Norderstedt/Cuxhaven. Witwe aus Norderstedt schaltet in Zeitung eine Kontaktanzeige. Es meldet sich ein Dienstleister, der 1785 Euro für Vermittlung nimmt.

  • Für 1785 Euro soll die Witwe unbegrenzt Partnervorschläge erhalten.
  • Bald bekommt die Rentnerin Zweifel und möchte ihr Geld zurück.
  • Anbieter verweigert Rückgabe – Verbraucherzentralen bewerten den Fall.

Eine 80 Jahre alte Frau aus Norderstedt leidet unter ihrer Einsamkeit, besonders abends, wenn sie allein ihn ihrer Wohnung sitzt. Sie möchte, gut vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes, wieder einen Menschen an ihrer Seite haben. Nach vielem Nachdenken und Zweifeln überwindet sie sich, gibt eine Chiffre-Kontaktanzeige im Hamburger Abendblatt auf.

Wer ihr aber schreibt, sind nicht alleinstehende Rentner, sondern es ist ein kommerzieller Anbieter aus Cuxhaven. Was dann folgt, ist nicht das Ende der einsamen Abende. Stattdessen macht die Rentnerin eine Erfahrung, die sie als sehr negativ und demütigend empfindet. Die sie fast 2000 Euro kostet und vor der sie andere warnen möchte.

Dating für Senioren: 80-Jährige bezahlt Partnervermittler – und bereut es schnell

Es ist eine Geschichte über Einsamkeit, über bestimmte Geschäftsmethoden und über Verbraucherschutz. Und es ist eine Geschichte, von der es zwei Versionen gibt. Der kommerzielle Partnervermittler nämlich, der sich viel auf seine „langjährige Erfahrung“ zugutehält, wähnt sich im Recht und droht seinerseits der Rentnerin und auch dem Hamburger Abendblatt mit rechtlichen Schritten.

Die Geschichte beginnt im März, als die Rentnerin die Kontaktanzeige aufgibt. „Ich hatte mich so allein gefühlt. Besonders abends, das hatte auch mit der Jahreszeit zu tun. Da fragt man sich dann, ist das jetzt alles im Leben gewesen“, so die Rentnerin, die nicht mit Namen genannt werden möchte. „Es ging mir einfach nur darum, mal jemanden zu haben, mit dem man vielleicht ins Theater gehen, oder an die Ostsee fahren kann. Ganz bodenständig. Ich möchte ja nicht mit dem Traumschiff fahren“, sagt sie.

Auf ihre Chiffre-Anzeige bekommt die Rentnerin Post von einer Partnervermittlung

Wenig später bekommt die Rentnerin Post, und zwar vom „Partner- und Seniorenkreis Lackmann“ aus Cuxhaven. In dem Anschreiben steht, dass dieser „bereits seit 1985 Partner suchende Damen und Herren ab 60 Jahre“ berate und betreue. Davon, über „Privatanzeigen in Zeitungen“ oder auch „im Internet“ sein Glück zu versuchen, rate man ab.

Viele Damen „wurden dabei häufig schwer enttäuscht oder sogar geschädigt“, heißt es. Bei privaten Partnerschaftsanzeigen wisse man nie, an wen man gerate. Den Medien sei zu entnehmen, dass „oft sogar Kriminelle (Heiratsschwindler) und Männer mit perversen Neigungen“ hinter Privatanzeigen oder Internet-Offerten“ stünden.

Anschreiben: „Wir trennen die Spreu vom Weizen“

Die Firma Lackmann hingegen könne einem solche Erfahrungen ersparen. Denn dort könne man „den ordentlichen, ehrlich und aufrichtig Suchenden von anderen Personen“ unterscheiden. Das passiere durch ein „ausführliches Informations- und Beratungsgepräch“. Durch die „langjährige Tätigkeit“ und die daraus gewonnene Erfahrung und Menschenkenntnis“ könne man sich ein genaues Bild der Kandidaten machen. „Wir trennen die Spreu vom Weizen“, heißt es.

Nach einigem Überlegen meldet sich die Rentnerin bei dem „Seniorenkreis“, telefoniert mit Geschäftsführer Günter Lackmann. „Er wirkte sympathisch, sehr nett“, schildert sie. Ihr sei gesagt worden, dass sie für eine einmalige Gebühr – 1500 Euro plus Mehrwertsteuer, also insgesamt 1785 Euro – unbegrenzt Partnervorschläge erhalten könne. „Ich habe dann eingewilligt und geschildert, dass ich einen Mann in meinem Alter kennenlernen möchte, der in meinem Umkreis wohnt. Später hat Herr Lackmann mir per E-Mail seine Kontonummer geschickt und ich habe dann auch 1785 Euro überwiesen“, sagt die Rentnerin.

Von einer Widerrufsfrist habe Lackmann am Telefon nichts gesagt. Aber er habe versichert, „sofort“ aktiv zu werden, sobald das Geld auf seinem Konto sei.

Rentnerin schildert Treffen mit Senior, das sie als unangenehm empfand

Das passierte auch: Wenig später, Anfang April, erhält die Rentnerin einen Brief mit zwei Kontaktvorschlägen. Mit einem 77 Jahre alten Mann aus ihrer Umgebung trifft sie sich in einem Café. Und macht eine Erfahrung, die sie als negativ empfindet, die aber Günter Lackmann später etwas anders einordnen wird. Die Seniorin erzählt: „Der Mann war ungepflegt, auch etwas seltsam im Benehmen. Er sagte, man könne gleich zu ihm fahren, um sich einen gemütlichen Nachmittag zu machen“, sagt sie. „Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet.“

Danach rief sie Günter Lackmann an, der erst einmal mit Verständnis reagiert: „Er war entrüstet und sagte, wolle den Mann sofort aus seiner Kartei streichen. Und ich bekäme andere Vorschläge.“

Weitere Kandidaten wohnen eine oder eineinhalb Autostunden entfernt

So war es auch. In einem weiteren Brief fand die Norderstedterin die Kontaktdaten von zwei anderen Männern. Nur: Der eine war 71, also neun Jahre jünger als sie. Der andere wohnte in dem 1,5 Autostunden entfernten Heide. Schon mit der ersten Post hatte der Seniorenkreis Lackmann einen Kandidaten empfohlen, der in Itzehoe wohnt – von Norderstedt eine Stunde mit dem Auto entfernt, was die Kontaktaufnahme beziehungsweise die Pflege einer Verbindung im hohen Alter nicht gerade erleichtert. Für die Norderstedterin kamen all diese Vorschläge nicht infrage.

„Ich habe Herrn Lackmann dann angerufen und gefragt, ob er mich denn richtig verstanden habe“, erzählt sie. Da war der Partnervermittler dann nicht mehr so freundlich: „Er hat mir erklärt, ich müsse flexibler sein. Und später sagte er dann, ich sei wohl nicht vermittelbar und hat einfach den Hörer aufgelegt.“

Die Rentnerin bekommt Zweifel und fordert ihr Geld zurück

Die Rentnerin entwickelt nun große Zweifel, ob diese Partnervermittlung die richtige für sie ist – und fordert ihr Geld zurück. Der Geschäftsführer des Seniorenkreises antwortet per E-Mail. Darin äußert er sein Unverständnis darüber, dass die vier Kandidaten für sie nicht infrage kamen. Aber das Geld könne nicht zurückerstattet werden, es sei eben eine „einmalige Pauschalgebühr“ vereinbart worden, „Rück- und Nachforderungen“ seien daher ausgeschlossen. Außerdem habe er ja bereits mit seinen vier Kontaktvorschlägen eine Leistung erbracht. Die Vermittlung sei auf den Wunsch der Norderstedterin beendet worden. „Aus Gründen der Kulanz“ gebe er ihr aber Gelegenheit, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Die Norderstedterin wendet sich stattdessen ans Abendblatt. Es geht ihr nicht so sehr darum, ihr Geld wiederzubekommen. Aber sie möchte von ihren Erfahrungen erzählen, sie publik machen. „Man fühlt sich richtig missbraucht“, sagt sie. „Und man schämt sich, dass man ein Stück von seinem Inneren offenbart hat, nämlich den Wunsch, nicht allein zu sein.“

Eine Adresse in Cuxhaven und eine Google-Rezension

„Partner- und Seniorenkreis Lackmann“, was verbirgt sich dahinter? Im Netz ist das Unternehmen zu finden, es hat unter www.partner-seniorenkreis.de eine etwas antiquiert anmutende Webseite. Bei Google Maps findet sich unter der Cuxhavener Adresse des „Partner- und Seniorenkreises Lackmann“ zusätzlich noch ein Nagelstudio, das die Frau von Günter Lackmann betreibt.

Und dann gibt es auch eine einzige Online-Rezension, die sich auf die Partnervermittlung bezieht. „Hier werden Senioren abgezockt“, schreibt eine Google-Nutzerin. Dass sich Kunden abfällig auf Google Maps äußern, weil sie unzufrieden sind, kommt bei vielen Betrieben vor, etwa auch bei Restaurants und Arztpraxen. Üblicherweise fügt sich so etwas sich allerdings in ein Feld von positiven, neutralen und negativen Rezensionen ein, das ist hier nicht der Fall.

Am Telefon ist Günter Lackmann freundlich und jovial – erst einmal

Wir rufen beim „Partner- und Seniorenkreis Lackmann“ an, bitten Günter Lackmann um eine Stellungnahme. Der ist zuerst auch freundlich, wirkt wie ein jovialer, älterer Herr. Dass die Norderstedterin seine Kundin war beziehungsweise ist, bestätigt er. Dass es mit der Vermittlung bisher nicht geklappt habe, führt er aber auf sie selbst zurück: „Was die Leute aus den Vorschlägen machen, darauf hat keine Partnervermittlung der Welt einen Einfluss.“

Er räumt ein, dass er tatsächlich „ein bisschen mit der Kundin aneinandergeraten“ sei. „Ich habe ihr gesagt, sie muss ein bisschen flexibler sein“, so Lackmann. Das betont er auch jetzt. Neun Jahre Unterschied spielten in dem Alter doch keine Rolle, man müsse sich eben erstmal treffen, sich sehen, kennenlernen. Und das sei auch gut möglich, wenn die Entfernung etwas größer sei, meint Herr Lackmann: „Ich mache das seit 1985. Heute haben doch auch die meisten Frauen einen Führerschein.“

1785 Euro sei ein „Bruchteil dessen, was andere Vermittlungen nehmen“

Dass sich einer der Männer merkwürdig verhalten habe, habe dieser gegenüber Günter Lackmann bestritten. Der betreffende Herr sei vielleicht „einfach nervös“ gewesen, meint Lackmann. Außerdem habe „keine andere Dame“, die ihn getroffen hat, von Fehlverhalten berichtet. Aber er wolle die Darstellung der Norderstedterin auch gar nicht in Abrede stellen.

Auf die einmalige Pauschalgebühr in Höhe von 1785 Euro angesprochen, sagt Günter Lackmann: „Das ist ein Bruchteil von dem, was andere Partnervermittlungen erheben.“ Er findet, das sei eine „faire Offerte“, zumal ja jeder Kunde und jede Kundin einen unbegrenzten Anspruch auf immer neue Vorschläge habe, wenn es mal nicht passe. Und: „meistens sind wir erfolgreich“, so Lackmann.

Vollkommen normal findet Günter Lackmann, dass seine Firma Personen anschreibt, die eine Chiffre-Anzeige in der Zeitung geschaltet haben – und eigentlich mit privaten Zuschriften rechnen. „Früher haben wir Anzeigen geschaltet, inzwischen reagieren wir auf Anzeigen“, sagt er dazu.

Plötzlich wird die Stimme von Günter Lackmann drohend

Das Gespräch nimmt eine Wendung, als wir Lackmann zu seinem Unternehmen befragen. Ob es Angestellte habe, und falls ja, wie viele, möchten wir wissen. Und ob er etwas dazu sagen könne, wie viele Senioren er denn in seiner Kartei habe. Das sei eine „relativ hohe Zahl“, sagt Lackmann. Aber die „aktualisiert sich jede Woche“. Mehr will er nicht sagen, auch weitere Fragen zu seiner Firma nicht beantworten.

Seine Stimmlage ändert sich, wird drohend: Ob die Zeitung „nichts anderes zu schreiben“ habe, fragt er. Und dass man im Fall der Fälle mit einer Klage rechnen müsse. Einen Fernsehsender habe man schon mal verklagt, und recht bekommen. Ähnlich sei es mit der negativen Bewertung auf Google Maps. Dahinter stecke die „Erbin“ einer längst verstorbenen Seniorin, auch sie habe man wegen der negativen Bewertung verklagt, sie müsse sich auf eine Schadenersatzzahlung in fünfstelliger Höhe einstellen.

Später fängt sich Lackmann wieder, fällt in den eher jovialen Tonfall zurück, in dem er schon mal Dinge „von Mann zu Mann“ sagt. Er betont seine langjährige Erfahrung als Partnervermittler, wobei er Gespräche mit Kandidaten inzwischen nur noch telefonisch führe. Aber von seinen Fähigkeiten ist er überzeugt: „Wer bei uns nichts findet, der muss selber schauen, woran das liegt.“ Manche seien eben „nicht vermittelbar.“ Die Norderstedterin, versichert er, werde weitere Partnervorschläge von ihm erhalten. „Sie bleibt in der Vermittlung.“ Dass sie von ihm aber kein Geld zurück erhalten werde, bekräftigt er auch gegenüber dem Abendblatt: „Mit Sicherheit nicht“, sagt er.

Wie Experten von Verbraucherzentralen die Sache bewerten

Etwas anders sehen das Experten von zwei Verbraucherzentralen. „Aus meiner Sicht handelt es sich um einen sogenannten Fernabsatzvertrag. Da gilt eine Widerrufsfrist von 14 Tagen. Wenn die Kundin darüber aber nicht belehrt worden ist, verlängert sie sich automatisch um ein Jahr“, sagt Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Auch Markus Hagge, Jurist bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen, sagt, dass es sich hierbei um einen telefonisch geschlossenen, sogenannten Fernabsatzvertrag handelt. Und es gelte in diesem Fall, wenn nicht über ein Widerrufsrecht belehrt worden sei, eine Widerrufsfrist von einem Jahr und zwei Wochen. „Die Dame könnte also innerhalb dieser Frist widerrufen und ihr Geld zurückfordern“, sagt Hagge.

Den Einwand des Partnervermittlers, er habe ja schon mit den vier Vorschlägen seine Leistung erbracht, lässt er nicht gelten. Hagge: „So geht es nicht.“ Ein Widerrufsrecht gelte trotzdem und das Geld müsse dann auch entsprechend zurückerstattet werden. So sieht es auch Julia Rehberg: „Der Partnervermittler bekommt keinen Wertersatz für seine Leistung, weil er die Kundin nicht am Telefon über die Frist belehrt hat. Er bekommt also nichts.“

Wie Günter Lackmann die Sache mit der Widerrufsfrist sieht

Anders sieht das Günter Lackmann. Bei ihm gebe es „keine Widerrufsfrist“, bekräftigt er. Nach dem Gespräch mit dem Abendblatt bekommt die Rentnerin, die bis dato nichts mehr von der Partnervermittlung gehört hatte, eine E-Mail von ihm. Er nimmt Bezug darauf, dass sie mit der Zeitung gesprochen habe. Von nun an werde er nur noch schriftlich mit ihr kommunizieren, außerdem droht er rechtliche Schritte gegen sie an.

Den Standpunkt der Juristen der Verbraucherzentrale kennt die Rentnerin mittlerweile. Sie überlegt noch, was sie tun soll – und ob es ihr die Sache wert ist, sich unter Umständen auf ein Gerichtsverfahren einzulassen.

Referentin für Verbraucherrecht: „Damit wird versucht, Angst bei Seniorinnen aufzubauen“

Nicht alles, das betonen auch die Expertinnen und Experten der Verbraucherzentrale, ist rechtlich anfechtbar. Beanstandungswürdig finden sie manches dennoch. So unterstreicht Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Dass so ein Vertrag nur am Telefon geschlossen wird, ist wirklich sehr, sehr merkwürdig.“

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Das erste Anschreiben, das die Seniorin bekam, hat Tiana Schönbohm bewertet, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Sie sagt: „Damit wird versucht, Angst bei Seniorinnen aufzubauen.“ Das sei den Verbraucherschützern indes „leider schon untergekommen. So sei es auch bei der Art der Kontaktaufnahme: „Wir kennen es leider, dass kommerzielle Anbieter auf Chiffre-Anzeigen antworten.“

Rat an ältere Menschen: „Auf jeden Fall vorher mit Angehörigen oder Freunden sprechen“

Schönbohm rät Seniorinnen und Senioren, „auf jeden Fall auf der Hut“ zu sein und „auf jeden vorher Fall mit Angehörigen oder Freunden zu sprechen“, bevor man sich für eine Partnervermittlung entscheidet. „Manchmal hilft es auch, auf Erfahrungen anderer zurückzugreifen.“ Die Verbraucherzentralen, betont sie, beraten auch zu diesem Thema und prüfen entsprechende Verträge. Schönbohm: „Es gibt leider viele schwarze Schafe.“

Julia Rehbergs Rat an einsame Seniorinnen und Senioren ist folgender: „Lieber selbst suchen, auf Reisen, Ausflügen oder Freizeitveranstaltungen.“