Kisdorf. Seepferdchen machen im Einfamilienhaus: Wie sich Schwimmlehrerin Jule Arendt in Henstedt-Ulzburg mit viel Mut selbstständig machte.

Nach den Verkehrsunfällen ist Ertrinken die zweithäufigste Art tödlich verlaufender Unfälle im Kindesalter. Noch weitaus höher ist die Zahl der „Beinahe-Ertrinkungsunfälle“ mit nicht selten schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Besonders gefährdet sind Kinder bis ins Grundschulalter hinein. Julia Arendt versucht, diese Lücke zu füllen: Seit 21 Jahren ist sie als Schwimmlehrerin selbstständig, und neben ihren beiden Schwimmschulen in Hamburg betreibt sie seit Anfang des Jahres eine weitere in Kisdorf.

Es ist schon ein kleines Abenteuer, auf das sich Julia Arendt, die von allen nur Jule genannt wird, zusammen mit ihrem Mann, dem Schwimmlehrer Sebastian „Basti“ Arendt eingelassen hat: Im Ortsteil Kisdorferwohld kaufte sich das Henstedt-Ulzburger Ehepaar an der Wakendorfer Straße ein Einfamilienhaus mit kleinem Hallenbad. Rund eine Million Euro nahmen die Arendts für den Kauf und den Umbau zu einem professionellen Lehrschwimmbecken in die Hand.

Private Schwimmschule: Spielend das Seepferdchen machen

Ein mutiger Schritt, der sich aber offenbar auszahlt. Von Beginn an war „Jules Schwimmschule“ an der Wakendorfer Straße ein Renner. Bei den Eltern im weiten Umkreis hat es sich schnell herumgesprochen, dass ihre Kinder quasi in der Nachbarschaft in einem Einfamilienhaus das Schwimmen lernen können. In dem vier mal acht Meter großen Becken haben seit dem 7. Januar schon 60 Kinder ihre Seepferdchenabzeichen bekommen. Im Mai sollen Aquakurse für Erwachsene hinzukommen.

Schon 60 Kinder haben in Jules Schwimmschule  Kinderschwimmen ihr Seepferdchenabzeichen erworben.
Schon 60 Kinder haben in Jules Schwimmschule Kinderschwimmen ihr Seepferdchenabzeichen erworben. © BGZ | DLRG

„Und das alles ohne Werbung“, sagt Jule Arendt, die selbst zwei Kinder im Alter von zehn und zwölf Jahren hat. Ein mittelgroßes Banner am Eingang des Grundstücks und Fahrzeuge mit Aufschrift – mehr wurde für Werbung nicht ausgegeben. Trotzdem hat es sich in Windeseile herumgesprochen, was Jule Arend in Kisdorferwohld anbietet und leistet.

Henstedt-Ulzburgs Politiker lehnten Bau einer Schwimmhalle ab

Eigentlich hätte es ganz anders laufen sollen. Jule Arendt betreibt in Hamburg seit 21 Jahren zwei Schwimmschulen, eine weitere sollte in Henstedt-Ulzburg hinkommen. Aber dieses Vorhaben scheiterte vor einigen Jahren am Veto der Politik. Die Mehrheit der Ortspolitiker war nicht bereit, Gemeindegeld für Schulschwimmunterricht auszugeben, obwohl die Finanzierungszusage einer Bank vorlag.

Die Schwimmlehrerin und Unternehmerin machte sich also auf die Suche nach einem anderen Standort und einem geeigneten Objekt. Fündig wurde sie schließlich in Kisdorferwohld, wo ein Einfamilienhaus mit Schwimmhalle zu verkaufen war. Familie Arendt griff zu, erwarb das Haus für 750.000 Euro, investierte weitere 250.000 Euro in den Umbau und eröffnete dort am 7. Januar „Jules Schwimmschule“.

Das Wohnzimmer dient als Büro, der Umkleidebereich kommt in den Wintergarten

Zurzeit wird noch der Wintergarten zu einem Umkleidebereich umgebaut, aber schon jetzt gibt es einen Umkleideraum, eine Küche und einen Duschraum. Das Wohnzimmer mit Blick auf den kleinen Gartenteich wurde zum Büro umgestaltet, im Obergeschoss gibt es einen Aufenthaltsraum für die die acht angestellten Schwimmlehrerinnen und Schwimmlehrer. Familie Arendt wohnt weiterhin in Henstedt-Ulzburg, das Haus dient also ausschließlich dem Unterricht.

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Erfahrungen als Schwimmlehrerin hat Jule Arendt im Norderstedter Arriba Erlebnisbad gemacht. Dort wurde sie ausgebildet, und dort machte sie Erfahrungen, die sie den Kindern in ihren eigenen Schwimmschulen ersparen wollte. „In den großen Bädern ist der Druck auf die Kinder meistens zu groß“, sagt sie. „Ich habe viele weinende Kinder gesehen.“

Zwei Schwimmlehrer und Schwimmlehrerinnen für sechs oder sieben Kinder

„Schwimmen lernen ohne Zwang“ – das ist das Motto, das die Henstedt-Ulzburgerin, die auch eine Ausbildung als Erzieherin absolviert hat, in ihren eigenen Schwimmschulen anwendet. In der Praxis bedeutet das: Kleine Gruppen von sechs, höchstens sieben Kindern, die von zwei Schwimmlehrerinnen oder Schwimmlehrern angeleitet und beaufsichtigt werden. Für Kinder mit Behinderungen gibt es Einzelunterricht. Ehemann Basti hat sich als Schwimmlehrer ausbilden lassen, nachdem er während der Coronazeit seinen Job verloren hatte. Jetzt ist er Angestellter seiner Frau.

In diesem Einfamilienhaus in Kisdorferwohld gibt Jule Arendt mit ihrem Team Schwimmunterricht.
In diesem Einfamilienhaus in Kisdorferwohld gibt Jule Arendt mit ihrem Team Schwimmunterricht. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

In Kisdorferwohld lernen die Kinder das Schwimmen bis zum Erwerb des Seepferdchens, anschließend können sie auf den Erwerb des Schwimmabzeichens in Bronze vorbereitet werden. Die Abnahme erfolgt dann allerdings in einem der umliegenden größeren Bäder. Ihre Schwimmschulen auf Mietbasis in Poppenbüttel und Eidelstedt, die Jule Arendt seit 21 Jahren betreibt, bleiben bestehen. Dort kann sie Schwimmunterricht in 18-Meter-Becken anbieten.

In ihrer zwei Jahrzehnte andauernden Tätigkeit als Schwimmlehrerin hat Jule Arendt festgestellt, dass Kinder zunehmend motorisch unterentwickelt sind. „Ihnen wird zu viel abgenommen“, sagt sie. „In vielen Familien sind die Kinder heute die Bestimmer, was natürlich auch etwas damit zu tun hat, dass die Eltern aus beruflichen Gründen oft nicht die Zeit haben, sich mehr um sie zu kümmern.“ Im Kreis Segeberg, so hat sie festgestellt, gibt es zu wenig Schwimmmöglichkeiten für Kinder.