Norderstedt. Mädchenmannschaft des 1. SC Norderstedt holt sich bei erster DM-Teilnahme den Titel. Was sich hinter der Abkürzung TGW verbirgt.
Das Lampenfieber der „Skyflyer“vor ihrer ersten Teilnahme an einer Deutschen Meisterschaft war immens. „Auf einer Skala von eins bis zehn lag die Nervosität mindestens bei elf“, sagte Johanna Kolthoff (33). Sie trainiert das TGW-Team des 1. SC Norderstedt, das sich aus Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren zusammensetzt.
Doch ihre Schützlinge bewiesen Wettkampfhärte, bekamen die Aufregung gut in den Griff. So gut, dass sie bei der DM in Berlin einen sensationellen Coup landeten: Die SCN-Crew kam auf 38,55 von 40 möglichen Punkten, verwies den TV Augsburg (38,45 Zähler) und den VfL Geesthacht (37,55) auf die Plätze zwei und drei – und holte Gold!
1. SC Norderstedt: Heftiges Lampenfieber vor DM-Premiere
„Damit hatte niemand gerechnet“, sagte Kolthoff, „dieser Sieg ist die Belohnung für die harte Arbeit, das große Engagement und das Talent unserer jungen Sportlerinnen.“ Oder anders formuliert: für acht Stunden Training pro Woche.
Doch was ist eigentlich TGW? Beim Turnerjugend-Gruppen-Wettkampf müssen die Mannschaften je nach Leistungsstärke aus den acht Bereichen Turnen (alternativ mit Kasten), Tanzen (Jazztanz, Modern Dance, Folklore, Hip-Hop, Rock ‘n‘ Roll), Gymnastik mit Handgerät, Singen, Staffellauf, Medizinballweitwurf, Schwimmen und Orientierungslauf drei oder vier Disziplinen auswählen.
Turnerjugend-Gruppen-Wettkampf ist eine Mädchendomäne
Ein Team besteht aus zwölf bzw. zehn Sportlerinnen oder Sportlern – das hängt von der Klasse ab, in der sie starten. Johanna Kolthoff: „TGW ist immer noch eine Mädchendomäne, dabei gibt es durchaus einige Bereiche, in denen Jungs glänzen können.“ Jeweils acht oder sechs von ihnen sind im Einsatz und kommen in die Wertung. Die Teilergebnisse werden addiert und ergeben das Endresultat.
Die „Skyflyers“ präsentierten in der Bundeshauptstadt ihre Tanz-Choreographie zum Soundtrack des Kinofilms „Cruella“, der Realverfilmung des Zeichentrick-Klassikers „101 Dalmatiner“ von Walt Disney.
Die Hälfte des Norderstedter Teams hat Erfahrung im Geräteturnen
Im Vortrag auf einer 13 x 13 Meter großen Fläche enthalten: Drehungen, Sprünge und akrobatische Elemente. Beim Bodenturnen interpretierten die Norderstedterinnen auf 12 x 12 Metern mit ihrer Kür einen Autounfall, zeigten dabei auch Radwende-Salti und Doppel-Flickflacks. Kein Wunder, denn die Hälfte des Teams hat Erfahrung im Geräteturnen.
Die dritte Herausforderung in Berlin: eine 8 x 50-Meter-Freistilstaffel. Also ging’s nördlich des Olympiastadions ins Schwimmbecken. Die TGW-Asse des SCN waren bestens vorbereitet, schließlich kooperiert der Verein schon seit acht Jahren mit der Startgemeinschaft Wasserratten Norderstedt. Trainiert wird die aktuelle Gruppe von Johanna Kolthoffs Bruder Jannik Semmelhaack und Wiebke Jungnickel.
Medizinballweitwurf ist die Norderstedter Spezialdisziplin
Letzter Akt: der Weitwurf mit zwei Kilogramm schweren Medizinbällen. „In dieser Disziplin sind wir normalerweise besonders gut, das ist unsere große Stärke“, so Kolthoff. Doch was ist bei einer DM schon normal?
Da die Musikanlage in der Sechsfeldhalle des Horst-Körber-Sportzentrums bei der Boden-Kür nicht ordnungsgemäß funktionierte und die technischen Probleme die Übung erheblich beeinträchtigten, ließen sich die „Skyflyer“ verunsichern und gerieten ausgerechnet im Werfen aus der Spur. Nach guten Noten beim Tanzen (9,8 Punkte) und Schwimmen (9,95) sowie einem mittelmäßigen Ergebnis beim Turnen (9,5) mussten sie sich am Ende des Wettkampfs mit für sie schwachen 9,3 Zählern begnügen.
Die Mannschaft muss ohne die Trainerin zurechtkommen
„Nach einem harten Tag und den zwischenzeitlichen Schwierigkeiten war ein wenig die Luft raus“, sagte Johanna Kolthoff, die ihre Mannschaft während der Deutschen Meisterschaft nicht persönlich betreuen konnte.
Zwar war sie schon um 5.30 Uhr in ihrer Funktion als Mädchen für alles im Einsatz, um die Sportlerinnen zu schminken und ihnen Zöpfe zu flechten – doch danach rief der Job als Tanz-Kampfrichterin. Doch Ersatz stand zum Glück gleich dreifach parat: Kolthoffs Mutter Andrea Semmelhaack-Leetz, Jannik Semmelhaack und Wiebke Jungnickel kümmerten sich um das Coaching.
Überraschungcoup in Berlin: Rätselraten über das Endergebnis
Über den Ausgang der Titelkämpfe herrschte übrigens stundenlanges Rätselraten, die Ergebnisse wurden nach einer nervenaufreibenden Wartezeit erst bei der abendlichen Siegerehrung verkündet. „Als dann um 21.15 Uhr klar war, dass wir Platz eins belegt haben, sind alle ausgeflippt“, sagte die SCN-Übungsleiterin.
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Zeitgleich schwebte auch die zweite Norderstedter TGW-Mannschaft, die in Berlin am Start war, auf Wolke sieben: Die von Svenja Abraham und Nicole Alexander trainierten „Starlights“ zeigten ihr Können im Tanzen, Werfen sowie im Orientierungslauf und belegten beim parallel zur DM stattfindenden Bundespokalfinale den dritten Platz – ebenfalls ein außergewöhnlicher Erfolg.