Norderstedt. Der Film soll straffälligen Jugendlichen helfen. Zur Preview kam viel Prominenz. Hamburger Filmemacher spendete spontan 10.000 Euro.
Erst schrieb Mashood Khan über sein Leben ein Drehbuch, dann verfilmte er es, und nun präsentierte der 35-jährige Norderstedter seinen Kurzfilm erstmals im Spectrum-Kino. In Begleitung von viel Prominenz, darunter Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré, Norderstedts Stadtpräsidentin Petra Müller-Schönemann, Norderstedts Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und dem Hamburger Filmemacher Ekrem Engizek.
Der spendete nach der Preview spontan 10.000 Euro und sagte seine Netzwerk-Unterstützung zu, um den Film „Zurück ins Leben“ in möglichst viele Kinos zu bringen und ihn für den Wettbewerb „Bester deutscher Kurzfilm“ vorzuschlagen. Auch Norderstedts Jugendamtsleiterin Karina Jungsthöfel will den Kurzfilm in Schulen und Jugendeinrichtungen zeigen.
Mashood Khan wuchs in Norderstedt auf und wurde Intensivtäter
Mashood Khan wuchs in Norderstedt auf, ging auf die Hauptschule Falkenberg, geriet auf die schiefe Bahn, wurde Intensivtäter. Grund seiner Taten war die Suche nach Anerkennung der anderen, doch die Gesellschaft versagte sie ihm. In der Heimat seiner Eltern, in Pakistan, war er der Deutsche, in Deutschland der Ausländer, der Flüchtling. Ungebeten, unerwünscht, lästig.
Mashood Khan lebte zwischen zwei Kulturen, einmal die pariarchaische, islamische Kultur des Herkunftslands seiner Familie, zum zweiten die der westlichen Gesellschaft, die ihm, dem männlichen Jugendlichen, angeblich den Respekt versagte, die „Ehre“. Folglich wollte er sich die Anerkennung auf der Straße holen. Mit Stärke, mit Straftaten und Überfällen. Erst der Unfalltod seines Vaters brachte ihn zur Besinnung. Er erkannte, was er sich und vor allem seiner Familie angetan hatte.
„Zurück ins Leben“ spielt auch an Khans alter Schule
Er holte alle Schulabschüsse nach, machte seinen Uni-Abschluss in „Management Soziale Arbeit“ und arbeitet heute in der Jugendhilfe in Norderstedt und Hamburg. Und er schrieb seine Odyssee auf. Um Jugendliche aus dieser Identitätsfalle zu holen. „Ich wurde erst wahrgenommen, als ich kriminell wurde“, beschrieb Mashood Khan die bittere Gewalt-Spirale. Auch heute noch würde er aufgrund seines Aussehens Ressentiments ausgesetzt sein.
Für „Zurück ins Leben“ ging Mashood Khan zurück an seine Schule und drehte den Film mit Schülerinnen und Schülern der neunten Klasse. Die Hauptrolle Jamal, sein Alter Ego, spielt Ali Reza Haidari, seine Bandenfreunde Viktor und Kevin sind Daniel Schmidt und Tom Marcinkowski. Jamals Familie flüchtete vor dem Regime aus Syrien, der Vater wollte dem Sohn eine bessere Zukunft bieten. Das ging schief.
Sehenswerter Kurzfilm mit intensiven Familienszenen
Wolfgang Banse vom Präventiven Kriminalrat Norderstedt, der Mashood Khan während dessen Intensivtäter-Zeit betreute und beim Filmen beriet, spielt einen überfallenen Kiosk-Inhaber. Beim Dreh konnten auch die Schülerinnen und Schüler ihre Ideen einbringen.
Entstanden ist ein sehenswerter, 45-minütiger Kurzfilm, der aufgrund der intensiven Familienszenen („Wir haben vielleicht nicht alles, was wir brauchen. Aber zusammen sind wir alles, was wir wollen“) stark berührt, aber vor allem durch die starke Darstellung der jugendlichen Konflikte einerseits anderen Jugendlichen einen Weg aus der Identitätsfalle weist, andererseits aber auch mit Vorurteilen aufräumen und Verständnis wecken kann.
Sozialministerin Aminata Touré spricht über ihre Geschichte
Immer wieder werden die „Ehre“ und der „Stolz“ von Familie, vor allem aber von Männern, thematisiert. Zwei archaische Begriffe, die die Jugendlichen aus patriarchalischen Familien unweigerlich in die Abseitsfalle führen. Erst im Gefängnis stellt sich Jamal die Frage: „Was ist mit der Ehre der Mutter mit Kopftuch, die ihren Sohn im Gefängnis besuchen muss?“
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„Der Film macht deutlich, welche Probleme es in einer Gesellschaft mit verschiedenen Kulturen gibt“, sagte Aminata Touré, die sich in vielen Szenen wiedererkannte. Ihre Eltern kamen aus Mali nach Deutschland, sie wuchs in Neumünster auf. „In Deutschland darf man als Teenie anders leben, aber das ist auch eine Herausforderung, besonders für Mädchen“, sagte die Sozialministerin.
Sie gestand, dass sie nur aus Angst vor ihrer starken Mutter „keine Scheiße“ gebaut habe: „Wenn man jung ist, weiß man nicht, welche Konsequenzen Scheißebauen haben kann. Eltern müssen aber auch verstehen, dass es nicht leicht ist, zwischen den Kulturen aufzuwachsen.“ Die Herkunft sei allerdings auch keine Entschuldigung fürs „Scheißebauen“. Touré sagte zu, mit Bildungsministerin Karin Prien über den Kurzfilm zu sprechen, damit er in den Schulen gezeigt werden kann.
Norderstedts Oberbürgermeisterin will Film an Schulen zeigen
Auch Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder wünscht sich, dass der Film an den Schulen präsentiert wird. „Mein Auftrag ist es, zu vermitteln, vernünftig miteinander zu leben, auch mit Kindern, damit sie ebenfalls ein gleichberechtigtes Miteinander lernen“, sagte Schmieder.
„Für mich ist es wichtig, was mit den Jugendlichen geschieht, nachdem sie den Film gesehen haben“, sagte Wolfgang Banse. Sein Ziel sei es, den Jugendlichen zu vermitteln: „Es gibt Menschen, die dir helfen wollen.“ Und: „Jeder junge Mensch hat das Recht, Mist zu machen, er muss nur auch die Konsequenzen erfahren und daraus lernen können.“