Bad Segeberg. Stockschläge, Stiche in Oberkörper, Kopfstöße: 34-Jähriger in Bad Segeberg angeklagt – wegen gefährlicher Körperverletzung

Wann ist eine Gewalttat eine gefährliche Körperverletzung? Und wann ist die Grenze zum versuchten Totschlag oder gar dem versuchten Mord überschritten? Fragen, die sich rund um einen Prozess gegen einen 34-Jährigen stellen, der am Mittwoch, 5. Juni, um 9 Uhr, vor dem Schöffengericht in Bad Segeberg (Saal 4) steht. Der Mann wird beschuldigt, eine Prostituierte brutal misshandelt und damit in Lebensgefahr gebracht zu haben.

Die Tat liegt schon über sechs Jahre zurück. Es war der 28. Februar 2018. Die Prostituierte ging in der Nähe von Bad Segeberg, in Glashütte im Segeberger Forst, ihrem Geschäft mit dem schnellen Sex am Straßenrand nach. Gegen Nachmittag soll der Angeklagte mit seinem Auto angehalten haben. Man wurde handelseinig und es kam zum Sex.

Gewalt-Exzess: Erst Sex, dann Attacke

Doch das Treffen entwickelte sich kurz danach zu einem Gewalt-Exzess. Wie die Staatsanwaltschaft Kiel in der Anklageschrift mitteilt, sei die Prostituierte gerade dabei gewesen, sich wieder anzuziehen, als der 34-jährige Freier sie plötzlich angriff. Er zückte unter anderem einen Gummiriemen und legte ihr diesen um den Hals. In der Absicht, sie zu erwürgen? Das bleibt in der Anklage unklar.

Doch der Angriff ging weiter und wurde immer heftiger. Der Angeklagte soll der Frau einen Kopfstoß gegen die Stirn versetzt haben. Dann soll er einen Schlagstock gezückt und ihr zweimal damit gegen den Hinterkopf geschlagen haben. Schließlich holte der Mann einen Schraubendreher heraus und stach immer wieder auf die Frau ein, die zu diesem Zeitpunkt mutmaßlich in Todesangst gewesen sein muss.

Sieben Stiche mit Schraubendreher in Arm und Rücken

Laut Staatsanwaltschaft stach der Mann mindestens siebenmal auf den linken Arm und Rücken der Frau ein. Die Stiche in den Rücken waren dabei so tief, dass ein Lungenflügel der Frau kollabierte. Nun habe sich die Frau tatsächlich in potenzieller Lebensgefahr befunden, so die Anklage.

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Doch das Martyrium nahm an dieser Stelle für die Frau ein Ende. Der Täter ließ von ihr ab, sie konnte fliehen. Sie überlebte den Angriff – neben der verletzten Lunge – mit Schwellungen am Hinterkopf sowie Schürfwunden. Die psychischen Folgen des Angriffs dürften bei der Frau ebenso schwer wiegen, wie die körperlichen.

Versuchter Mord: Hohe Anforderungen

Was in der Beschreibung der Tat für den Laien nun gefühlt aussieht wie ein geplanter und durchdachter Mordversuch, wird in der juristischen Praxis anders eingeordnet. In diesem Fall als gefährliche Körperverletzung (Strafgesetzbuch § 224). Darunter fallen zunächst einmal alle „hinterlistigen Überfälle“ mit wie auch immer gearteten Waffen, Werkzeugen oder mit Gift. Der Strafrahmen liegt laut Strafgesetzbuch bei bis zu zehn Jahren Haft.

„Beim Tötungsvorsatz hat der Gesetzgeber bewusst eine erhöhte Hemmschwelle eingezogen“, sagt Oberstaatsanwalt Michael Bimler von der Staatsanwaltschaft in Kiel. Die Anforderungen, um etwas als versuchten Totschlag (Strafrahmen 2 bis 11 Jahre) oder versuchten Mord (3 bis 15 Jahre Haft) einzustufen, müssten klar gegeben sein

Gewalt-Exzess: Täter ließ die Frau gehen

Im Fall des Überfalls auf die Prostituierte müsse die Hauptverhandlung in Bad Segeberg zeigen, wie die Gemütslage des Täters war. Es wird sich um die Frage drehen, ob man dem Täter einen Eventualvorsatz nachweisen kann, wonach er einen eventuellen Tod der Prostituierten billigend in Kauf genommen hätte.

Dass der Mann offenbar allerhand Utensilien für den Angriff im Auto zurechtgelegt hatte, könnte für einen geplanten Angriff auf die Frau sprechen. Jedoch widerspricht der Tötungsabsicht ein Fakt ganz vehement: Am Ende ließ der Mann von der Frau ab, beendete seine Angriffe und ließ sie gehen, dabei die Gefahr, angezeigt zu werden, in Kauf nehmend.

Für den Prozess in Bad Segeberg sind Fortsetzungstermine am 11., 18. und 19. Juni geplant.