Viele Tochtergesellschaften für die Breitbandversorgung, die die Stadtwerke gegründet haben, gehören nicht dem kommunalen Arbeitgeberverband an. Die Mitarbeiter werden nicht tariflich bezahlt, klagt Ver.di und fordert Abhilfe.

Kreis Pinneberg. Die Hälfte der 40 kommunalen Energieversorger im Land hat Tochtergesellschaften für Telekommunikation gegründet. Aber die wenigsten dieser Betriebe gehören wie die Travekom der Stadtwerke Lübeck dem kommunalen Arbeitgeberverband an und bezahlen ihre Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für die Versorgungsbetriebe (TVV). „Die Stadtwerke in Schleswig-Holstein sind bundesweit Vorreiter einer Tarifflucht“, kritisiert Erhard Ott, Bundesvorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Mit der Landesfachbereichsleiterin Berith Jordan besuchte er jetzt zwei schwarze Schafe im Kreis Pinneberg.

In Quickborn erreichten Ver.di und Betriebsrat dabei, dass die Geschäftsführung im Januar zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft über die Anwendung des Tarifvertrages für die fünf betroffenen Mitarbeiter bereit ist. In Barmstedt stellt sich die Werkleitung dagegen stur und empfing die Gewerkschaftsvertreter nicht, die dort eine Betriebsversammlung besuchten. Doch da hat die Politik das alleinige Sagen und wird am 26. November das Thema beraten. Für Bürgermeisterin Heike Döpke gibt es „keinen anderen Weg, als dass die Stadtwerke den Tarifvertrag anwenden. Als öffentlicher Arbeitgeber und Auftraggeber ist er dazu verpflichtet.“

Die Betriebsräte der Stadtwerke befürchten eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ innerhalb der Belegschaft, wenn die Mitarbeiter, die für die Versorgung von Gas, Wasser und Strom zuständig sind, anders bezahlt werden als die, die den Kunden das schnelle Internet ins Haus bringen sollen. „Wir fordern einen Tarifvertrag auch für die Kollegen bei tel.quick“, sagt Quickborns Betriebsratsvorsitzender Hubert Bittner. „Das führt sonst zu einer Spaltung der Belegschaft und stört den Betriebsfrieden. Gleiche Arbeit darf nicht ungleich bezahlt werden.“ Silke Kruse, Betriebsratschefin der Stadtwerke Barmstedt, fordert, „endlich klare Verhältnisse“ für alle 70 Kollegen zu schaffen. Es dürfe nicht sein, dass es unterschiedliche Regelungen im selben Unternehmen gebe.

Die Werkleiter argumentieren, dass ihre Breitband-Gesellschaften sich noch im Aufbau befänden und dadurch flexibler am Markt reagieren müssten. „Tel.quick macht zurzeit 200.000 Euro Minus im Jahr“, sagt Quickborns Stadtwerkechef Panos Memetzidis, gibt aber zu, dass die Stadtwerke insgesamt eine Million Euro Gewinn im Jahr machen. Der Wettbewerbsdruck gegen die private Konkurrenz sei enorm groß. „Aber wir bezahlen die Mitarbeiter gut. Die Arbeitsverträge sind unbefristet.“ Er sei aber bereit, mit der Gewerkschaft über eine Tarifbindung für tel.quick oder einen Haustarif zu verhandeln. „Es ist immer gut, zu einer Einigung zu kommen.“ Er möchte auch seine 20 Kollegen bei den Stadtwerke-Breitband-Gesellschaften für ein gemeinsames Vorgehen in dieser Frage gewinnen, deren Vorsitzender er ist, sagt Memetzidis.

Dafür plädiert auch Verdi. „Es wäre schön, wenn uns Herr Memetzidis diese Tür öffnen könnte“, sagt der Elmshorner Ver.di-Sekretär Mathias Bialuch. „Wir freuen uns, dass wir bei ihm Einsicht für dieses Problem wecken konnten.“ Betriebsratschef Bittner ist zuversichtlich: „Das ist ein ganz tolles Ergebnis. Wir werden das jetzt auch mit dem Tarifvertrag hinkriegen.“

Bei Barmstedts Werkleiter Fred Freyermuth bedarf es noch mehr Überzeugungsarbeit. Er hält den Tarifvertrag für zu unflexibel und kompliziert. „Es geht nicht darum, Dumpinglöhne zu bezahlen. Aber die Bezahlung mit dem Tarifsystem ist nicht effizient. Und die Altersvorsorge, wie sie die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder anbietet, ist für mich ein K.O.-Kriterium. Das kommst du nie wieder raus.“ Er fordert, dass ein unabhängige Person die Vor- und Nachteile prüft, wenn die Stadtwerke diesen Tarif verbindlich für alle anbieten sollen.

Ver.di-Bundesvorstand Ott plädiert an die Stadtväter, die Tarifbindung der Stadtwerke-Mitarbeiter auch langfristig zu sehen. „Wenn diese unterbezahlten Mitarbeiter in Rente gehen, und dann eine zu niedrige Rente haben, müssen die Kommunen dies ohnehin wieder mit höheren Soziallasten ausgleichen.“ Insofern sei der vermeintliche Wettbewerbsvorteil nur ein kurzfristiger Mitnahmeeffekt. „Auf lange Sicht ist das Breitband-Geschäft der Geldbringer.“ Da hätten die betroffenen Mitarbeiter es verdient, an diesem Kuchen angemessen beteiligt zu werden.