Norderstedt. Ochsenzoll Norderstedt: Ex-Kneipe soll Wohnungsbau weichen. Warum nebenan die Projekte Europcar-Areal oder „Meyer‘s Mühle“ stocken.
- Abrissbagger sollen noch in diesem Jahr am Ochsenzoll rollen
- Mit der Ex-Kneipe „Moby Dick“ verschwindet ein verfallender Schandfleck
- Ein großer Gebäudekomplex mit günstigen Wohnungen soll entstehen
„Norderstedt braucht Wohnungen.“ Und: „Norderstedt braucht ein attraktives Eingangstor.“ Zwei Forderungen, die für einen extrem wichtigen und stark frequentierten Stadtbereich gelten: den Bereich zwischen Ochsenzoll-Kreisel und „Meyer‘s Mühle“ an der Grenze zu Hamburg. Pläne für beide Projekte liegen zum Teil seit Jahrzehnten in der Schublade. Nur: Es tut sich nichts. Wird aus den Ideen Realität, könnten hier mehr als 200 Wohnungen und ein schmuckes Entrée in die viertgrößte Stadt Schleswig-Holsteins entstehen.
Besonders das „Moby-Dick“-Grundstück, direkt neben dem Kreisverkehr, ist eine unansehnliche Ecke, die von vielen als Schandfleck der Stadt empfunden wird. Die seit Jahren leer stehende und verfallende ehemalige Kneipe „Moby Dick“ und die sich anschließende frühere „Ofenscheune“ sollen einem modernen Wohnkomplex weichen und damit zugleich das Areal aufwerten, eine attraktive Visitenkarte der Stadt Norderstedt an der Grenze zu Hamburg.
Moderner Wohnkomplex statt Schandfleck
Der Projektentwickler Christian Laue hatte vor Jahren im Auftrag des früheren Besitzer-Ehepaars des Moby-Dick-Grundstücks ein Konzept mit 86 Wohnungen für das Areal mit dem Bebauungsplan 336 entwickelt. Im November 2018 ging das Projekt als Vorlage in den Bauausschuss der Stadt und fiel durch. Die Bedenken: zu viel Lärm, zu viele Abgase zum Wohnen, überdimensioniert, Bäume müssten fallen, die Verkehrssituation sei problematisch.
Mittlerweile hat die städtische Entwicklungsgesellschaft (EGNO) die Moby-Dick-Fläche gekauft. Zwar hängt an der Ex-Kneipe immer noch ein Banner des Projektentwicklers Laue: „Dieses Grundstück ist an Investoren zu verkaufen“. Doch das hat sich überholt. „Wir werden das Schild demnächst abhängen“, sagt Norderstedts Baudezernent Christoph Magazowski. Unabhängig vom Eigentümer bleibt das Ziel: Und das hieß und heißt Wohnungsbau. Dafür steht nicht nur das Moby-Dick-Gelände zur Verfügung, sondern auch der sich entlang der Langenhorner Chaussee anschließende Parkplatz, den die Stadt schon vor Jahren gekauft hat.
Die Stadtverwaltung definierte schon im November 2020 gemeinsam mit der Politik, was künftig auf der Fläche gebaut werden soll. Ein Winkelbau, der als Lärmschutzriegel zum nahen Ochsenzoll-Kreisel und zur Langenhorner Chaussee dient und den Lärm sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner als auch für den dahinter liegenden „Schmuggel-Park“ dämpft. Die Gebäudehöhe müsse sich an der anschließenden Bebauung wie dem Sparkassenbau und an der Baumhöhe im Park orientieren. Vier Vollgeschosse lautet die Vorgabe, fünf können es als „städtischer Hochpunkt“ direkt an der Ecke zum Kreisel sein.
Hälfte der Wohnungen müssen Sozialwohnungen sein
Die Hälfte der Wohnungen muss als Sozialwohnungen nach dem 1. und 2. Förderweg gebaut werden. Im hinteren Bereich begrenzen die Bäume das Wohngebäude. Laut Verwaltung ist nur eine gemeinsame Ein- und Ausfahrt zum Gebäude möglich, und zwar am südlichen Ende. Dort, wo die Zufahrt vom Kreisverkehr zur Langenhorner Chaussee endet, sollen die Bewohner nach rechts einfahren und nach rechts auf die Langenhorner Chaussee den Wohnkomplex wieder mit dem Auto verlassen.
Doch seitdem die Rahmenbedingung beschlossen wurden, herrschte Funkstille, geschweige denn, dass Bagger auf der Fläche rollten. Noch immer gibt es keinen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan. Baudezernent Magazowski berichtet, dass die EGNO bis 2022 gemeinsam mit einem Hamburger Projektentwickler weit gediehene Pläne für das Grundstück erarbeitet hatte.
Investor sprang nach der Corona-Pandemie ab
„Es lagen konkrete Pläne vor, mit Grundrissen und Schnittzeichnungen der Gebäude“, sagt Magazowski. Doch nach der Corona-Pandemie und in einer sich zuspitzenden Krise im Bausektor mit explodierenden Preisen für das Bauen sei der Projektentwickler abgesprungen. „Er hat uns mitgeteilt, dass er das Vorhaben unter diesen Bedingungen nicht realisieren kann.“ Nun will und muss die Stadt einen Nachfolger suchen. Doch zunächst werden die Gebäude abgerissen, wohl noch in der zweiten Jahreshälfte. Wann es dann mit der Entwicklung der Fläche konkret weitergeht, ist aber noch unklar.
Pläne, diesen Bereich aufzuhübschen, gibt es seit mehr als 40 Jahren. Der ehemalige und inzwischen verstorbene Stadtbaurat Jürgen Meßfeldt hatte einen Architektenwettbewerb ausgelobt. Das Ergebnis waren hoch fliegende Pläne, die dem Quartier ein besonderes Flair verleihen sollten. Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept 2030 misst der Fläche eine herausragende Bedeutung bei und enthält ein Konzept für ein neues Gesicht. 2010 sahen die Stadtplaner im Rathaus „erheblichen Handlungsbedarf“ für das Einfallstor nach Norderstedt.
Auch bei Meyer‘s Mühle: Stillstand
Nur wenige hundert Meter vom Ochsenzoll-Kreisel entfernt herrscht ebenfalls Stillstand, auch hier hätte der Neubau schon beginnen sollen: „Meyer‘s Mühle“ soll einem Neubau mit 134 Wohnungen und Läden weichen. 1600 Quadratmeter sind als Gewerbefläche vorgesehen.
„Derzeit befinden wir uns in fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem Bauamt Norderstedt und stehen kurz vor dem Einleiten des Beschlussverfahrens zur frühzeitigen Beteiligung der politischen Vertreter“, teilt die Castel 1 Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH mit, Eigentümerin des Filetgrundstücks. Um ein Bauvorhaben einer solchen Dimension zu realisieren, müssten eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften und die Anliegen der Kommunalpolitiker berücksichtigt werden. Wie Laue muss sich auch Castel 1 offensichtlich durch eine Fülle von Verordnungen kämpfen und Gestaltungswünsche der Politiker berücksichtigen.
- Ochsenzoll umgestalten: Warum die Stadt Norderstedt am Südrand etwas ändern will
- Wohnanlage am Ochsenzoll-Kreisel geplant
- Er will aus dem Schandfleck ein Wohnquartier machen
Die forderten auch hier, den Entwurf nachzubessern. Der Investor folgte dem Wunsch. Im zweiten Entwurf lebt die Tradition weiter, wenn auch reduziert und in moderner Form: Der goldene Schriftzug „Meyer’s Mühle“ wird als Erinnerung auf der Fassade des Eckgebäudes prangen. Der Solitär verlor in den neuen Plänen seine graue Fassade und wird nun mit einem gemusterten Rotklinker gestaltet, außerdem bekommt der Block abgesetzte Balkons und ein sechstes Staffel- statt Vollgeschoss.
Es gibt noch keinen Termin für den Baubeginn
An der Ohechaussee soll sich die Bebauung Richtung des dahinter liegenden Discounters Aldi fortsetzen. An der Ochsenzoller Straße ist ausschließlich Wohnen geplant, für die Ohechaussee und den Eckbau können sich die Planer im Erd- und zum Teil auch im Obergeschoss Arztpraxen, Immobilienentwickler, Anwaltskanzleien, möglicherweise auch Gastronomie vorstellen. 50 Prozent der Wohnungen sollen öffentlich gefördert werden.
Einen konkreten Zeitpunkt für den Baubeginn könne Castel 1 aber noch nicht nennen. Die Bauzeit des Projekts sei auf etwa zwei Jahre festgesetzt.
Die Entwicklung des Europcar-Areals reicht bis 1953 zurück
Bleibt noch die Nummer drei der Neugestalter am Ochsenzoll. Da hat sich Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO) an die Spitze der Bewegung gesetzt und den Politikern kürzlich im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr noch eher grob skizziert, was sie sich für den städtebaulich prominenten Bereich vorstellt.
Der Vorteil: Dieses Grundstück, benannt nach dem dortigen Fahrzeugverleih Europcar, gehört der EGNO. Es umfasst ein Plangebiet, das nördlich der Ulzburger Straße entlang bis zum Kabels Stieg reicht. Der dazugehörige Bebauungsplan trägt die Nummer 5, was verdeutlicht, wie lange es her ist, dass hier die ersten Bauleitverfahren stattfanden. Weit vor der Gründung Norderstedts, die ersten Dokumente reichen bis ins Jahr 1953 zurück. Heute, 70 Jahre später, soll sich das Gebiet nun „städtebaulich adäquat entwickeln“.
„Es sind verschiedene Eigentümer betroffen, einer davon sind wir“
Von Kabels Stieg bis zur Ohechaussee könnte es eine geschlossene Randbebauung geben, mit rückwärtiger Nutzung für Wohnen und einer Anbindung an den Grünzug entlang der Tarpenbek. Unter Berücksichtigung der Velorouten könnten Flächen für den Rad- und Fußverkehr neugestaltet werden.
„Es sind verschiedene Eigentümer betroffen, einer davon sind wir“, sagt Marc-Mario Bertermann, Geschäftsführer der EGNO. Das Gebiet sei so etwas wie das „Entrée“ zur Stadt, hat also einen hohen repräsentativen Wert. „Keiner ist mit der Situation, wie sie jetzt ist, zufrieden, so darf es nicht bleiben“, sagt Bertermann. „Es geht darum, sich abzustimmen, um eine vernünftige Entwicklung auf den Weg zu bringen. Es ist ein zähes Verfahren, und wir haben schwierige Rahmenbedingungen für Projektentwicklung, das muss man sagen.“
Die Stadt strebt ein Bauträgerverfahren an, sucht also Partner. „Wir werden auf jeden Fall noch ein paar Jahre brauchen. Für den Bereich bräuchten wir einen neuen Bebauungsplan, das geht nicht schnell“, so der EGNO-Geschäftsführer. Die Hoffnung ist, dass die Beratungen 2024 entscheidend vorankommen.