Norderstedt. Wärmeplan Norderstedt: Bekommt mein Haus Fernwärme? Brauche ich eine Wärmepumpe? Antworten gab es am Mittwoch in der „TriBühne“
Fernwärme? Wärmepumpe? Gas? Die Frage, wie sie künftig ihre Häuser und Wohnungen beheizen, wie sie warm duschen können, bewegt die Menschen in Norderstedt. So kamen jetzt zur zweiten und vorerst letzten öffentlichen Veranstaltung rund um die Wärmeplanung der Stadtverwaltung wieder etwa 150 Bürgerinnen und Bürger in die „TriBühne“.
Dort erfuhren sie von den beauftragten Energieberatern des Hamburg-Instituts, ob für sie der Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadtwerke infrage kommt, ob sie sich eher eine Wärmepumpe anschaffen oder nach anderen Lösungen suchen sollten. Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder begrüßte die Besucher im großen Saal des Rathauses. Auch sie wünsche sich für ihr Haus, dass es für Fern- oder Nahwärmesysteme geeignet wäre, sagte sie. „Aber nicht für alle gibt es die erhoffte Antwort“, bat die Verwaltungschefin um Verständnis.
Wärmeplan: 5100 Haushalte bekommen Fernwärme
Für diese Haushalte würden aber die beauftragten Energieberater und die Stadtwerke passende, alternative Heizsysteme erarbeiten, die mit dem neuen, ab 2028 geltenden Heizungsgesetz konform gingen, das dann für neue Heizungsanlagen einen Anteil von mindestens 65 Prozent der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen vorschreibt: also Fernwärme mit heißem Wasser, Luft- und Erdwärme-Wärmepumpen, die mit grünem Strom betrieben werden, Fotovoltaik, Solarthermie, grüne Gase oder Biomasse.
Auf jeden Fall freue sie sich, dass Norderstedt mit der kommunalen Wärmeplanung schon recht weit fortgeschritten sei, sagte Katrin Schmieder. Wenn sich Ministerpräsident Daniel Günther damit brüste, dass Schleswig-Holstein wegen seiner vielen Windkraftanlagen „das Energiewende-Land Nummer eins“ sei, finde sie: „Norderstedt ist die Energiewende-Stadt im Süden Schleswig-Holsteins.“
8000 Haushalte müssen sich auf Wärmepumpen umstellen
Anschließend erläuterte dann Energieberater Felix Landsberg vom Hamburg-Institut die wichtigsten Ergebnisse, die sie jetzt für die Wärmeplanung Norderstedts in einem Jahr ausgearbeitet haben. Demnach würden 5100 Gebäude in der Stadt für den Anschluss an das Fernwärmenetz infrage kommen. 8000 Haushalte sollten sich darauf einstellen, eher eine Wärmepumpe als eine Heizungsanlage anzuschaffen, stellte Landsberg die Empfehlung an die Verwaltung und Politik Norderstedts vor.
Und für die restlichen 3600 der insgesamt 16.700 Gebäude in Norderstedt, zu denen auch Gewerbebetriebe gehörten, müssten noch andere Lösungen gefunden werden. Diese könnten zum Beispiel in Gebäudenetzen, kalten und konventionellen Nahwärme-Systemen liegen.
20.000 Gaskunden: Fernwärme-Umbau würde 50 Jahre dauern
Ob sich Quartiere in der Stadt für Fernwärmeanschlüsse eignen, habe mit der Länge der Leitungen zu tun, die dafür extra verlegt werden müssten, erklärte Landsberg. Denn: „Die vorhandenen Gasleitungen können für die Fernwärme nicht genutzt werden“, sagte Norderstedts Technischer Werkleiter Nico Schellmann. Darum sei es aufwendig und kostenintensiv, diese Leitungen neu zu verlegen.
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Bei der ersten öffentlichen Veranstaltung zu diesem Thema an gleicher Stelle im November sagte Werkleiter Schellmann: Um alle derzeitigen 20.000 Gaskunden in Norderstedt an das Fernwärmenetz anzuschließen, würde es rein rechnerisch „50 Jahre dauern“. Denn: „Wir schließen zurzeit etwa 400 Häuser im Jahr ans Fernwärmenetz.“ Darum würden die Stadtwerke „priorisieren“ müssen, welche Gebiete oder Quartiere als erstes drankämen. Mit der Expertise vom Hamburg-Institut mit 5100 neuen Fernwärmeanschlüssen würde es in diesem Tempo etwa ein Jahrzehnt lang dauern.
Fernwärme: Langenharmer Weg hat Glück
Energieberater Landsberg hält vor allem jene Gebiete in der Stadt für geeignet, die nahe am vorhandenen Fernwärmenetz lägen und zahlreiche benachbarte Hausanschlüsse in dichtbesiedelten Wohngebieten umsetzen könnten. Dies würde zum Beispiel für das Quartier am Langenharmer Weg/Fritz-Schumacher-Straße/Schinkelring gelten. Das vorhandene Fernwärmenetz am Gymnasium Harksheide wäre nicht weit entfernt und es beträfe fast 1000 Wohneinheiten, erklärte Energieberater Landsberg auf Abendblatt-Nachfrage. Das wäre „eine typische Reihenhaussiedlung, die für Fernwärme in Frage käme.“
Welche Gebiete nun zuerst angeschlossen werden sollen und wie der Zeitrahmen aussehe, müssten Verwaltung und Stadtwerke jetzt mit den politischen Gremien abstimmen und beschließen, so der Energieberater. Sollten dabei die Vorschläge des Hamburg-Instituts übernommen werden, hätte dies für die Bewohner in den geeigneten Fernwärme-Gebieten den Vorteil, dass sie auch über das Jahr 2028 hinaus eine bis zu zehn Jahre währende Ausnahmegenehmigung von ihrem Fernwärmebetreiber erhalten könnten. Sie könnten dann noch solange auf herkömmliche Weise heizen, sofern dieser ihnen bescheinigte, dass sie bald an das Fernwärmenetz angeschlossen würden.
Wärmewende: „Durch den Dschungel führen mit Beratung“
Aber die Stadt dürfe und werde natürlich niemanden im Regen stehen lassen, betonte Landsberg. Darum sollte möglichst rasch im Rathaus eine Anlauf- und Beratungsstelle geschaffen werden, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger über geeignete Heizungssysteme, deren Kosten und Fördermöglichkeiten umfassend informieren könnten. Landsberg bezeichnet eine solche Beratungsstelle als „Wärmewende-Hafen“. „Sie sollte so schnell wie möglich starten“, fordert der Energieberater. „Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger bestmöglich durch diesen Dschungel führen und beraten“, versprach auch Erster Stadtrat und Baudezernent Christoph Magazowski.
Denn für alle Haushalte, die sich eine Wärmepumpe, Solarthermie- oder eine andere regenerativ betriebene Heizungsanlage einbauen lassen möchten, gebe es Zuschüsse vom Bund, die bis zu 70 Prozent der Einbaukosten abdecken könnten. Zu der normalen 30-Prozent-Förderung kämen bis zu 20 Prozent für die hinzu, die dies möglichst rasch noch vor 2028 bewerkstelligten. Weitere 30 Prozent der Kosten könnten gefördert werden, wenn das zu versteuernde Haushaltseinkommen unter 40.000 Euro im Jahr liege.
Fernwärme: Interaktive Karte bald online
Welche Gebiete für Fernwärme oder eher für Wärmepumpen und Nahwärmenetze in Frage kommen, soll demnächst auf einem virtuellen Stadtplan einzusehen sein, der auf der Homepage der Stadt oder Stadtwerke veröffentlicht wird, kündigten Werkleiter Schellmann und Baudezernent Magazowski an. 20 Prozent der Fernwärme solle künftig aus der Abwärme der Rechenzentren sowie weitere 70 Prozent aus Geothermie-Anlagen gespeist werden, erklärte Schellmann. Die restlichen zehn Prozent könnten aus grünen Gasen oder anderen Quellen erzeugt werden.
Der Strombedarf in Norderstedt solle ebenfalls komplett aus erneuerbaren Energiequellen gespeist werden, erklärte Werkleiter Schellmann. „56 Prozent des Norderstedter Strombedarfs wurde 2023 schon aus grünem Strom gedeckt.“