Norderstedt. Über 400 Partien hat Philipp Koch für Eintracht Norderstedt absolviert. Wie er die sportliche Krise einschätzt – und seine Zukunft.
Ein schicksalhaftes Derby steht an. Kassiert Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt gegen den Hamburger SV II an diesem Mittwoch, 6. März (19 Uhr, Edmund-Plambeck-Stadion), die sechste Pleite in Folge, steckt das Team endgültig tief im Abstiegskampf. Einer, der das verhindern will, ist Vizekapitän Philipp Koch. „Ich bin optimistisch und voller Tatendrang. Wir sind noch nie abgestiegen und ich werde für meinen Verein Eintracht Norderstedt und für die Menschen hier alles geben, damit das so bleibt.“
Der defensive Mittelfeldspieler ist eine lebende Spielerlegende bei den Garstedtern. Als Eintracht Norderstedt 2003 gegründet wurde, wechselte er als zwölfjähriger Junge in die Jugendabteilung des Clubs. Jetzt ist er 33 Jahre alt. Über 21 Jahre Vereinsgeschichte, über 21 Jahre Philipp Koch. Er war immer da. Über 400 Pflichtspiele alleine bei den Herren hat Koch auf dem Buckel. Der Aufstieg in die Regionalliga Nord (2013) und vier Hamburger Pokalsiege (2016, 2017, 2020 und 2021) gehören zu den großen Triumphen, an denen er seinen Anteil hatte. Doch die Frage stellt sich: Wie lange wird der ewige Philipp Koch noch in der Regionalligamannschaft spielen?
Eintracht Norderstedt: Hängt Philipp Koch noch eine Saison ran?
Nach Abendblatt-Informationen ist eine weitere Saison abgemachte Sache, wenngleich noch nicht vom Verein offiziell verkündet. Vielleicht muss die Frage grundsätzlicher formuliert werden: Was kann Philipp Koch der Mannschaft noch geben? Die Reaktionen der Zuschauer im Edmund-Plambeck-Stadion auf sein Spiel sind seit einiger Zeit gespalten. Was Koch immer noch kann: als klarer Strukturspieler saubere Pässe spielen, um brenzlige Situationen aufzulösen, richtige Laufwege antizipieren, gute Standards schlagen.
Was zunehmend nachlässt: seine frühere extreme Passgenauigkeit und sein Tempo. Es geht schon mal ein Raunen durchs Stadion, wenn er bei einem Konter des Gegners seine Laufduelle verliert. 14 Einsätze (ein Tor, eine Vorlage) sind für ihn in dieser Saison notiert. Beim bitteren 0:5 beim VfB Oldenburg durfte mal wieder sein Konkurrent Marc Bölter auf seiner Position ran, Koch wurde in der 69. Minute eingewechselt.
Selbstkritik: „Ich war nie der Schnellste und werde es auch nie sein“
Was Koch stets auszeichnet, ist seine offene und ehrliche Art. Er selbst bezeichnet seine aktuelle Saison als „durchwachsen“. Die Kritik an seinem fehlenden Tempo nimmt er an. „Ich kann mich nicht gegen die Wahrheit wehren. Ich war nie der Schnellste und werde es auch nie sein“, sagt er. Ein weiterer großer menschlicher Pluspunkt für ihn: seine herrlich selbstironische Art. Mit dem verletzenden Etikett des ,Präsidentensohns‘“, der nur spielt, weil sein kürzlich zurückgetretener Vater Reenald Koch als Clubboss fungierte, musste er lange leben. Nach seinem 250 Liga-Pflichtspiel für die Eintracht, dem 0:1 in der ersten Runde im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg am 13. August 2017, fand er für sein Jubiläum diese Worte: „Ich bin froh, dass der Verein einen Blinden wie mich 250 Spiele lang durchgeschleppt hat. Auf die nächsten 250!“
Das Wolfsburg-Spiel ist für ihn „das zweitgrößte Highlight meiner Karriere. Das größte Highlight war der Pokalsieg 2016 nach Verlängerung mit 4:1 gegen Altona 93. Deran Toksöz hat uns mit seinem 1:1 erst kurz vor Schluss in die Verlängerung gebracht. Nach dem Sieg fiel ein riesiger Druck von uns allen ab. So lange hatten wir probiert, den Pokal zu gewinnen. Nun waren wir endlich am Ziel“, sagt Koch.
DFB-Pokal und Hamburger Pokal: Höhen und Tiefen
Seine tiefste Enttäuschung? „Das mit 1:2 gegen die TuS Dassendorf verlorene Pokalfinale. Es gibt ein Foto von mir, wo ich danach enttäuscht auf der Bank sitze und irgendetwas lese. Ich war damals einfach nur froh, dass die Saison vorbei ist. Wir hatten erst eine Woche vorher in Egestorf den Klassenerhalt in der Regionalliga Nord klargemacht. Das hatte uns alle unheimlich viele Nerven gekostet.“
Koch liebt seinen Club, das steht außer Frage. Er erzählt mit viel Herz von diesen und anderen Höhen und Tiefen. Er ist sich aber auch bewusst, nicht mehr endlos lang spielen zu können. „Die ganz langfristige Lösung bin ich nicht mehr“, sagt er schmunzelnd. Ein Datum für sein Karriereende gesetzt hat er sich nicht.
Ein Wechsel in die zweite Eintracht-Mannschaft? „Warum nicht?“
Doch wenn es so weit ist, was kommt danach? Würde es ihn reizen, Führungsspieler in der so starken zweiten Mannschaft der Eintracht zu werden, die gerade zum dritten Aufstieg in Folge Richtung Oberliga Hamburg marschiert? „Warum nicht?“, sagt Koch, der dort schon öfter ausgeholfen hat. „Fußball spielen können die Jungs alle richtig gut. Nur manchmal ist das alles ein bisschen wild.“
- Raumnot beim Glashütter SV: „Auf acht Quadratmetern ziehen sich 15 Leute um“
- Klein gegen Groß: Total spannend – Sofian im Fußballduell mit Laura Wontorra
- Eintracht-Präsidentin: „Ich möchte nicht auf mein Geschlecht reduziert werden“
Dafür wäre er dann da. Mit genau dem richtigen Pass im richtigen Moment, um dem Spiel Struktur zu verleihen. Eines jedoch stellt Koch klar: „Sollte ich irgendwann in der Kreisliga mit meinen besten Freunden um eine Kiste Bier kicken, dann hieße das für mich, meine Karriere wäre beendet. Um für mich von meiner Karriere zu sprechen, braucht es einen gewissen Wettbewerbscharakter mit Leistungsorientierung.“
Eintracht Norderstedt: Koch glaubt fest an den Derby-Sieg gegen den Hamburger SV II
Und wie wäre es mit einer Karriere als Trainer? „Ich schließe es nicht mehr kategorisch aus“, sagt Koch. „Aber groß beschäftigt habe ich mich mit dieser Idee noch nicht.“
Denn was ihn jetzt beschäftigt, ist einzig und allein der Klassenerhalt. „Wenn ich an was anderes glauben würde als an einen Sieg gegen den HSV II, dann wäre ich hier falsch“, sagt Koch. Ob auf dem Platz oder zunächst von der Bank – Philipp Koch wird sein Bestes geben. So wie immer.