Norderstedt. Bauarbeiter beschädigen Hauptleitung der SH Netz AG. Ulzburger Straße in Norderstedt dicht. Anwohner warten lange auf Entwarnung.
Es waren dramatische Minuten am Freitagmittag: Ausgerechnet an der Ulzburger Straße, der wichtigsten Verkehrsader in Norderstedt, wurde bei Bauarbeiten eine Hauptgasleitung der Schleswig-Holstein Netz AG beschädigt. Und das hatte schwerwiegende Konsequenzen. Mit 16 Bar Druck trat das Gas aus, im Bereich von etwa zehn Metern rund um das Leck bestand Lebensgefahr, sagte Stadtwehrführer Fabian Wachtel, der den Einsatz der Berufsfeuerwehr sowie der Freiwilligen Feuerwehr Friedrichsgabe vor Ort koordinierte.
Über die Katastrophen-Warnapp NINA ging sofort eine Meldung, die auf Tausenden Handys in der Stadt ankam. Demnach solle die Bevölkerung in der nähreren Umgebung Fenster und Türen geschlossen halten sowie Lüftungs- und Klimaanlagen ausschalten. Doch ebenso war klar: Aus Sicherheitsgründen mussten die benachbarten Häuser und Wohnungen umgehend evakuiert werden, während die Ulzburger Straße zwischen Harckesheyde und Erlengang voll gesperrt wurde.
Gas-Leck in Norderstedt: Feuerwehr evakuiert Häuser an der Ulzburger Straße
Der Einsatz sei alles andere als gewöhnlich, sagte Wachtel. „Wenn gewöhnliche Gas-Hausanschlüsse beschädigt werden, kann man einfach abschiebern und die Sache ist erledigt. Bei einer Hauptleitung ist das deutlich schwieriger.“ Nachdem die Brisanz der Lage erkannt war, begannen die Feuerwehrleute damit, die Menschen aus den gefährdeten Häusern zu holen. „Wir mussten dabei an den Türen klopfen. Klingeln durften wir nicht, denn dabei können potenziell Funken erzeugt werden.“
Die Anwohnerinnen und Anwohner konnten alle in Sicherheit gebracht werden. „Sie werden derzeit von uns betreut. Verletzt ist niemand, aber für alle Fälle sind auch Rettungssanitäter vor Ort.“ Parallel wurde permanent die Gaskonzentration in der Luft gemessen. „Das Gas verflüchtigt sich in zehn Metern Entfernung vom Austrittsort. Falls die Konzentration zunimmt, können wir den Evakuierungsbereich entsprechend ausweiten.“
Eine Anwohnerin lag krank im Bett, ein Mann wollte „essen und zocken“
Für die Betroffenen wurden es turbulente Stunden. „Ich bin erst spät aufgewacht, weil ich krank bin und Fieber habe. Sie haben an der Haustür gedonnert, uns Bescheid gesagt, dass wir komplett aus dem Haus kommen sollen. Das habe ich natürlich gemacht“, so eine Frau. Ein anderer Nachbar hätte sich seinen Freitag ebenso wenig derartig turbulent vorgestellt. „Ich wollte eigentlich etwas essen und dann zocken.“
Daraus wurde nichts, vielmehr war schnell klar: Dieses Problem werde nicht in kurzer Zeit lösen lassen, eine Sicherung und letztlich auch Reparatur der Unglücksstelle vielmehr bis in den Abend hinein andauern. Wer konnte, fuhr oder ging weg, zu Freunden oder Familie in der Regel. Andere erhielten das Angebot, in der Feuerwache Friedrichsgabe, die sich nur wenige Minuten entfernt befindet, unterzukommen. Dort wurden Getränke und Essen bereitgestellt. Sechs Personen nutzten diese Möglichkeit.
Auch zwei Katzen werden von der Feuerwehr gerettet
Anastasia Heinrich wollte eigentlich zum Trampolin-Training beim Norderstedter SV. „Ich fahre jetzt zu einer Freundin, bei der ich unterkommen kann.“ Alles ging so schnell, dass die 19-Jährige das Katzenpärchen Sunny und Timmy zunächst in der Wohnung zurückließ, erst etwas später zusammen mit einem Feuerwehrmann in Transporttaschen ins Freie trug. Die beiden guckten zwar leicht irritiert, ließen sich aber dann auch bereitwillig streicheln.
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Eine logische Folge des Durcheinander auf den Straßen: Überall versuchten Autofahrer, irgendwie voranzukommen. Denn die Sperrung der Ulzburger Straße mitten in der freitäglichen Rush-Hour war für Norderstedt so etwas wie ein perfekter Sturm, der Verkehr musste östlich und westlich ausweichen. Teilweise passierten vor dem Penny-Markt und dem griechischen Restaurant an der Kreuzung riskante Wendemanöver, manche ließen genervt die Reifen quietschen.
Im Laufe des Nachmittags war zunächst nicht klar, wie lange es dauern würde, ehe nicht nur die Straße wieder freigegeben wird, sondern auch die Menschen wieder nach Hause dürfen. „Es muss ein Spezialtrupp der SH-Netz AG aus Rendsburg kommen, um das Leck zu schließen“, so Fabian Wachtel.
Auch Norderstedts Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder machte sich mehrfach ein Bild von der Lage, informierte ihre Follower auf Instagram und dankt „allen Einsatzkräften unserer Feuerwehr“, dem „Hauptamt und Ehrenamt Seite an Seite“, dem städtischen Betriebsamt, dazu dem Deutschen Roten Kreuz, das sich mit um die Anwohner kümmerte und nicht zuletzt den Bauarbeitern, die unter Hochdruck den Schaden beheben müssen.
Noch am Abend war die Ulzburger Straße zwischen Erlengang und Harckesheyde komplett gesperrt. Hansewerk, das Mutterunternehmen der SH Netz AG, gab um kurz vor 21 Uhr ein Update. Demnach sei eine Fremdfirma verantwortlich, die Arbeiten für den Breitbandausbau durchführte und dabei die Leitung beschädigte, die unterhalb der Fahrbahn der Ulzburger Straße verlaufe.
Gas-Leck an der Ulzburger Straße: Tief in der Nacht war die Gefahr endlich gebannt
Techniker hätten am späten Nachmittag mit der Reparatur begonnen. „Mit Hilfe der sogenannten Stoppeltechnik wird das beschädigte Leitungsstück abgesperrt, um es auszutauschen. Alle Haushalte können über die bestehende Leitung weiter versorgt werden“, hieß es. Allerdings werde es voraussichtlich bis zum frühen Sonnabendmorgen dauern, ehe die Maßnahme abgeschlossen sei, wurde gesagt.
Auf Abendblatt-Nachfrage korrigierte das allerdings Stadtwehrführer Fabian Wachtel. „Die Gefahrenlage wird in Richtung 23 Uhr, 24 Uhr erledigt sein. Gegen Mitternacht können alle Bewohner wieder nach Hause zurück.“ Letztlich dauerte es bis kurz vor 3 Uhr, wiederum die Oberbürgermeisterin postete auf Instagram: „Das Gas ist abgelassen, die Lage ist (ohne Zwischenfälle) sicher, die Anwohnerinnen und Anwohner kehren zurück, die Kameradinnen und Kameraden unserer freiwilligen Wehren rücken ab. Den Evakuierten eine gute Nacht im eigenen Bett & vielen Dank für die Geduld!“ Die Ulzburger Straße werde aber bis „morgen Vormittag voll gesperrt bleiben“.