Bad Segeberg. Unwetter verzögerte Show der Schlager-Ikone in der Kalkbergarena. Dann zeigte der „Kaiser“, warum er zu den Großen seines Fachs zählt.
Die Wetter-App hat kläglich versagt. Die beiden riesigen Gewitterwolken, die eigentlich an Bad Segeberg vorbeiziehen sollten, treffen sich Sonntagabend ausgerechnet über der ausverkauften Freilichtbühne am Kalkberg, in der 9.500 Fans mit Roland Kaiser den Auftakt seiner Jubiläumstour „RK50. 50 Jahre – 50 Hits“ feiern wollen.
Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn schüttet es wie aus Kübeln. „Warum hab‘ ich nicht nein gesagt“, singt ein etwas verzweifelter und bis auf die Haut durchnässter Mann im Eingangsbereich. Und in der Arena tanzt ein Fan die mehr als 50 Stufen hinunter zum Mittelgang durch den Regen und singt „Extreme“.
Roland Kaiser am Kalkberg: Unwetter zum Auftakt
Dann allerdings blinkt auf der Großbildleinwand „Konzertbeginn verzögert sich“ auf. Fast zeitgleich zum Donner kracht ein stark sichtbarer Blitz über dem Felsen nieder. Feuerwehr und Sicherheitskräfte evakuieren etwa 900 Menschen aus dem Innenbereich vor der Bühne, wo das Entwässerungssystem dem Starkregen kaum noch Stand halten kann.
Die Wege verwandeln sich in schlammige Pfützen. Sandsäcke werden zum Schutz von Technik und Innenräumen durch die Arena getragen. In Regenponchos gehüllt, sitzen die Fans auf den Rängen und warten geduldig.
45 Minuten Verzögerung. Dann kommt Zarathustra
Unter ihnen sind auch Anja und Diana aus Scharbeutz, die ihre gute Laune nicht verlieren, auch wenn sie sich gerade an ein Roland-Kaiser-Konzert vor mehr als 20 Jahren erinnern, das tatsächlich abgesagt wurde: „Damals war in einer Halle die Sprinkleranlage angegangen, aber hier braucht man ja gar keine Anlage, hier kommt das Wasser ganz von allein.“
Mit 30 Minuten Verspätung dann endlich die ersehnte Durchsage: Das Unwetter hat sich verzogen, der Bereich vor der Bühne ist wieder freigegeben. Noch zehn Minuten, dann gehen auf der Bühne die riesigen Scheinwerfer an und Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ dröhnt hymnisch durch die Lautsprecher.
Goldener Vorhang vor dem Schlager-Gigant
Der goldene Vorhang fällt – und da steht er wie eine Ikone: Roland Kaiser. Der Schlager-Gigant, stilvoll im Anzug, singt mit kraftvoll markanter Stimme „Gut, dass Ihr da seid“. Er hatte seit seinem Sound-Check am frühen Nachmittag mitgefiebert, ob das Konzert stattfinden wird und ist sichtlich erleichtert: „Das sieht doch gut aus. Genauso schön haben wir es jetzt gemeinsam – und wir lassen uns Zeit dabei.“
Was dann kommt, ist ein emotionaler und rockiger Ritt durch 50 Jahre Bühnenpräsenz, denn der heute 72-jährige Kaiser startete seine Karriere im Jahr 1974. „Wenn ich an den Beginn meiner Karriere denke, dann weiß ich genau, es war zum Anfang nicht wirklich erfolgreich. Meine Platten waren eher so Ladenhüter, blieben ungehört. Aber ich wollte nicht aufgeben, und 1976 hatte ich den ersten Hit in meinem Leben, und mit dem würde ich gerne eine Reise durch die Zeit mit euch gemeinsam beginnen.“ Er sagt es und singt „Frei, das heißt allein“, begleitet von einer fantastischen Live-Band.
Roland Kaiser: Bescheidener Star mit Demut
Und eben das ist so besonders an diesem Abend: Da steht nicht ein Künstler im Mittelpunkt, sondern ein bescheidener Star, der sich immer wieder vor seiner Band und den Menschen verneigt, die ihm aus dem Rund der Arena zujubeln.
Da steht kein Platzhirsch, der sich im Scheinwerferlicht sonnt, da steht einer, der weiß, wie hart der Weg nach oben ist. Sichtlich gerührt ist Roland Kaiser, als er sich, auf einem Stuhl sitzend, an den Song erinnert, mit dem alles begann.
Roland Kaiser emotional: Erinnerungen an Elvis Presley
„Es was die einzige Nummer 1 von Elvis Presley hier in Deutschland. Und es war nicht einmal ein typischer Titel des King of Rock’n’Roll, sondern ein Song mit starker Kritik an menschenunwürdigen Zuständen und starker Empathie für Menschen, die im Schatten leben. Für mich hat der Titel eine besondere Bedeutung, ich habe den Song damals gesungen, als ich mich bei meinem Produzenten vorgestellt habe. Und ich habe daraufhin meinen ersten Künstlervertrag unterschrieben.“
- Roland Kaiser heute in Bad Segeberg: Wie er 50 Lieder spielen will
- Mehr als 9000 Besucher feiern die Schlagernacht am Kalkberg
- Dieter Thomas Kuhn: Schlager, Föhnfrisuren, fliegende Slips
- Volksfest am Kalkberg: Andreas Gabalier im „Dirndl-Wahnsinn“
Dann singt er ihn: „In the Ghetto“ und erinnert sich vielleicht an seinen eigenen sehr dramatischen Start ins Leben, denn seine noch minderjährige Mutter hatte ihn in einem Korb ausgesetzt. Roland Kaiser wuchs in Berlin-Wedding bei einer Adoptivmutter auf, die jedoch starb, als er noch ein Teenager war.
Kaiser-Songs, die vom Schicksal erzählen
Immer wieder spürt man in Kaisers Songs die Anlehnungen an sein eigenes Leben. An den Mut, immer weiterzumachen, sich nicht leidzutun, nicht aufzugeben. Kaiser, der an COPD erkrankt war und sich 2010 einer Lungentransplantation unterzog, kämpfte sich damals ins Rampenlicht zurück und setzt sich bis heute für zahlreiche soziale Projekte ein.
Neben Songs wie „Ein Ende kann ein Anfang sein“ oder „Liebe kann uns retten“, zu dem seine Fans weiße Tücher schwenken, sind es auch immer wieder Lieder über Lust und Leidenschaft, die so typisch für ihn sind – von „Joana“ bis „Amore Mio“ oder „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben.“ Ein bisschen zweideutig, ein bisschen frivol.
Nach dem Unwetter herrscht „Kaiserwetter“
Inzwischen ist längst die Sonne wieder über dem Kalkberg erschienen. Ein bisschen fühlt es sich an, als würde es dampfen. „Santa Maria“, „Hab‘ ich zu viel riskiert“, „Ich hab dich tausendmal geliebt“… Die Fans singen textsicher mit. Und Roland Kaiser, der ja an einem einzigen Abend 50 Lieder singen möchte, beruhigt sie, dass sie dennoch zuhause und nicht in der Kalkberg-Arena übernachten müssen. Er habe viele der Lieder auf den Punkt gebracht, viele davon in Medleys zusammengefasst.
So richtig gehen lassen will den Star auch nach dem 50. Lied dann niemand. Für Roland Kaiser ein Gefühl, dass ihm Mut macht, auch auf die nächsten zehn Jahre zu blicken: „Das fordert mich ja geradezu auf, auch mein 60. Jubiläum mit euch zu feiern“, sagt er und schaut auf ein Meer feiernder Menschen, darunter sehr viele junge Leute, die jeden Text mitsingen können.
„Diese Tour ist für mich etwas ganz Besonderes, und ich danke euch von Herzen für eure Unterstützung und Liebe.“ Und dann? Lacht die Sonne – und irgendwie scheint jeder der 9.500 Fans froh zu sein, die ersten 45 Minuten so tapfer ausgeharrt zu haben. Sonst hätten sie einen sehr besonderen Abend verpasst.
Regen-Chaos bei Roland Kaiser: Verzögerung um 45 Minuten
Die Verlegung des Konzertbeginns war übrigens nicht ohne Weiteres möglich. Denn am Kalkberg gelten am Sonntag klare Regeln, die mit Rücksicht auf die Anwohnerinnen und Anwohner an der Kalkbergarena eingehalten werden müssen. Erst nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung Bad Segebergs konnte schließlich grünes Licht für die de facto Ausweitung des Konzertabends gegeben werden.
Es handelte sich bei dem Kaiser-Konzert auch um das letzte der Kalkberg-Konzerte-Serie in diesem Jahr mit Montez, der Schlagernacht, Dieter Thomas Kuhn, Santiano und Andreas Gabalier. Der Veranstalter Förde Show Concept musste am Ende von Kaisers Auftritt die Bühne komplett abbauen und die Arena für die Karl-May-Spiele wieder frei machen. Denn von nun an stehen die Proben für Winnetou und Co am Kalkberg an.