Norderstedt. Entnervte Übungsleiter kündigen. Warum es dem Norderstedter Verein finanziell so schlecht geht und warum sich die Politik einschaltet.

Wie leer ist die Kasse des 1. SC Norderstedt? Zwar ist der jährliche fünfstellige Zuschuss der Stadt an den in finanzielle Schieflage geratenen Sportverein mittlerweile geflossen, bei der Delegiertenversammlung am 2. Mai wurde zudem eine Erhöhung des Grundbeitrags für die etwa 1800 Vereinsmitglieder durchgewinkt. Kinder, Jugendliche, Schüler, Studenten und Auszubildende zahlen vom 1. Juni an statt bisher 9,75 nun 12 Euro, Erwachsene 21 statt 17,50 Euro.

Doch flüssig ist der SCN nach wie vor nicht. Und Geschäftsführer Christoph Blöh gibt zu, dass der Club aktuell ein Liquiditätsproblem hat. Das Wort „Pleite“ nimmt er allerdings nicht in den Mund: „Ja, die Lage ist heikel, aber ich würde nicht sagen, dass der Verein existenziell in Gefahr ist.“

1. SC Norderstedt: 500 Mitglieder weniger wegen der Corona-Pandemie

Schon Mitte März hatte der Vorstand des 1. SC Norderstedt in einem zweiseitigen Schreiben an alle Übungs- und Spartenleiter drei Gründe für die aktuell schwierige Kassenlage genannt: den bis zu diesem Zeitpunkt fehlenden Zuschuss der Stadt Norderstedt, die wirtschaftlichen Folgen wegen der Corona-Pandemie. Sowie die Auswirkungen der Energiekrise aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

„Wir haben wegen der Corona-Pandemie über zwei Jahre etwa 500 Mitglieder verloren, das hat uns in den vergangenen beiden Jahren 120.000 Euro an Einnahmen gekostet“, sagt Christoph Blöh, „ein Club in unserer Größe kann das nicht locker wegstecken, das lässt sich nicht so schnell kompensieren.“ Stichwort Corona: Auch andere Vereine in Schleswig-Holstein mussten diesbezüglich ein tiefes Tal der Tränen durchschreiten. „Es haben aber alle überlebt“, sagt Manfred Konitzer-Haars, Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Schleswig-Holstein.

Problematisch: Sportpark Scharpenmoor ist eine nicht-städtische Anlage

Beim 1. SC Norderstedt kommt erschwerend hinzu, dass es sich beim Sportpark Scharpenmoor um eine nicht-städtische Anlage handelt. Das wirkt sich auf die Energiekosten aus. Und: Der Verein kann bei erforderlichen Reparatur- oder Sanierungsmaßnahmen zwar schnell reagieren, tritt für diese aber auch in Vorleistung. Und wenn kein Geld in der Kasse ist, tut jeder Euro, der ausgegeben werden muss, doppelt weh.

Verbessert hat sich die angespannte finanzielle Situation beim SCN auch nach dem vermeintlichen Neustart vor einem Monat nicht. Im Gegenteil: Die Beschwerden von Übungsleiterinnen und Übungsleitern, die weiterhin auf ihnen zustehende Honorare warten, häufen sich. Einige von ihnen haben aufgegeben und nach zum Teil jahrzehntelanger engagierter Tätigkeit entnervt gekündigt.

Mitglieder machen sich nach Spendenaufruf Sorgen um ihren Verein

Nicht so Werner Bielefeld, der seit 30 Jahren Vereinsmitglied ist und immer montags von 19 bis 21 Uhr die Gruppe Männerturnen leitet. Er hält dem 1. SC Norderstedt weiterhin die Treue, obwohl der Club auch bei ihm Schulden hat. „Die Summe ist nicht allzu hoch, und im Gegensatz zu einigen anderen mir bekannten Personen, denen monatlich 1000 Euro oder mehr zustehen, bin ich auf das Geld nicht angewiesen“, sagt er, „ich frage mich aber, wie es mit dem Verein künftig weitergehen soll.“

Keinesfalls zur Beruhigung trug in diesem Zusammenhang die elektronische Post bei, die von den Vereinsverantwortlichen nach der Delegiertenversammlung an die etwa 1300 per E-Mail erreichbaren Mitglieder versendet wurde. In dieser wurde zum einen die Beitragserhöhung zum 1. Juni mitgeteilt, zum anderen aber auch um Geldspenden geworben. Bielefeld: „Wer so etwas liest, der macht sich so seine Gedanken.“

„Die Übungsleiter sind das höchste Gut des 1. SC Norderstedt“

Er und seine Sportkameraden beklagen zudem die ihrer Meinung nach schlechte Informationspolitik der Vereinsoberen. „Es kann doch nicht sein, dass den besorgten Mitgliedern gegenüber kein Klartext geredet wird, Anfragen von der Geschäftsstelle einfach nicht beantwortet werden“, sagt Werner Bielefeld.

Christoph Blöh beklagt derweil, dass beim SCN viel zu viel über den Flurfunk kommuniziert werde: „Es wird viel Unsinn erzählt und weiterverbreitet“, sagt er, „ich verstehe nicht, dass sich die Leute nicht direkt an den Verein wenden.“ Und er betont, dass die Übungsleiter „das höchste Gut des 1. SC Norderstedt“ seien.

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„Das ist momentan so ziemlich die blödeste Situation, die man sich vorstellen kann“, so Blöh, „ich kann die allgemeine Unzufriedenheit verstehen. Wir würden am liebsten alle Probleme schnellstmöglich lösen, können zurzeit aber leider nicht so handeln, wie wir es gern tun würden, und bitten deshalb noch um etwas Geduld und Verständnis.“

Um einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden, verhandeln die Clubverantwortlichen, unterstützt von einem Steuerberater, mit einer Bank. Am Mittwoch ist der SCN unter Tagesordnungspunkt sieben zudem ein Thema in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Schule und Sport. Beginn im Sitzungsraum 2 des Rathauses ist um 18.30 Uhr. Eingeladen sind Clubchef Jörg Rau und Geschäftsführer Christoph Blöh.

1. SC Norderstedt: Termin im Ausschuss für Schule und Sport

„Wir wollen den Vereinsvertretern so eine Plattform bieten, um Politik und Verwaltung über den Sachstand beim 1. SC Norderstedt zu informieren“, sagt die Ausschussvorsitzende Ruth Weidler. Dieses Angebot kommt Rau und Blöh sehr gelegen. Denn so können sie auch den Bürgern ihre Sicht der Dinge schildern, bei den verunsicherten SCN-Mitgliedern noch einmal für Transparenz sorgen – sowie Gerüchte und Missverständnisse aus der Welt schaffen.