Kreis Segeberg. Schleswig-Holstein fördert Bio: Ziel ist Verdopplung der Ökobetriebe bis 2030. Warum den Bauern die Umstellung schwer fällt.

Die Ökologische Landschaftwirtschaft liegt im Trend: Immer mehr Höfe in Deutschland betreiben ökologischen Landbau. In Deutschland gibt es 28.700 Bio-Betriebe, darunter 820 in Schleswig-Holstein – aber nur 36 im Kreis Segeberg, der damit, landesweit betrachtet, am unteren Ende der Skala liegt. Warum ist das so?

Der Ökolandbau gilt als ein entscheidender Faktor in der Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands, die regionalen Unterschiede sind allerdings groß. Und das Agrarland Schleswig-Holstein nimmt dabei alles andere als eine Spitzenstellung ein. Nur jeder zwölfte Hof setzt auf ökologischen Anbau. Deutschlandweit hat jeder zehnte Betrieb umgestellt. Die meisten Ökobetriebe gibt es in Bayern.

Ökologische Landwirtschaft: Die Landesregierung will Anreize schaffen

Die Landesregierung will die Zahl der Ökobetriebe in den kommenden Jahren nahezu verdoppeln. Bis 2030 soll der Anteil des Öko-Anbaus auf 30 Prozent erhöht werden. Schleswig-Holstein hat das Ziel von 15 Prozent Ökoanteil in der Landwirtschaft ausgegeben,.

Im Hofladen erwirtschaftet die Familie Stoltenberg auf dem Hof Hohlegruft in Nehms einen Großteil des Umsatzes. 2014 wurde er als bester Hofladen Deutschlands ausgezeichnet.
Im Hofladen erwirtschaftet die Familie Stoltenberg auf dem Hof Hohlegruft in Nehms einen Großteil des Umsatzes. 2014 wurde er als bester Hofladen Deutschlands ausgezeichnet. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Das Landwirtschaftsministerium will nun Anreize schaffen, damit mehr Bio-Lebensmittel in den Handel kommen. So wurden unter anderem Förderungen für die Investition in besonders tiergerechte Ställe beschlossen. Zudem gibt es Weiterbildungsprogramme für Bauern, die auf Ökolandwirtschaft umstellen wollen. Alle biologisch wirtschaftenden Betriebe werden mindestens einmal jährlich von einer anerkannten EU-Kontrollstelle geprüft.

Bio-Landwirtschaft: Kreisbauernverband glaubt nicht an eine Zunahme

Kreisbauernvorsteher Thorge Rahlf, der seinen Hof in Seedorf bewirtschaftet, glaubt indessen nicht, dass die Zahl der Ökobauern im Kreis Segeberg in absehbarer Zeit steigen wird. „Das ist ein finanzielles Problem“, sagt der Landwirt. „Immerhin dauert die Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf einen Ökobetrieb zwei Jahre.“

Ähnlich sieht es Lennard Butz, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes: „Eine zweijährige Umstellungszeit kann sich nur ein Betrieb leisten, der finanziell gut ausgestattet ist.“ Erst dann dürfe ein Hof als Ökobetrieb zertifiziert werden. Er befürchtet auch, dass sich zu viele Ökobetriebe gegenseitig blockieren könnten, so dass es für die erwirtschaftete Ware nicht mehr genügend Abnehmer geben könnte.

Anke und Rolf Stoltenberg aus Nehms haben ihren Hof 1988 auf Öko-Landwirtschaft umgestellt.
Anke und Rolf Stoltenberg aus Nehms haben ihren Hof 1988 auf Öko-Landwirtschaft umgestellt. © HA

Bio-Hofladen: Deutschlands bester steht in Nehms

Zudem stelle die Möglichkeit einer Direktvermarktung für viele Landwirte keinen großen Anreiz dar, meint Butz. Aber er hat auch festgestellt, dass immer mehr Großbetriebe von den Biobauern lernen, ohne allerdings selbst auf Öko-Landwirtschaft umzuschwenken.

So sieht es auch der Landwirt Ferdinand Stoltenberg (26), der zusammen mit seiner Mutter und Geschwistern den 80 Hektar großen Biohof Hohlegruft in Nehms betreibt. Als die Familie Stoltenberg ihren Hof 1988 auf Ökolandwirtschaft umstellte, gehörte der Betrieb zu den ersten im Kreis Segeberg. Inzwischen ist die Zahl der Öko- oder Biohöfe immer noch stark überschaubar, aber ein gewisser Verdrängungswettbewerb hat dennoch eingesetzt.

Mit den Hoferzeugnissen werden fünf Bio-Supermärkte beliefert

„Je weniger Landwirte diesen Weg gehen, desto besser können wir unsere Waren vermarkten“, sagt der Junglandwirt aus Nehms. Bei den Stoltenbergs funktioniert das so: Mit den Erzeugnissen des Hofes werden fünf Bio-Supermärkte beliefert, der Großteil wird im eigenen Hofladen verkauft. Mit großem Erfolg: An den Verkaufstagen stehen die Kunden praktisch Schlange.

Familie Stoltenberg verkauft hier vieles, was der Hof hergibt: Fleisch und Wurstwaren von den selbst gezüchteten Angler-Sattelschweinen (ohne Nitrit-Pökelsatz), Fruchtaufstrich, Brot aus der eigenen Backstube, Eier und Kuchen. 2014 erhielten die Stoltenbergs die Auszeichnung „Bester Bio-Hofladen Deutschlands“ von der Naturkostzeitschrift Schrot & Korn. Die Leser hatten abgestimmt.

Bio-Hofläden: Im Kreis Segeberg gibt es sieben Stück

Sechs weitere Ökobauern aus dem Kreis Segeberg haben ebenfalls Bio-Hofläden eröffnet, um ihre Produkte selbst zu vermarkten. Die genaue Zahl ist nirgends vermerkt, auch der Kreisbauernverband hat darüber keine Unterlagen. Hofläden gibt es zum Beispiel in Hasenmoor (Hof Ehlers), Lentföhrden (De Öko Melkburen), in Kattendorf (Kattendorfer Hof), in Hardebek (Hof Harbebek), Bimöhlen (Hof Weide mit Hofcafé und Backstube) und Mözen (Biohof Kamp, einmal im Monat Fleischverkauf).

Wer sich dafür interessiert, muss lange recherchieren: Es gibt in Schleswig-Holstein keinen Verband und kein Internetportal, in dem lückenlos alle Bio-Hofläden im Lande aufgelistet sind. Da könnte im Sinne der Verbraucher noch einiges verbessert werden.

Ökologische Landwirtschaft auf Hof Hohlegruft: Erträge ernähren die Familie

Für die Familie Stoltenberg in Nehms hat sich die Umstellung auf Öko-Landwirtschaft gelohnt. Die Erträge des Hofes ernähren die Familie, wobei das vor allem deshalb funktioniert, weil alle an einem Strang ziehen. Neben den Eltern, Anke und Rolf Stoltenberg, der sich aus dem aktiven Betrieb inzwischen weitgehend zurückgezogen hat, arbeiten noch drei ihrer vier Kinder aktiv mit. „Wir können gut davon leben“, sagt Jungbauer Ferdinand Stoltenberg.

Werbung für den Bio-Hofladen wird kaum gemacht. Denn in der Region hat sich herumgesprochen, was die Stoltenbergs zu bieten haben. „Wir arbeiten ein bisschen mit Instagram und Facebook, aber auch das ist weniger geworden.“ Vor allem während der Corona-Zeit standen die Kunden regelrecht Schlange.

„Die Öko Melkburen“: einer der besten Bio-Betriebe Deutschlands

Im Kreis Segeberg gibt es zwar – gemessen an den Landkreisen in anderen Bundesländern – nur wenige Öko-Betriebe, dafür aber sehr erfolgreiche. Neben den Stoltenbergs aus Nehms können auch die Melkburen aus Lentföhrden einiges vorweisen: „De Öko Melkburen“ betreiben einen der besten Bio-Betriebe Deutschlands.

Bei den Melkburen in Lentföhrden dürfen die Kälber drei Monate bei den Muttertieren bleiben.
Bei den Melkburen in Lentföhrden dürfen die Kälber drei Monate bei den Muttertieren bleiben. © Pressebild.de/Bertold Fabricius | Pressebild.de/Bertold Fabricius

Der Zusammenschluss dreier Milchvieh-Betriebe siegte beim Bundeswettbewerb Ökolandbau 2022 in der Kategorie „Erzeugung und Vermarktung“. Im Bundeswettbewerb „Ökologischer Landbau“ werden jedes Jahr drei Bio-Betriebe für besondere Betriebskonzepte und weitergehende Leistungen für den Ökolandbau und die Region ausgezeichnet.

Frischmilch der Melkburen ist in der Region sehr beliebt

Die Öko Melkburen sind ein Zusammenschluss der Bio-Milchviehbetriebe von Hans Möller, Achim Bock und Heino Dwinger. Das Konzept der Melkburen sei ein Paradebeispiel dafür, wie eine regionale Wertschöpfungskette erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann, hieß es in der Begründung für die Auszeichnung.

Die Bio-Milch der Melkburen wird im Handel als Jahreszeiten-Milch angeboten, mit der die Meierei Horst große Aufmerksamkeit erzielt. Hintergrund ist die grasbetonte Fütterung, wegen der die Melkburen-Milch je nach Jahreszeit immer leicht im Geschmack variiert. Die Herstellung der Milch erfolgt traditionell, das heißt als Frischmilch und nicht homogenisiert und ist bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern der Region sehr beliebt.

Kälber dürfen drei Monate bei Mutterkühen bleiben

Besonders bemerkenswert: Die drei Betriebe praktizieren die muttergebundene Kälberaufzucht, bei der die Kälber drei Monate lang bei den Mutterkühen bleiben. Der Erfolg der Melkburen in Lentföhrden und des Hofes Hohlegruft in Nehms ist für andere Landwirte im Kreis Segeberg offenbar aber nicht Anreiz genug, um auf Öko-Betrieb umzustellen.

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Dabei bemüht sich die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, die Zahl der Öko-Landwirte zu steigern und diesen Berufszweig interessanter zu machen. An den Berufsschulstandorten Husum, Rendsburg und Bad Segeberg erhalten die Auszubildenden auf Öko-Betrieben im dritten Lehrjahr die Gelegenheit, in einer reinen Ökoklasse unterrichtet zu werden.

Ökologische Landwirtschaft: vier Betriebe geben Einblicke

In den theoretischen und praktischen Abschlussprüfungen der Landwirtschaftskammer sind Themen der ökologischen Wirtschaftsweise enthalten. So kann die praktische Abschlussprüfung wahlweise auch auf einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb durchgeführt werden. Regelmäßig sind Prüfer von Öko-Betrieben im Prüferteam.

Das Netzwerk Ökolandbau hat in Schleswig-Holstein 18 Erzeugerbetriebe ausgewählt, die einen Einblick in die Praxis des Ökolandbaus gewähren. Diese Betriebe möchten ihre Erfahrungen mit Interessierten austauschen. Sie vertreten alle Naturräume (Marsch, Geest, Hügelland) und repräsentieren wichtige Produktionsbereiche wie Ackerbau-, Futter- und Gemüsebau sowie die Haltung von Rindern, Schweinen, Hühnern und Schafen.

Aus dem Kreis Segeberg sind vier Betriebe dabei: Die Öko Melkburen aus Lentföhrden, der Hof Hohlegruft aus Nehms, der Kattendorfer Hof und die Hofgemeinschaft Weide-Hardebek in Hardebek. Mareike Peters, Projektleiterin beim Netzwerk Ökolandbau Schleswig-Holstein, gibt nähere Auskünfte und vermittelt Hofbesichtigungen (Telefon 0151/22195490).