Via Facebook werden mobile Radargeräte im Kreis Pinneberg enttarnt. Verkehrspsychologe warnt vor neuem Service für Raser.

Kreis Pinneberg. Auf den Blitzer der Polizei in der Esinger Straße in Tornesch haben sie es heute abgesehen: Eigentlich sind hier nur 50 Kilometer pro Stunde erlaubt - "Naja durch Fb werden die eh nicht viele kriegen", schreibt Sandra S.. Fb, das steht für das soziale Netzwerk "Facebook", über das sich seine Mitglieder jetzt nicht mehr nur zu Partys verabreden, sondern auch vor Polizeikontrollen warnen. Um Geschwindigkeitsmessungen und Blitzer im Kreis Pinneberg zu umgehen, informieren sich mittlerweile schon fast 4000 Mitglieder gegenseitig, rund um die Uhr - und es werden täglich mehr.

Die neue Art, Punkte zu sparen, hat ein Elmshorner im Juni aus der Taufe gehoben: Simon Kunkelmoor, 39 Jahre alt und nach eigenem Bekunden unauffälliger Autofahrer, pflegt die Internetpräsenz. "Ich habe etwas ähnliches für den Kreis Steinburg gesehen, fand es interessant und nützlich und sagte mir, das musst du auch für Pinneberg machen", erläutert der gelernte Kommunikationselektroniker dem Abendblatt. Da es Warnungen via Radio bisher nur landesweit gibt, wollte Kunkelmoor vor allem mehr lokale Informationen zu Blitzern und Lasern. Die Seite sei ein voller Erfolg, täglich kämen neue Internetuser dazu. "Es läuft sehr gut", sagt Kunkelmoor. Mit den üblichen Beschimpfungen hielten sie sich zurück, auch Bilder von Polizisten und Messanlagen würden in der Regel nicht veröffentlicht oder von ihm wieder gelöscht. Besonders hilfreich sei dieser Service auch deshalb, weil sich die Polizei mit Informationen über Verkehrskontrollen in Schleswig-Holstein bisher bedeckt hält. Während beispielsweise Niedersachsen im Vorfeld über Messungen informiert, schweigt man sich im nördlichsten Bundesland der Republik aus.

Dulden muss die Polizei den neuen Service allerdings. Strafbar ist er schließlich nicht. "Die Radargeräte stehen im öffentlichen Raum und sind sichtbar. Wer sie entdeckt, kann auch darüber reden", sagt Polizeisprecherin Sandra Mohr. Sie betont, dass die Beamten mittels der Radarfallen keine Abzocke betreiben, sondern zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen wollen. "Uns geht es darum, dass nur so schnell gefahren wird wie es erlaubt ist. Wenn das mit einer Warnung über Facebook erreicht wird, dann ist das okay."

Skeptischer ist der Verkehrspsychologe Dr. Paul Brieler, der auch in Pinneberg Schulungen und Gespräche durchführt, damit Verkehrssünder Flensburger Punkte wieder abbauen können. Die Warnungen über Facebook seien eine neue Stufe der vom Staat tolerierten Warnungen im Radio, so Brieler. "Das ist nichts anderes als ein neuer Service für Raser", kritisiert er. Nach Warnungen für feste Starenkästen in Navigationssystemen und Meldungen über den Rundfunk verstärke diese Art der Information das Katz- und Mausspiel zwischen Polizei und Fahrern. "Das wird die Raser noch mehr motivieren", warnt Brieler.

"Geschwindigkeitsreduzierungen haben in der Regel einen Sinn - und wenn es nur der Lärmschutz in Ortschaften ist", sagt der Experte. Ähnlich sieht das auch der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC): "So genaue und detaillierte Informationen führen dazu, dass der Fahrer vor der Messung kurz abbremst und dann weiter rast. So etwas lehnen wir grundsätzlich ab", sagte ADAC-Sprecher Matthias Schmitting. Allgemeine und regionale Warnungen, die das Fahrverhalten der Autofahrer insgesamt beeinflusst und die in der Regel über Radio verbreitet werden, seien laut ADAC allerdings durchaus erwünscht.

Rechtlich sind Warnungen problematisch. Das Schreiben oder Abrufen der Information auf Facebook ist zwar unbedenklich, da das aber in der Regel über ein Handy mit mobilem Internet geschieht, sitzt hier die Polizei am längeren Hebel. Handybenutzung während der Fahrt kostet 40 Euro und einen Punkt in der Verkehrssünderdatei. Auch Navigationssysteme mit Warnungen vor festen Radarstationen sind verboten, die Beamten können das Gerät beschlagnahmen. Auch das gute alte Betätigen der Lichthupe als Warnung vor Blitzern ist verboten - sie darf nur im Fall drohender Gefahr genutzt werden.