Ex-Fraktionsmitglieder sollen in Wedel ihrer Partei 10.000 Euro an Bezügen durch Aufsichtsratsposten vorenthalten haben. Vorstand beantragt Ausschlussverfahren wegen parteischädigendem Verhalten.
Wedel. Jetzt ist es heraus: Auslöser für das Erdbeben in der Wedeler SPD war ein Streit um Bezüge durch Aufsichtsratsposten und die damit verbundenen Abgaben an die Partei. Die sollen laut dem geschäftsführenden Parteivorstand von drei der sechs SPD-Abweichlern seit Jahren nicht gezahlt worden sein. Nach Abendblatt-Informationen beläuft sich die Summe, die der Partei dadurch entging, auf rund 10.000 Euro. Geld, dass die Betroffenen in Raten zurückzahlen sollten. Doch die Einigung kam nicht mehr zustande, zum Treffen mit dem Vorstand in der vergangenen Woche erschienen die drei Genossen überraschend nicht, stattdessen folgte die prompte Fraktionsaustrittserklärung, der sich weitere Ratsmitglieder anschlossen.
Über die nicht gezahlten Abgaben und den Verlauf der Gespräche setzte der Vorstand die Mitglieder bei einer Versammlung am Mittwochabend erstmals in Kenntnis. Am selben Abend entschieden sich der Vorstand und die anwesenden 35 Mitglieder dafür, gegen die vier nicht ausgetretenen Abweichler ein Parteiausschlussverfahren wegen parteischädigendem Verhalten einzuleiten. In der Stellungnahme der SPD von Donnerstag heißt es dazu: „Die Betroffenen haben sich unehrenhaft und unsolidarisch verhalten und die Partei aufs Schwerste beschädigt.“
Das Ausschlussverfahren begründen die Sozialdemokraten folgendermaßen: „Wir brauchen moderne und überzeugte Mandatsträger, die das Vertrauen der Bürger rechtfertigen und glaubhaft sind. Dafür stehen diese sechs Personen in keiner Weise. Wir können sie nicht mehr in unseren Reihen als Sozialdemokraten in Wedel akzeptieren.“
Rückblick: Am Wochenende hatten der Fraktionschef Andreas Schnieber, Stadtpräsidentin Renate Palm, der Hauptausschussvorsitzende Stepfan Bakan, Kassenwartin Ingrid Paradies, der stellvertretende Stadtpräsident Joachim Funck sowie Ratsmitglied Birgit Neumann-Rystow ihren Fraktionsaustritt erklärt. Ihrer Partei, der sie teilweise mehr als 30 Jahre lang angehörten, teilten sie diesen Schritt in einem Satz schriftlich mit. Die damals stellvertretende und heute neue Fraktionschefin Sophia Jacobs-Emeis entdeckte die Zeilen aber erst am Montag in ihrem Briefkasten. Wie sie berichtet, traf sie das völlig überraschend: „Das hat mich doch sehr erstaunt. Im kollegialen Umgang miteinander hatte sich nichts verändert. Dieser Schritt war für mich vorher nicht ersichtlich.“
Während der Haushaltsplanung 2014 wurden vor vier Wochen die Unregelmäßigkeiten bei den Zahlungen laut SPD-Erklärung entdeckt. Laut Finanzordnung der Sozialdemokraten fließen nicht nur ein Teil der Sitzungsgelder sondern auch 30 Prozent der relativ lukrativen Bezüge durch Aufsichtsratsposten an die Partei, die damit den Wahlkampf oder Parteiaktionen organisieren kann. Eine nähere Prüfung durch den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Fölske ergab, dass eben drei SPD-Mitglieder, die hohe Posten innerhalb der Stadt bekleiden, diesen Beitrag nicht überwiesen. In einem Fall soll das laut Abendblatt-Information mehr als sieben Jahre lang so gegangen sein. Der geschäftsführende Vorstand und die Betroffenen hätten sich laut SPD-Erklärung auf eine einvernehmliche Lösung verständigt, die der Vorstand in einer Sitzung am 14. November abnicken sollte. Auf dieser Sitzung wartete der Vorstand vergeblich auf die drei Genossen.
„Wir haben versucht, eine Lösung zu finden. Doch stattdessen wurden wir wie kleine Jungs sitzen gelassen“, sagt SPD-Vorstandschef Lothar Barop. Aus seiner Sicht habe es in der Vergangenheit keine zwei zerstrittenen Lager innerhalb der SPD gegeben. Denn auffällig ist, dass die sechs, die sich abgespalten haben, zu den alten Hasen gehören. Sie alle sind langjährige Mitglieder und erfahrene Kommunalpolitiker in Wedel. „Wir waren mal unterschiedlicher Meinung. Aber es gab kein Zerwürfnis.“ Das sieht auch Fraktionschefin Jacobs-Emeis so. Sie ist enttäuscht: „Mehr als die Hälfte der Wähler, die im Mai die SPD wählten müssen sich doch jetzt betrogen fühlen.“
Das Problem aus Sicht der verbliebenen Wedeler Sozialdemokraten, die fordern, dass die Abweichler ihre Mandate sofort niederlegen: Diese haben sich entschieden, genau das nicht zu tun, sondern sich zur neuen WSI (Wedler Soziale Initiative) zusammengeschlossen. Dadurch sind die Wedeler Sozialdemokraten bei weitem nicht mehr die stärkste Fraktion im Rat und die Stadt um eine weitere politische Gruppierung reicher. Für was genau die WSI steht und ob sie nach den neuen Vorwürfen der SPD noch mit deren Vertretern zusammenarbeiten will und kann? Dazu war von keinem der sechs Betroffenen eine Stellungnahme zu bekommen. Trotz mehrfacher Anfragen äußerte sich bis zum Abend keiner von ihnen zu den Vorwürfen oder der Zukunft der sozialdemokratischen Politik in Wedel.