Norderstedt. Nach Fall der Strafgebühren für Flüge zwischen 23 und 24 Uhr am Flughafen Hamburg fordert Norderstedter Fraktion den Schutz der Bürger.

Für die Aktivisten im Kampf gegen den Fluglärm vom Flughafen Hamburg war es ein schwerer Rückschlag, als im März die Strafgebühren für Flugzeuge fielen, die zwischen 23 und 24 Uhr starten oder landen wollen. Das Verwaltungsgericht Hamburg wies darauf hin, dass dafür die Rechtsgrundlage fehle. Und Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan stellte das Erheben von Ordnungsgeldern sofort ein.

Davor mussten Airlines für Flüge nach 23 Uhr – zusätzlich zu den Nachtzuschlägen des Flughafens – noch eine Gebühr von 500 Euro an die Hamburger Umweltbehörde überweisen, die für die Nachverfolgung der Gründe für die Verspätung und deren Vermeidbarkeit erhoben wurden.

„Seither ist es um dieses Thema sehr ruhig geworden“, sagt Gunnar Löwe von der Fraktionsgemeinschaft Wir in Norderstedt (WiN) und Freie Wähler (FW) in der Norderstedter Stadtvertretung. Der Kommunalpolitiker und seine Kolleginnen und Kollegen wollen die Ruhe um den nächtlichen Lärm am Himmel aber nicht länger akzeptieren.

Fluglärm Norderstedt: Kein Flug ohne Ausnahmegenehmigung

Die Forderung von Win/FW ist klar: Kein Flugzeug sollte am Hamburger Flughafen zwischen 23 und 24 Uhr abheben oder landen dürfen, solange es keine kostenpflichtige Ausnahmegenehmigung von der Behörde für Umwelt und Energie in Hamburg hat. Diese strikte Regelung gilt bereits für die Flüge zwischen 0 und 6 Uhr.

Die Kosten für die Genehmigung würde dann die ohnehin hohen Kosten für späte Starts und Landungen wieder empfindlich erhöhen. Zum Verständnis: Ein Airbus 320-200 bezahlt pro Start und Landung am Hamburger Flughafen zwischen 6 und 21.59 Uhr 388 Euro. Zwischen 22 und 22.59 Uhr kommt ein Nachtzuschlag von 582 Euro hinzu.

Flughafen Hamburg. Starten und Landen nach 23 Uhr wird teuer

Dieser steigt nach 23 Uhr drastisch im Viertelstundentakt: Bis 23.14 Uhr werden 1358 Euro erhoben, dann 1553 Euro, dann 1747 Euro und in der letzten Viertelstunde vor Mitternacht 2135 Euro. Wer zwischen 0 und 5.59 Uhr kommt oder geht, zahlt 2717 Euro pro Start und Landung. Pro Flugbewegung zwischen 23 und 24 Uhr liegen die Kosten also insgesamt zwischen 1747 und 2523 Euro, nach Mitternacht bei 3105 Euro.

Je größer die Maschine, desto höher die Gebühren. Wenn eine Airline mit einer Boeing 777-300 in Fuhlsbüttel verspätet nach 23 Uhr startet oder landet, liegen die Gebühren plus Nachtzuschläge des Flughafens Hamburg zwischen 6813 und 9841 Euro, nach Mitternacht bei 12.112 Euro.

Die Norderstedter wollen, dass es den Fluggesellschaften finanziell noch stärker wehtut, wenn sie ihre Maschinen in den Nachthimmel über Norderstedt schicken. Es sei das einzige Druckmittel zur Durchsetzung der Nachtflugbeschränkung, das bleibe. Die Fraktionsgemeinschaft fordert in einem Antrag an den Umweltausschuss in Norderstedt die Stadtverwaltung dazu auf, sich in der Fluglärmschutzkommission für die Ausweitung der Ausnahmegenehmigungs-Regelung auf 23 Uhr einzusetzen.

Fluglärm: Nur Gebühren sorgen für Druck

Win/FW erinnert die Stadt in ihrem Antrag daran, dass sie die Bürgerinnen und Bürger „vor vermeidbarem Fluglärm in der Zeit von 23 Uhr bis 24 Uhr zu schützen habe“. In dem Antrag fordert die Fraktionsgemeinschaft Informationen aus der Fluglärmschutzkommission zu den bereits existierenden Maßnahmen. „Dabei interessieren besonders die Prüfverfahren und Regelungen zur Feststellung nachweislich unvermeidbarer Verspätungen und die bei vermeidbaren Verspätungen entstehenden Sanktionen, erhöhten Gebühren und Entgelte.“

Mehr aus der Region

„Wir wissen, dass es schwer ist, bezüglich der Durchsetzung der Nachtflugbeschränkungen, Einfluss auf den Flughafen Hamburg und die dahinter stehende Stadt Hamburg zu nehmen“, sagt Gunnar Löwe. „Dies darf aber nicht dazu führen, aufzugeben, sondern muss dazu motivieren, Wege zu finden, um unsere Bürgerinnen und Bürger vor nächtlichem Fluglärm zu schützen. Wir von der WiN werden in unserer Fraktionsgemeinschaft mit den Freien Wählern jedenfalls alles dafür tun, das Thema aktuell zu halten.“

Politiker befürchten Zunahme der Nachtflüge nach 23 Uhr

Löwe kündigt an, dass sich die Fraktion mit der Abteilung Umwelt des Flughafens Hamburg treffen wolle, um sich die Maßnahmen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm erklären zu lassen. „Natürlich werden wir in dem Gespräch auch die aktuelle Anzahl der Flugbewegungen zwischen 23 und 24 Uhr und die Entwicklung im Vergleich zu vor der Einstellung der Gebührenerhebung erfragen“, ergänzt Reimer, Rathje, Fraktionsvorsitzender von WiN/FW.

Die Politiker rechnen damit, dass die Nachtflüge ohne drohende Ordnungsgelder deutlich zunehmen werden. Momentan geben das die Zahlen noch nicht her.

Fluglärm Norderstedt: 42 Flüge nach 23 Uhr in 2024

Von Januar bis März 2024 habe es am Hamburg Airport 42 Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr gegeben. Das seien etwa 49,4 Prozent weniger verspätete Flüge als im Vorjahr (Januar bis März 2023: 83 Flüge), obwohl die Gesamtzahl der Starts und Landungen im gleichen Zeitraum um rund 8 Prozent gestiegen sei, wie der Flughafen mitteilt.

Der Anteil der Flüge, die die Verspätungsregelung am Hamburg Airport nutzen müssen, sei gering: Von Januar bis März 2024 hätten nur 0,2 Prozent der Gesamtflüge zwischen 23 und 24 Uhr starten oder landen müssen. 81 Prozent der verspäteten Flüge starteten und landeten dabei innerhalb der ersten halben Stunde.

Von Januar bis einschließlich Dezember 2023 habe es am Hamburg Airport 809 Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr gegeben. Das seien 7,3 Prozent weniger verspätete Flüge als im Vorjahr (Januar bis Dezember 2022: 873 Flüge). Ab Mitternacht sind in Hamburg ausschließlich Flüge mit vorheriger Einzelfallgenehmigung durch die Hamburger Umweltbehörde zulässig. Hilfs- und Rettungsflüge sind davon ausgenommen. Dies war im vergangenen Jahr 23-mal der Fall.