Im Kreis Pinneberg ist alles etwas anders: Während im Norden die Zahl der Insolvenzen um 18 Prozent im ersten Halbjahr sank, ging es rund um Pinneberg um 33 Prozent nach oben.

Kreis Pinneberg. Für manches angeschlagene Unternehmen ist es der letzte Ausweg, für einige kann es die Rettung sein: der Gang zum Amtsgericht und die damit verbundene Insolvenzerklärung. In keiner anderen Region von Schleswig-Holstein mussten 2013 so viele Unternehmer die Zahlungsunfähigkeit eingestehen wie in der Pleitehochburg Pinneberg. Im ersten Halbjahr nahm die Zahl der im Kreisgebiet angemeldeten Insolvenzen um 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Dagegen zeigt der Trend im Land nach unten. So verzeichnete das Statistikamt Nord für Schleswig-Holstein mit 509 angemeldeten Insolvenzen 18 Prozent weniger als in den ersten sechs Monaten 2012. Im Kreis Pinneberg stieg im gleichen Zeitraum die Zahl von 51 auf 68 Insolvenzen.

Einer der Nutznießer des Insolvenzbooms ist Simon Boës, Rechtsanwalt aus Pinneberg. Der Mitarbeiter der Kanzlei Mallick, Reski & Partner hat gleich in mehreren Verfahren die Fäden in der Hand. Unter anderem bekam er vom Amtsgericht Pinneberg den Fall der Pinneberger Wasserskiarena auf den Tisch. Betreiber Peter Schattenfroh musste im März die Insolvenz beantragen, nachdem das Wetter ihm zwei Saisons verhagelt hatte und einige Veranstaltungen wie das Neujahrsfeuerwerk sich als Verlustbringer entpuppten. Schattenfroh konnte die Kredite nicht mehr tilgen. Er musste die Zahlungsunfähigkeit erklären. Boës führte den Betrieb nach der Pleite weiter und spricht von „einer außergewöhnlich erfolgreichen Saison“.

Sie war derart erfolgreich, dass die Wasserskiarena vor dem Untergang gerettet zu sein scheint. Bewerber stehen auch schon bereit. Beim Insolvenzverwalter wurden gleich mehrere ernsthafte Betreiber vorstellig, legten Erfolg versprechende Konzepte und Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor. Am 23. Oktober treffen sich die Gläubiger zu einer Versammlung, auf der ein Beschluss erwartet wird, nach dem Boës Verkaufsverhandlungen mit den Bewerbern führen kann. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, die Gesellschaft zum Jahreswechsel in neue Hände übergeben zu können – allerdings ohne Mitwirkung von Schattenfroh. Boës: „Aus meiner Sicht kann die Zukunft der Anlage als gesichert gelten.“

Schenefelder Schmuckunternehmen ging insolvent

Ein weiterer Fall, dem sich Boës in den vergangenen Monaten widmete, war der des einst florierenden Familienunternehmens Irina Schmuck mit Sitz in Schenefeld. Mit der Umstrukturierung der großen Warenhäuser Karstadt und Kaufhof geriet auch das auf Design und den Vertrieb von Modeschmuck und Accessoires spezialisierte Unternehmen ins Straucheln. „Die Umsätze waren drastisch zurückgegangen, sodass die Lohnkosten der 120 Mitarbeiter nicht mehr gezahlt werden konnten“, sagt Boës. Im März hatte die Unternehmensführung sich die Pleite eingestehen müssen, Boës kam ins Spiel.

Trotzdem wird das 1985 gegründete Unternehmen überleben. Allerdings in viel kleinerer Form. Boës musste alle 100 Filialen von Irina Schmuck in den Karstadt- und Kaufhoffilialen schließen. Die Firma schrumpfte von 120 auf aktuell noch zehn Mitarbeiter. Irina Schmuck betreibt nun keine eigenen Filialen mehr, sondern vertreibt lediglich die Ware über den eigenen Online-Shop und Vertriebspartner wie die Modekette Adler. Weil der bisherige rund 2000 Quadratmeter große Sitz in Schenefeld jetzt überdimensioniert ist, siedelt das Unternehmen in ein kleineres Domizil um. Mit dem Verkauf der geschrumpften Firma an die bisherige Prokuristin endet in Kürze die Ära des Insolvenzverwalters.

Im Kreis Pinneberg steigt die Zahl der Insolvenzen, im Land dagegen geht sie zurück – trotzdem macht sich Paul Raab, Leiter der IHK-Zweigstelle Elmshorn, keine Sorgen um die wirtschaftliche Lage der Region. Auch an einen negativen Trend mag er angesichts der Zahlen nicht glauben. „Das ist ein statistischer Effekt. Die Zahl nimmt im Kreis auch wieder ab“, so Raab. In Ansätzen kann er sich die gestellten Insolvenzen konjunkturell mit dem schwachen Konsumverhalten erklären. Das hätte vor allem das Hotel- und Gastgewerbe getroffen.

25 Prozent der Pleiten im Land fallen auf Kreis Pinneberg

25 Prozent aller im nördlichsten Bundesland angemeldeten Pleiten in dieser Branche fallen auf den Kreis Pinneberg. So mussten im ersten Halbjahr zwölf Unternehmer aus dieser Branche die Insolvenz erklären. „Das Gastgewerbe ist vom Konsumverhalten abhängig, und das war Ende vergangenen Jahres und Anfang 2013 schwach“, analysiert Raab.

Ein Beispiel dafür, dass eine angemeldete Insolvenz trotz laufenden Verfahrens noch wieder abgewendet werden kann, ist der Fall des Traditionsunternehmens E.C.H. Will mit Sitz in Wedel. Am 28. Juni musste die Geschäftsführung der Papersystems Holding den Antrag beim Amtsgericht Pinneberg für den Maschinenhersteller einreichen, weil dem Unternehmen 2012 die Aufträge im Neumaschinengeschäft eingebrochen waren. Drei Monate später kam die Erlösung für rund 200 Mitarbeiter: Die Körber AG als ehemalige Vorbesitzerin einigte sich Ende September mit der Investorengruppe um die Orlando Management AG auf die Rücknahme von E.C.H. Will.

„Wir sind davon überzeugt, dass es sich um einen temporären Einbruch handelt und die Nachfrage wieder steigt“, begründet Körber-Sprecher Tobias Apfel das Engagement. Dem Rückkaufplan müssen noch die Kartellämter sämtlicher betroffener Länder zustimmen. Mit einer Entscheidung wird Ende November gerechnet.