Nehms. Auf dem Hof Hohlegruft der Familie Stoltenberg in Nehms ist die Welt für die Nutztiere noch in Ordnung.

Die Sau regt sich fürchterlich auf und kommt schrill quiekend aus dem Stall gelaufen. Sie ist empört, weil Anna Stoltenberg eines ihrer Ferkel auf den Arm genommen hat. In diesem Stall ist die Welt noch in Ordnung: Acht bis zehn Wochen bleiben die Ferkel bei der Sau. Das ist eine lange Zeit, auch für einen Biobetrieb. Da kann man schon verstehen, dass die Muttertiere sich aufregen, wenn da jemand kommt und das Kleine einfach an sich nimmt. Einen Schweinemastbetrieb dürfen Unbefugte nicht betreten, auf dem Hof Hohlegruft in Nehms ist das aber möglich. Hier, an der Hohlegrufter Straße, hat die Familie Stoltenberg ein kleines Naturparadies geschaffen.

Der Hofladen wurde mal zum besten in Deutschland gekürt

Im Hofladen wird ein großer Teil des Umsatzes erwirtschaftet. 2014 wurde er als bester Hofladen Deutschlands ausgezeichnet. Anna Stoltenberg hilft ihrer Mutter Anke, denn der Andrang ist freitags und sonnabends groß. Das Fleisch stammt von den eigenen Schweinen.
Im Hofladen wird ein großer Teil des Umsatzes erwirtschaftet. 2014 wurde er als bester Hofladen Deutschlands ausgezeichnet. Anna Stoltenberg hilft ihrer Mutter Anke, denn der Andrang ist freitags und sonnabends groß. Das Fleisch stammt von den eigenen Schweinen. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Der Hof Hohlegruft ist inzwischen nahezu bundesweit bekannt. Wenn der kleine Hofladen freitags und sonnabends öffnet, kommen Kunden und Besucher von weit her angereist, um hier einzukaufen. Das ist schon seit einigen Jahren so, aber die Corona-Krise mit der jetzt einhergehenden Diskussion um die Fleischindustrie hat das Interesse noch einmal gesteigert. „Wer bei uns einkaufen will, muss im Augenblick Wartezeiten in Kauf nehmen“, sagt Anna Stoltenberg, die mit ihren 24 Jahren schon eine routinierte Landwirtin ist. Vor sechs Jahren wurde der 60 Quadratmeter große Hofladen, für den Mutter Anke Stoltenberg (50) zuständig ist, als bester Bioladen Deutschlands ausgezeichnet. Er ist ein wichtiges Standbein und erheblicher Wirtschaftsfaktor innerhalb des gesamten Betriebs.

Der Umbau zum Bio-Hof startete 1982

Rolf Stoltenberg (64) übernahm den Hof, der seit 1900 im Besitz der Familie Stoltenberg ist, 1982 von seinem Vater und baute ihn zu einem Betrieb mit organisch-biologischem Landbau nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes um. Fortan fanden sich Angler-Sattelschweine auf dem Hof, genauso wie Zweinutzungsrassen-Hühner, die Eier legen und Fleisch liefern.

Wenn Anna Stoltenberg Besucher über den Hof führt, kommen automatisch nostalgische Gefühle auf. Wie auf einer Reise in die Vergangenheit: So muss es früher auf den meisten Bauernhöfen ausgesehen haben, bevor Strukturwandel und landwirtschaftliche Industrialisierung der Idylle ein Ende bereiteten. Ein bisschen Bullerbü im Kreis Segeberg, präsentiert von einer gelernten Landwirtin, die demnächst ihre Bachelor-Arbeit im Fach ökologische Landwirtschaft schreibt und fest entschlossen ist, diesen Hof zusammen mit den drei Geschwistern in die Zukunft zu führen, wenn ihre Eltern sich aufs Altenteil zurückziehen

Die Ferkel wachsen hier artgerecht bei der Sau auf

Zuerst präsentiert Anna Stoltenberg die Pferde auf der Koppel, Noriker und Holsteiner, dann die Angler-Sattelschweine, deren Fleisch zum Ruhm dieses Hofes und des Hofladens maßgeblich beitragen und die vor 30 Jahren schon als nahezu ausgestorben galten. Etwa 150 von ihnen werden artgerecht gehalten, die Sauen völlig natürlich vom Eber gedeckt, die Ferkel, die sich frei bewegen können, lange bei der Mutter gelassen und nicht mit Antibiotika oder anderen Medikamenten vollgepumpt. Abferkelstall, Ferkelnester, die nur von den Kleinen nach Belieben betreten und verlassen werden können, Gruppenbuchten – alles, was kleine Schweine und Muttertiere zum Wohlfühlen benötigen, ist vorhanden. Die Wurfquote liegt bei 2,0 pro Jahr. In der konventionellen Schweinezucht liegt sie bei 2,3. Das Schrotfutter für die Tiere stammt von hofeigenen Rohstoffen, das mit zugekauftem Mineralfutter vermischt wird.

Nach zehn bis zwölf Monaten werden die Tiere in einer Landschlachterei in Kalübbe im Kreis Plön geschlachtet, nach Bioland-Richtlinien zerlegt und zu Wurstwaren veredelt. Jeweils drei bis fünf Schweine werden donnerstags zum Schlachter Jürgen Fritze transportiert. Mit den Fleischwaren vom eigenen Hof beliefert Rolf Stoltenberg auch fünf Bio-Supermärkte in der Umgebung, die zur Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft Landwege gehören.

Ein Stück weiter laufen 150 Hühner der Rassen Coffee and Cream, White Rock und New Hampshire durch ein großes Gehege. Masthähnchen und Suppenhühner aus eigener Schlachtung gibt es, genau wie die Eier, im Hofladen zu kaufen.

Auf der anderen Straßenseite grasen friedlich kleinwüchsige Galloways, die Anna Stoltenberg mit lautem Rufen zu sich lockt. Das funktioniert zuverlässig: Egal, wo sich die Tiere auch gerade aufhalten – sie kommen im Eiltempo angelaufen, weil es zusätzliches Futter gibt.

Der Alltag auf dem Hof ist streng getaktet

Die Arbeit auf dem Hof Hohlegruft folgt einem festen Tagesablauf. Anna Stoltenberg steht um 6 Uhr auf und frühstückt zusammen mit Eltern und Geschwistern, sofern sie sich zum Studium oder zur Ausbildung nicht anderswo aufhalten, um 7.30 Uhr. Dann gehen sie und Vater Rolf (64) auf den Hof, versorgen die

Anke (links, 50) und Rolf Stoltenberg (rechts, 64) bewirtschaften den Biohof Hohlegruft in Nehms. Die Kinder Ferdinand (23), Anna (24), Helene (18) und Auguste (20, von links) sollen den Betrieb eines Tages weiterführen. Vorne ist Hofhündin Beeke (7), eine Münsterländerin.
Anke (links, 50) und Rolf Stoltenberg (rechts, 64) bewirtschaften den Biohof Hohlegruft in Nehms. Die Kinder Ferdinand (23), Anna (24), Helene (18) und Auguste (20, von links) sollen den Betrieb eines Tages weiterführen. Vorne ist Hofhündin Beeke (7), eine Münsterländerin. © Frank Knittermeier | Anke Stoltenberg

Tiere mit Futter, streuen nach, misten aus, kontrollieren die Galloways. „Zwei Stunden morgendliche Routine“ nennt Anna Stoltenberg diese Arbeit, die sie von klein auf gewohnt ist. Mutter Anke, staatlich geprüfte Hauswirtschaftsleiterin, sorgt sich derweil um das Mittagessen, das um 11 Uhr zusammen mit den Hofangestellten und den fast ständig anwesenden Praktikanten, die über das Netzwerk World-Wide Opportunities on Organic Farms aus aller Welt hier eintreffen, eingenommen wird. Anna unterstützt sie dabei gelegentlich. Anschließend Mittagsschlaf, um 14.30 Uhr Kaffeetrinken, 17.30 Uhr Abendessen. Der Tag ist getaktet.

Die Kinder wollen den Hof von den Eltern übernehmen

Zur Familie Stoltenberg gehören neben Anna ihr Bruder Ferdinand (23), gelernter Landwirt und Student der ökologischen Landwirtschaft im zweiten Semester, sowie die Schwestern Auguste (20), im zweiten Ausbildungsjahr als Tischlerin, und Helene, die nach dem Abitur eine Landwirtschaftslehre absolviert. Die Hofnachfolge ist noch nicht geklärt, aber für alle steht fest: Die Kinder führen den elterlichen Betrieb weiter.

Es gibt verschiedene Modelle, wie das funktionieren kann, fest steht noch nichts. „Wir lassen uns von der Landwirtschaftskammer beraten und führen Gespräche“, sagt Anna Stoltenberg. Pläne gibt es genug: Zum Beispiel Gemüseanbau oder Hofcafé und anderes mehr. Ein großer Teich ist erst vor kurzem angelegt worden. Der Hof Hohlegruft der Familie Stoltenberg aus dem Kreis Segeberg bleibt also weiter im Gespräch. Vielleicht auch mal wieder durch eine TV-Talkshow: Als Gäste von Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt durften die Stoltenbergs in der NDR-Talkshow über ökologische Landwirtschaft erzählen.

Der Hof Hohlegruft liegt in 23813 Nehms, Hohlegrufter Straße 4. Der Hofladen ist freitags von 9 bis 19 Uhr und sonnabends von 9 bis 13 Uhr geöffnet.

Informationen unter www.hof-hohlegruft.de im Internet. Informationen gibt es auch überInstagram und facebook.