Wedeler Hilfsprojekt „Menschen helfen Menschen“ unterstützt Senioren, die sich Medikamente oder medizinische Hilfestellungen nicht leisten können. In den vergangenen Jahren flossen knapp 50.000 Euro an Bedürftige.
Wedel Manchmal läuft es Gisela Rawald kalt den Rücken herunter, wenn sie von der Not mancher Wedeler hört. Da kam zum Beispiel diese an Krebs erkrankte Frau zu ihr und erzählte, dass sie auf dem Weg durch die Bahnhofstraße vor Hunger fast ohnmächtig geworden sei. Sie wollte sich ein Brötchen kaufen. In ihrem Portemonnaie hatte sie noch zwei Euro. Das Problem: Das war die Summe, mit der sie noch den Rest der Woche auskommen musste. Oder da ist dieser Mann, der an Zungenkrebs leidet und dessen Schmerzen eine einfach Mundspülung lindern würde. Doch die 5,20 Euro pro Flasche muss der Rentner selbst aufbringen. Sein Verbrauch von zwei Flaschen pro Woche treibt ihn an seine finanziellen Grenzen. Er kann sich das allein einfach nicht leisten.
Gisela Rawald arbeitet im Wedeler Rathaus. Sie leitet das Seniorenbüro der Stadt und ist damit Ansprechpartnerin und Anlaufstation für zahlreiche Bedürftige. Wer sich traut und bei ihr an die Tür klopft, dem hilft sie, eine ergänzende Grundsicherung oder Wohngeld zu beantragen. Doch zunehmend werden Bitten an sie herangetragen, die sich um die Finanzierung der Gesundheit drehen. Rawald schätzt, dass sich von ihren etwa sieben Gesprächen pro Tag etwa zwei um dieses Thema drehen. Doch wenn die Krankenkasse nicht zahlen will oder Senioren mit kleiner Rente ihren Eigenanteil nicht tragen können, sind Rawald die Hände gebunden: „Wer alt und krank ist, ist doppelt und dreifach belastet. Zudem kommt der bedürftige Rentner aus dieser Situation nicht wieder heraus.“
Umso glücklicher ist sie, dass sie diese Menschen nicht hilflos wegschicken muss, sondern dass es in Wedel „Menschen helfen Menschen“ gibt. Das Hilfsprojekt unter der Federführung des Deutschen Roten Kreuzes steht denjenigen zur Seite, die sich ihre Gesundheit nicht mehr leisten können. An die Initiative leitet Rawald die Bitten nach Prüfung weiter. „Ich bin froh, dass wir ‚Menschen helfen Menschen‘ haben. Das haben andere Städte nicht.“
Vor knapp zehn Jahren riefen Ursula Kissig und Ingeborg Dehn, die auch beide im DRK-Vorstand aktiv sind, die Initiative ins Leben. Anlass war die Einführung der Praxisgebühr von zehn Euro, die zahlreiche Senioren mit kleiner Rente vor große Herausforderungen stellte. Die Praxisgebühr gibt es nicht mehr, aber das Hilfsprojekt wird dringender denn je gebraucht. „Immer mehr Leistungen werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Durch fehlende finanzielle Mittel verzichten Menschen deshalb auf den Besuch beim Arzt oder auf die dringend notwendigen Medikamente“, sagt Ingeborg Dehn. Und Rawald weiß: Wenn nicht direkt an den Medikamenten gespart wird, dann an den Lebensmitteln und damit wieder auf Kosten der Gesundheit.
In den vergangenen neun Jahren flossen 50.000 Euro
Das Prinzip von „Menschen helfen Menschen“ ist einfach. Über das Seniorenbüro der Stadt erreichen die Anfragen und Bitten die Helfer. In einer kurzen schriftlichen Erklärung bittet zum Beispiel eine 75-Jährige um einen Zuschuss für die wackelnde Zahnprothese. 175 Euro. Ein Mann im Rollstuhl benötigt Geld, um den vom Arzt verschriebenen diabetischen Schutzschuh zu bezahlen. Den Eigenanteil von 76 Euro kann er sich mit der kleinen Frührente so nicht leisten. „Ich lebe knapp über dem Existenzminimum“, schreibt ein chronisch Erkrankter. 130 Euro betrage seine jährliche Eigenbeteiligung, die er für seine Behandlungen mit Cortison zahlen muss. „Es fällt mir ungeheuer schwer, diesen Betrag aufzubringen.“ In 750 solcher und ähnlicher Fälle hat der Fonds, der von Spendern und Sponsoren gefüttert wird, gegriffen. 50.000 Euro flossen in den vergangenen neun Jahren so an Bedürftige. „In vielen Fällen haben wir uns zur letzten Rettung entwickelt“, sagt Dehn.
Um genügend Geld aufzutreiben, damit der Fonds am Ende des Jahres auch für alle reicht, putzt sie Klinken bei Wedeler Unternehmen. Zudem verzichten sie und ihr Mann schon lange auf Geschenke, reichen sie stattdessen lieber als Geld an den Fonds weiter. „Mein Mann und ich haben eine soziale Ader, und wir sind in der Lage uns die auch leisten zu können“, erklärt Dehn ihr Engagement. Jüngst kamen so 1400 Euro zusammen, die auf das Konto des Hilfsprojekts flossen. Freunde haben es den Dehns schon nachgemacht und verzichten auf private Geschenke zugunsten von „Menschen helfen Menschen“.
Das einzige, mit dem die Helfer zu kämpfen haben, was sie sogar regelrecht auf Zinne bringt: Kenntnis von Bedürftigen zu bekommen, die nicht den Weg ins Seniorenbüro und damit zum Verein finden. „Es ist schwer, die Personen zu finden, die knapp über der Grundsicherung liegen. Ihnen hilft gar keiner. Diese Menschen stammen aber aus einer Generation, die sich schämt, um Hilfe zu bitten“, sagt Dehn aus ihrer Erfahrung. „Diese Mitglieder unserer Gesellschaft werden alleine gelassen. Sie zu finden, ist unsere Aufgabe.“
Kontakt zu „Menschen helfen Menschen“ über das Seniorenbüro unter Telefon 04103/70 72 68 oder die DRK Sozialstation unter 04103/44 74.