Bad Segeberg. Der Retro-Schlagerbarde begeistert mit Konzert mehr als 6000 feiernde Fans. Warum es am Abend in der Kalkberg-Arena noch voller wird.

Manchmal holt einen die Vergangenheit ein. Die Titelmusik von Peter Frankenfelds „Musik ist Trumpf“, der hektisch sprechende Dieter Thomas Heck, elterliche Partys und die Erkenntnis, eigentlich gar nichts anderes zu kennen als – genau: Schlager!

Was folgt sind 30 Jahre erfolgreiches Verdrängen, krampfhaftes Suchen nach einem eigenen Musikgeschmack und dann jüngst dieser Moment, wenn man zwischen mehr als 6000 feiernden Menschen in der Freilichtbühne am Segeberger Kalkberg steht und plötzlich „Musik ist Trumpf“ aus den Lautsprechern dröhnt. Oben auf der Bühne erscheinen Männer mit Föhnfrisuren, einer davon mit buschigem Brusthaartoupet, goldenem Mikrophon, markanter Nase und blonder Innenrolle: Dieter Thomas Kuhn.

Dieter Thomas Kuhn: Emotionale musikalische Zeitreise mit Flower-Power

Der Gott des Schlager-Revivals glitzert farbenfroh mit seinem Publikum um die Wette, denn die aus allen Alters- und Bevölkerungsgruppen stammenden Menschen, die zwischen Felsen und Westernkulisse „Ein Festival der Liebe“ feiern, könnten bunter nicht sein: Männer in schillernden Pailletten-Anzügen, Frauen im Flower-Power-Look, zu sehen sind Lackstiefel und Plateauschuhe, Hosen mit Schlag, orange getönte Herzchen-Brillen, wilde Vokuhila-Perücken, Föhnwellen, Sonnenblumen, Peace-Ohrringe…

Vorfreude auf das Konzert: Karsten, Susanne, Chris, Louisa und Frauke (v.l.) posen mit dem Dieter Thomas Kuhn aus Pappe.
Vorfreude auf das Konzert: Karsten, Susanne, Chris, Louisa und Frauke (v.l.) posen mit dem Dieter Thomas Kuhn aus Pappe. © Tanja Breukelchen | Tanja Breukelchen

„Wir gehen mindestens einmal im Jahr zu einem seiner Konzerte“, sagen Susanne und Karsten aus Lübeck, die sich kurz vor der Show noch mit dem Dieter Thomas Kuhn aus Pappmaschee vor dem Haupteingang hatten fotografieren lassen. „Wir waren auch in Berlin und in Hamburg – und sind jetzt natürlich in Bad Segeberg.“

Schlagerbarde war vor 50 Jahren schon einmal in Bad Segeberg

Eine Premiere, auch für Dieter Thomas Kuhn, der gleich nach dem Anfangs-Jubel bekennt: „Es war ganz komisch, als ich heute hergekommen bin, weil mein letzter Besuch hier in dieser Arena – ich weiß, ihr glaubt es nicht – 50 Jahre her ist. Ich glaube, ich war neun, und da war ich hier bei Winnetou, und es war natürlich ein unglaubliches Erlebnis.“

So ungefähr diese 50 Jahre zurück waren es auch, die er seine Fans mit auf Zeitreise nahm: von Peter Alexanders „Die kleine Kneipe“ über Udo Jürgens‘ „Griechischer Wein“ bis zu Rex Gildos „Fiesta Mexikana“.

Leichte Verwirrung: Plötzlich fliegt ein Schlüpfer auf die Bühne

Dazwischen gab es kurze, knackige Moderationen mit zweideutigen Witzen und einem kleinen Moment der Verwirrung: Als Dieter Thomas Kuhn nämlich gerade ansetzen wollte, etwas zu erzählen, wirft ihm ein Mann einen Schlüpfer auf die Bühne. Stille und eine kurze Begutachtung des zierlich zarten Kleidungsstücks: „Männer haben mir ja häufiger schon Slips auf die Bühne geworfen, aber dann eher aus Feinripp und mit Bremsspur – aber so etwas hatte ich noch nie.“ Es flog übrigens noch mehr Wäsche...

Mehr als 6000 bunt gekleidete Fans tanzten und sangen zu Retro-Schlagern und feierten in Bad Segeberg „Ein Festival der Liebe“.
Mehr als 6000 bunt gekleidete Fans tanzten und sangen zu Retro-Schlagern und feierten in Bad Segeberg „Ein Festival der Liebe“. © Tanja Breukelchen | Tanja Breukelchen

Dann wieder Hits, bis sich hinter der Bühne der Himmel zum Sonnenuntergang rötlich färbt. „Am Tag, als Conny Kramer starb“, „Michaela“, „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, „Tanze Samba mit mir“… Plötzlich die eigenen Erinnerungen an früher. An Büfetts mit Käse-Igeln, an Spargelröllchen und Tomatenpilze. Jeder Text ist vertraut, jede Melodie ein Schwall schöner Erinnerung. So geht es auch Steffi, Martin, Carmen, Jürgen und Manfred, die ihre Perücken richten und erzählen, dass sie schon als Kinder diese Musik gehört haben: „Die war einfach da und ist geblieben.“

Dieter Thomas Kuhn: Hits aus vergangenen Zeiten begeisterten sogar Gäste im Restaurant

Melodien, die mitwachsen. Und ansteckend sind. Denn als Dieter Thomas Kuhn und seine Band von den „Zugabe“-Rufen der Fans noch einmal auf die Bühne zurückgejubelt wurden und dort Umberto Tozzis Liebeslied „Ti Amo“ sangen, fingen auch die Gäste auf der Terrasse des italienischen Restaurants ein paar Straßen weiter an zu singen. Die allerdings verpassten den Blick auf die Bühne, auf der immer wieder neue Details zu entdecken waren, ganz abgesehen von Feuerwerk und Lichteffekten. Da landete zum Beispiel durch visuelle Effekte gleich ein ganzes Flugzeug, aus dem Dieter Thomas Kuhn ausstieg und „Über den Wolken“ sang.

Wieder ist jeder Text abrufbar. Wieder Erinnerungen. Und dieses nostalgische Retro-Gefühl. Wo kann man sich bloß diese coolen Schlaghosen kaufen? Und wo gibt es eigentlich diese Glitzersachen? – Manchmal holt einen die Vergangenheit ein. Und das fühlt sich richtig gut an.

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