Immer mehr Kinder können sich nicht über Wasser halten. Schulleiter und Lebensretter schlagen Alarm, Schwimmunterricht sei eine Notwendigkeit.
Pinneberg. Wenn die Schwimmfähigkeit vor allem auch von Grundschülern baden geht, schrillen bei den Wasserrettern immer lauter die Alarmglocken. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schätzt für Schleswig-Holstein, dass bis zu 45 Prozent der Kinder nicht sicher schwimmen können, wenn sie die Grundschule verlassen. "Wer in einem Küstenland lebt, sollte schon in der Lage sein, sich über Wasser halten zu können", sagt DLRG-Sprecher Kai Jacobsen aus Quickborn. Früher habe jedes Kind die Grundschule mit dem Freischwimmer verlassen. Weil immer mehr Schwimmbäder schließen, fällt aber der Schwimmunterricht in der Schule immer häufiger aus.
In Pinneberg kämpfen deshalb außer Senioren- und Leistungsschwimmern auch Schulleiter wie Holger Meyer für den Erhalt des Hallenbades, das aus finanziellen Gründen von der Schließung bedroht ist. "Die Schwimmstunde ist kein Luxus, der uns geboten wird, sondern eine Notwendigkeit", sagte Meyer, Leiter der Grundschule Thesdorf, über die Möglichkeit des Schwimmunterrichts im Bad an der Burmeisterallee.
Weil Pinneberg seine beiden Lehrschwimmbecken schon vor Jahren geschlossen hat, nutzen die Grundschulen der Kreisstadt das Hallenbad. Das bedeutet für manche Schule einen deutlichen Mehraufwand im Vergleich zu früheren Zeiten. Die Thesdorfer Grundschüler werden einmal pro Woche mit dem sogenannten Schwimmbus, dessen Kosten die Stadt trägt, vom Schulgebäude zum Hallenbad gefahren. Verlängert sich die Anfahrt, verringert sich die Zeit im Wasser. Dabei bedeuten immer mehr Kinder, die überhaupt noch keine Beziehung zum Element Wasser haben und häufig aus Familien mit Migrationshintergrund kommen, einen steigenden Schulungsbedarf. Die Grundschule Rübekamp nutzt ebenfalls den "Schwimmbus", einmal in der Woche ist ein Schwimmtag organisiert. Schließt das Pinneberger Hallenbad, da sind sich die Grundschulpädagogen einig, wäre die Organisation des Schwimmunterrichts in einer anderen Schwimmhalle außerhalb der Stadt nicht zu leisten.
Der Lehrplan nennt Schwimmen als wichtigen Baustein des Sportunterrichts - zwingend vorgeschrieben ist nach Auskunft des Kieler Bildungsministeriums Schwimmunterricht an den Grundschulen im Norden nicht. Das Argument: Viele Grundschulen in kleineren Orten im ländlichen Bereich hätten überhaupt keine Möglichkeiten, ein Schwimmbad zu erreichen. "Wir sehen die Stadt als Schulträger in der Pflicht, uns die sächlichen Möglichkeiten für einen vernünftigen Sportunterricht zur Verfügung zu stellen", sagt Holger Meyer, an dessen Schule Sport ein Unterrichtsschwerpunkt ist. Er spielt damit auch auf fehlende Sporthallenkapazitäten an. Der Thesdorfer Schulleiter hat festgestellt: "Wir haben immer mehr Kinder, die Nichtschwimmer sind." Die Grundschule Thesdorf kooperiert deshalb mit dem VfL Pinneberg. Dessen Schwimmlehrer schulen die Kinder im Wasser, die Kosten dafür tragen allerdings die Eltern.
Die Lebensretter der DLRG wissen, dass die Schwimmfähigkeit nach dem Grundschulalter abnimmt. Und doch: In den weiterführenden Schulen ist Schwimmunterricht dann Pflicht.
Der Ausbildungsbedarf nehme zu, sagt DLRG-Sprecher Kai Jacobsen. Unsere Schwimmkurse sind alle ausgebucht, es gibt Wartelisten." DLRG, andere Vereine und private Schwimmschulen müssen abfedern, was in der Grundschule vielfach versäumt wird.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn sieht vor allem auch den Bund gefragt, die Kommunen finanziell besser auszustatten. "In der ganzen Bundesrepublik ist es so, dass über die Schließung von Frei- und Hallenbädern diskutiert wird, weil vielen Kommunen das Geld für diese Einrichtungen fehlt", sagt Rossmann. So auch in Pinneberg. Im Zusammenhang mit der Diskussion um den sogenannten Rettungsschirm des Landes wird innerhalb der Spardebatte immer wieder das Hallenbad genannt, das jährlich ein Defizit von rund einer Million Euro erwirtschaftet.
"Keine Stadt verdient mit einem Sportbad wie dem in Pinneberg Geld", sagt DLRG-Sprecher Jacobsen. Dort, wo man Spaßbäder geschaffen habe, "sind Schulgruppen häufig nicht so gern gesehene Gäste". Der Wasserretter betont mit Blick auf den Beginn der Freibadesaison an Meeren, Flüssen und Seen, dass die DLRG ihre Wachdienste mit ehrenamtlichen Rettungsschwimmern bestreiten. Jacobsen: "Da bewacht ein Rettungsschwimmer zum Beispiel einen Strandabschnitt mit 200 und mehr Menschen. Da gehört es zum Konzept, dass es schon Menschen gibt, die im Notfall als Schwimmer mit einschreiten können."