nun mal nicht alle Termine und alle Unternehmen besuchen. Das sieht SPD-Fraktionchef Ingo Struve genauso. „Ihr Antrag liest sich so, als habe die Bürgermeisterin nichts zu tun“, urteilt Struve. Gemäß der CDU-Logik müsste die Stelle der Bürgermeisterin aufgestockt werden, um diese zusätzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Das sei aber nicht möglich. Uetersen ruiniere mit einer solchen Wirtschaftspolitik seinen Ruf. Stief sieht das anders: „Ich glaube, wir ruinieren unseren Ruf gerade mit dieser Debatte.“

Die Grünen hatten wegen des Disputs eine namentliche öffentliche Abstimmung im Rat gefordert, „damit die Bürger wissen, wer das zu verantworten hat“, so Grünen-Fraktionschef Berndt.

Als einen „fatalen Fehler“ bezeichnet auch Andreas Hinrich, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe (IHG), das Vorgehen des CDU/FDP/BfB-Blocks. „Die Entscheidung, die Planstelle der Wirtschaftsförderung zu reduzieren ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Hinrichs. Es werde ein „absolut falsches Zeichen gesetzt“, nicht nur gegenüber den Ortsansässigen Unternehmen sondern auch gegenüber auswärtigen Firmen. Ihnen werde signalisiert, dass es sich gar nicht erst lohne, sich mit Uetersen zu befassen zwecks eines Aufbaus von Wirtschaftskontakten oder einer Firmenansiedlung. „Wir brauchen aktive Wirtschaftsförderung“, sagt Hinrich. Das sei mit der Stundenzahl, die CDU/FDP und BfB für die Stelle vorschweben würde, nicht einmal annähernd machbar.

Weshalb Koschinski so abgestraft werde, sei, so Hinrich, nicht erklärlich. „An dem Umzug von Witte Pumps ist nicht sie schuld. Dieser Vorwurf ist absurd. Sie hat eine sehr gute Arbeit in Uetersen gemacht, sich gut um Leerstände gekümmert und auch viele Kontakte aufgebaut“, sagt der IHG-Vorsitzende. Die überaus erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre werde regelrecht zunichte gemacht. „Wenn man mit ihr unzufrieden ist, dann soll man es auch sagen“, urteilt Hinrich und moniert, dass gerade jene Parteien, die die Wirtschaftsförderung de facto abgeschafft haben, praktisch keine Gespräche mit der Wirtschaftsförderin geführt hätten. Auf eine solchen Informationsgrundlage eine so schwerwiegende Entscheidung zu fällen, sei „ziemlich absurd“. Vor allem auch, wenn CDU-Fraktionschef Andreas Stief im Rat verkünde, dass die CDU den Dialog ausbauen wolle, um die Wirtschaftsförderung zu stärken. CDU, FDP und BfB hätten den Dialog konsequent gemieden.

Bürgermeisterin Andrea Hansen zeigt sich entsetzt von der Entscheidung des Rates. Die Stelle der Wirtschaftsförderung komme nun einem Minijob gleich. Dieser neue Rahmen werde allen, die mit Wirtschaftsfragen zu tun hätten, die Arbeit sicherlich nicht erleichtern. .„Meine Aufgabe wird es sein, diesen Ratsbeschluss nun umzusetzen und den Schaden möglichst gering zu halten“, urteilt Hansen und bezeichnet Koschinski als „für Uetersen unverzichtbar“.

Angesichts der intensivierten Wirtschaftsförderung in anderen Städten und Gemeinden des Kreises Pinneberg und der herausragenden Bedeutung für die Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze werde Uetersen zudem über kurz oder lang eine Stärkung dieser so wichtigen Arbeit herbeiführen müssen. „Mein Ziel ist es daher, spätestens nach der Bürgermeisterwahl einen Anlauf in der Ratsversammlung zu unternehmen, um die Wirtschaftsförderung zeitgemäß und angemessen auszustatten“, sagt Hansen.

Im Januar will sich die IHG mit den Fraktionschefs und der Bürgermeisterin treffen, um zu besprechen, wie es künftig weitergehen soll. Die Aufgaben der Wirtschaftsförderin könne die Kaufmannschaft jedenfalls nicht übernehmen. Dazu seien rechtlich gar nicht die Möglichkeiten vorhanden.