Norderstedt. 645 Zuschauer kommen gegen die SV Drochtersen/Assel – Rekord für ein Februar-Match. Warum es trotzdem viele enttäuschte Gesichter gibt.
Christadore und Utz Reincke waren sich einig. „Wir wollten heute mal unserem Sohn Willi beim Fußballspielen zusehen. Und die Ticket-Aktion von Eintracht Norderstedt bei diesem Spiel finden wir richtig gut.“
Der 20 Jahre alte Reincke spielt bei der SV Drochtersen/Assel – und seine Eltern hatten sich auf der langen Hinfahrt überlegt, wie viel Eintritt sie denn wohl bezahlen wollten. Schließlich galt für das erste Pflichtspiel von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt im Jahr 2024 die „Pay-what-you-want“-Devise, nach der die Fans den Preis selbst bestimmen konnten.
Eintracht Norderstedt: Ticket-Experiment im Edmund-Plambeck-Stadion
„Wir haben jeder 10 Euro gegeben. Wir finden, das ist angemessen für ein Regionalliga-Spiel“, sagte Utz Reincke. So fand also das große Experiment im Edmund-Plambeck-Stadion schon vor dem Spiel statt. Würden mehr Fans kommen? Und wie viel wären sie bereit zu bezahlen? Bei regulären Eintrittsmodalitäten nehmen die Garstedter 15 Euro (ermäßigt 12 Euro) für einen Tribünenplatz und 9 Euro (ermäßigt 7 Euro) für einen Stehplatz. Kinder unter 14 Jahren haben auch sonst im Ligabetrieb freien Eintritt.
Ein Familienvater mit zwei Töchtern war etwas sparsamer als die Reinckes. „Ich bezahle für uns drei zusammen 10 Euro. Das ist die Gelegenheit für uns, mal gemeinsam ins Stadion zu gehen“, sagte er. Ein jüngerer Mann wiederum legte der Kassiererin ein ganzes Bündel Geldscheine auf den Tisch. Die Summe wollte er nicht nennen, doch seine Liebe zur Eintracht muss groß sein.
Ein jüngerer Mann legt der Kassiererin ein Bündel Geldscheine auf den Tisch
Tatsächlich existierte auch ein Mindestpreis von 1 Euro. „Wir haben vor dem Match 80 Tickets online verkauft. Es war technisch nicht möglich, diese zu verschenken. Daher haben wir hier den symbolischen Euro genommen“, sagte Eintracht-Geschäftsführer Finn Spitzer. Im Online-Vorverkauf zahlten die Eintrach-Fans im Schnitt 4 Euro pro Karte.
„Wir hätten bei einem normalen Spiel ohne diese Aktion mit circa 350 Fans gerechnet. Nun sind 645 gekommen“, sagte Spitzer. Und die Einnahmen? „Finanziell haben wir ungefähr so viel Geld bekommen, wie wir auch bei einem regulären Eintritt von 350 Zuschauern erhalten hätten. Doch um das Geld ging es uns ja gar nicht. Wir hatten sogar einen Verluste einkalkuliert. Wir wollten unser Publikum wieder heiß auf Fußball machen und ins Stadion locken.“
Zuschauerzahl liegt über dem Schnitt von 540 Fans
Spitzer bekundete danach auch, dass die Eintracht grundsätzlich offen dafür sei, nach dieser guten Erfahrung eine solche Aktion irgendwann einmal zu wiederholen. Immerhin befand sich die Besucherzahl gegen die SV Drochtersen/Assel über dem Zuschauerschnitt von circa 540 Fans pro Begegnung.
Es gab nur einen Schönheitsfehler an diesem Nachmittag. So gelungen die Aktion für die Zuschauer war, so schlecht war der Fußball, den Eintracht Norderstedt bot. „Klar“, sagte Trainer Max Krause später schmallippig auf die Frage, ob es nicht schade wäre, dass sein Team auf dem grünen Rasen keine Werbung für sich hatte machen können.
Die Gastgeber können ihre zahlenmäßige Überzahl nicht nutzen
Schon in der ersten Halbzeit hatte Drochtersen die besseren Chancen in einer weitgehend ausgeglichenen Partie. Mit dem Platzverweis für Miguel Coimbra Fernandes kippte das Spiel ab der 40. Minute – aber kurioserweise in Richtung der Gäste, die mit zehn Mann in Unterzahl ein sehr effektives Pressing aufzogen.
Das Tor des Tages von Felix Schmiederer auf Vorlage von Kevin Rosin war die logische Folge der Überlegenheit der kampfstarken Gäste. Nur ein einziges Mal überspielte die Eintracht, die auf erstaunlich viele Flanken aus dem Halbfeld setzte und spielerisch nicht überzeugte, das frühe Pressing der Drochtersener effektiv. Doch Nils Brüning schoss den auf dem tiefen Geläuf leicht verspringenden Ball fünf Meter vor dem Tor in die Wolken (55.).
Eintracht Norderstedt: Mit solchen Leistungen droht der Abstiegskampf
„Kann ich auch hinterher zahlen? Ich würde das dann von der Leistung abhängig machen...“, hatte ein pfiffiger User drei Tage vor der Partie auf dem Social-Media-Account von Eintracht Norderstedt gefragt. „Die Jungs sind heiß, das könnte teuer für dich werden“, hatte die Eintracht geantwortet. Darauf der User: „Das habe ich schon mal gehört. Es folgte das Spiel gegen den ETV.“
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Bei den Eimsbüttelern verlor die Eintracht bekanntlich am 5. Oktober 2023 mit 0:5. Zwei Tage später war die Zeit von Olufemi Smith als Cheftrainer abgelaufen. Damals, nach dem zehnten Spieltag, war die Eintracht Sechster. Nun, nach dem 21. Spieltag, ist sie Zwölfter. Coach Max Krause hat aktuell wenig Argumente auf seiner Seite.
„Wir haben nicht proaktiv gehandelt und zu wild gespielt“, sagte er. Ändert sich das nicht, könnte die Eintracht in den Abstiegskampf rutschen. Gelungene Ticket-Aktionen bringen halt keine Punkte.