Kiel/Norderstedt. Seit der Teillegalisierung gibt es laut Vermieterverband mehr Konflikte unter Nachbarn. Wie die Lage in Norderstedt ist.

  • Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen warnt: „Kiffen schafft Streit im Treppenhaus.“
  • In Norderstedt sorgt die Teillegalisierung von Cannabis offenbar noch nicht für Konflikte unter Nachbarn.
  • Kiffende Mieter verstoßen nicht mehr gegen das Gesetz, wenn er sich an die Regeln hält.

Für die einen eine längst überfällige Liberalisierung, für die anderen ein Ärgernis: Die seit April bundesweit geltende Teillegalisierung von Cannabis sorgt weiterhin für Streit. Und zwar nun offenbar auch in Mietshäusern in ganz Norddeutschland. Dort komme es seit Inkrafttreten des Gesetzes zunehmend zu Konflikten, stellt der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) fest, in dem mehr als 400 Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsgesellschaften organisiert sind.

„Unsere Unternehmen erleben vermehrt, dass Mieterinnen und Mieter sich beschweren, weil sie sich durch den stechenden, süßlichen Geruch belästigt fühlen“, sagt VNW-Direktor Andreas Breitner. Und weiter: „Es wird im Treppenhaus, aber vor allem auf den Balkonen gekifft. Der nicht unerhebliche Qualm nebelt Nachbarbalkone gleich mit ein.“ Das führe zu Konflikten unter den Nachbarn. Breitner: „Kiffen schafft Streit im Treppenhaus.“

Verband warnt: Kiffen auf dem Balkon sorgt für Streit

Wie ist die Lage in Norderstedt und Umgebung? Offenbar eher ruhig – noch. Zumindest berichten der Mieterverein Norderstedt und der Eigentümerverein Haus & Grund, dass es aktuell keinen erhöhten Beratungsbedarf wegen derlei Streitigkeiten gebe. So schildert es auch Ann Sophie Mainitz, Geschäftsführerin des Mietervereins Schleswig-Holstein.

Sina Kautz von der Baugenossenschaft Neue Lübecker, die viele Wohnungen in Norderstedt hat, teilt mit, dass dieses Thema „bisher keine besondere Bedeutung“ einnimmt. Kim Münster, Sprecherin der Norderstedter Baugenossenschaft Adlershorst, teilt schlicht mit, dass man zu dem Thema „keine Auskunft“ geben könne.

Cannabis: Neue Lübecker rechnet mit Zunahme von Konflikten

Aber die Balkonsaison beginnt ja auch erst. Und „das Gesetz ist ja noch jung“, wie Anette Schütz-Schreiber betont, Geschäftsführerin des Mietervereins Norderstedt. Bei der Neuen Lübecker stellt man sich schon darauf ein, dass die Lage unruhiger werden könnte: „Wir werden das Thema wegen der zu erwartenden Zunahme entsprechender Konflikte weiterhin verfolgen und dann gegebenenfalls Handlungsoptionen auf der Basis der generellen Rechtsprechung zum Rauchen für uns konkretisieren“, teilt Sina Kautz mit.

Mieter dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen auf dem Balkon anbauen, sofern der nicht öffentlich zugänglich ist und nicht in der Nähe von Schulen, Kitas oder ähnlichen Objekten liegt.
Mieter dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen auf dem Balkon anbauen, sofern der nicht öffentlich zugänglich ist und nicht in der Nähe von Schulen, Kitas oder ähnlichen Objekten liegt. © Getty Images | Viktar Lameika

Im Sommer, so ist zu vermuten, könnte es also auch in Norderstedter Mietobjekten Krach geben, wenn einige Mieter an lauen Abenden auf ihren Balkonen dem Hasch zusprechen. Von Gesetzes wegen dürfen sie das auch, sie dürfen sogar bis zu drei weibliche Pflanzen dort anbauen, sofern der Balkon nicht öffentlich zugänglich ist und mehr als 100 Meter Luftlinie von Schulen, Kindergärten, Spielplätzen oder ähnlichen Einrichtungen entfernt liegt.

Was bedeutet das für Streitigkeiten zwischen Mietern, beziehungsweise zwischen Vermietern und Mietern? Eine ganze Menge. „Vor der Teillegalisierung war der Konsum und der Anbau von Cannabis in der Mietwohnung abmahnwürdig und konnte sogar zu einer fristlosen Kündigung führen“, sagt der Haus & Grund-Vorsitzende Sven Wojtkowiak.

Mai 2022: 256 Mieter der Herold-Hochhäuser erhalten bösen Brief

Wer vor dem 1. April 2024 auf seinem Balkon oder in der Wohnung Cannabis rauchte, musste mit unschönen Gesprächen oder Briefen von der Hausverwaltung und dem Vermieter rechnen – das passierte zum Beispiel im Mai 2022 den Mietern der Wohnungen über dem Herold-Center. Weil offenbar jemand recht exzessiv Hasch konsumierte, verschickte die Baugenossenschaft Adlershorst, die die 256 Wohnungen im Auftrag der Eigentümer verwaltete, ein recht harsches Mahnschreiben, in dem dann auch mit fristloser Kündigung gedroht wurde.

Wegen eines internen Fehlers schickte Adlershorst den Brief allerdings aus Versehen gleich an alle 256 Mieter, also auch an diesbezüglich eher unverdächtige Rentner. Adlershorst musste sich in einem weiteren Schreiben entschuldigen. Ob das bei dem tatsächlichen Übeltäter damals für Belustigung gesorgt hat, ist nicht bekannt.

Rechtslage: Geruchsbelästigung wie durch Zigaretten?

Indes dürfte der wohl nun ganz legal seine Tüte anstecken – sofern er sich die Sache nicht mittlerweile abgewöhnt hat. Kommt es zu Beschwerden von anderen Mietern, hat ein Vermieter kaum noch eine Handhabe. Ein kiffender Mieter verstoße „nicht gegen ein Gesetz, wenn er sich an die gesetzlichen Vorgaben hält“, sagt Sven Wojtkowiak. Er müsse sich also an die Abstandsregeln halten und dürfe nicht mehr als 50 Gramm getrocknetes Cannabis in seiner Wohnung aufbewahren.

„Probleme, die durch den Konsum entstehen, wie zum Beispiel Geruchsbelästigungen, dürften zukünftig von der Rechtsprechung ähnlich wie die bisherigen Probleme im Zusammenhang mit normalem Tabakkonsum bewertet werden“, so die Einschätzung von Sven Wojtkowiak. Und weiter: „Insoweit ist individuell zu ermitteln, ob im Sinne der Rechtsprechung eine Störung des Hausfriedens vorliegt, die eine Abmahnung des Mieters rechtfertigen würde.“

Damit wird aus dem Streit um Grasgeruch letztlich ein ganz normaler Nachbarschaftsstreit – der wohl nur dann ein Fall für die die Gerichte wird, wenn bestimmte Dinge allzu exzessiv betrieben werden, wie sehr häufiges, sehr lautes Hören von Musik.

Kiffen auf dem Balkon: Rücksicht unter Nachbarn wichtig

Was also tun, wenn vom Balkon nebenan ständig die süßlichen Rauchschwaden herüberwabern? Vielleicht hilft ja ganz einfach etwas nachbarschaftliches Miteinander. „Im Umgang mit dem Rauchen von Cannabis ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme der Nachbarn untereinander zu beachten. Der Cannabisrauch darf die Nachbarn nicht wesentlich beeinträchtigen oder stören“, sagt Anette Schütz-Schreiber.

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Im Zweifel bleibt also, den Nachbarn – der vielleicht auch hier und da auf ein Entgegenkommen der Hausgemeinschaft hofft oder gar angewiesen ist – zu bitten, die Tüte einfach drinnen anzustecken, oder das Kraut auf einen Waldspaziergang mitzunehmen.