Henstedt-Ulzburg. Politiker wollen der AfD den Zugang zum Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg verwehren. Warum die Stadt Reinbek ein Vorbild ist.
Henstedt-Ulzburg ist seit längerer Zeit ein Treffpunkt für die AfD, die das Bürgerhaus für Parteiveranstaltungen nutzt. Bisher hatte die Gemeinde keine Möglichkeit, die Nutzung zu untersagen. Denn die Satzung des öffentlichen Gebäudes gestattet ausdrücklich, dass Parteien hier Räume mieten dürfen – auch die AfD. Das soll sich ändern: Die Satzungs- und Benutzungsordnung für das Bürgerhaus soll so geändert werden, dass Extremistenaller Art künftig ausgeschlossen werden können. Diesen Beschluss fasste der Ausschuss für Bildung und Kultur einstmmig.
Die Gemeindeverwaltung befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits möchte niemand, dass die AfD größere Versammlungen auf Landesebene im Bürgerhaus veranstaltet, andererseits gibt es bisher keine rechtlich abgesicherte Möglichkeit, eine Nutzung zu untersagen, weil alle anderen Parteien und Wählervereinigungen dann auch von der Nutzung des Bürgerhauses ausgeschlossen wären.
Die AfD hat diese rechtliche Lücke in der Vergangenheit reichlich genutzt. Immer wieder fanden im Bürgerhaus Parteiveranstaltungen statt, an denen teils hochrangige Funktionäre vom Landes- oder Bundesverband teilnehmen. Daran hat auch der folgenschwere 17. Oktober 2020 nichts verändert, als ein damaliges AfD-Mitglied aus Föhrden-Barl mit einem Pick-up auf einem Gehweg an der Beckersbergstraße eine Gruppe Gegendemonstranten vorsätzlich rammte und teils schwer verletzte.
Keine Extremisten ins Bürgerhaus – in Reinbek wurde bereits gehandelt
Im vergangenen Dezember wurde der Täter wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt – die Anklage hatte auf versuchten Totschlag plädiert. Der Prozess hatte für ein großes Medienecho gesorgt.
Auf Antrag der CDU-Fraktion in der Gemeindevertretung soll sich Henstedt-Ulzburg jetzt an der Stadt Reinbek orientieren. Dort nämlich haben die politischen Vertreter im Herbst vergangenen Jahres eine Satzung für die Nutzung des Reinbeker Schlosses verabschiedet, in der verankert ist, dass Veranstaltungen „keine extremistischen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen, sonstigen menschenverachtenden oder antidemokratischen Inhalte“ haben dürfen.
Auf Antrag der CDU nimmt Henstedt-Ulzburg Kontakt mit Reinbek auf
Ähnlich wie im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus war auch das Schloss in Reinbek in der Vergangenheit ein beliebter Veranstaltungsort von Vereinigungen vom rechten Rand. Bei einer Veranstaltung der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung im Mai vergangenen Jahres standen laut Hamburger Bündnis gegen Rechts auch Anhänger der Identitären Bewegung und vom verbotenen „Flügel“ der AfD auf der Rednerliste.
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„Die Verbreitung von gestrigem völkischen Gedankengut hat in unserem Schloss und in unserer Stadt nichts zu suchen“, befanden die Reinbeker Kommunalpolitiker und änderten die Satzung für die Nutzung des Schlosses. Genau das haben die örtlichen Politiker in Henstedt-Ulzburg auch vor. Die CDU empfiehlt der Gemeindeverwaltung, Kontakt mit der Stadt Reinbek aufzunehmen, dort nach den Erfahrungen mit der Nutzungssatzung zu erfragen und die hiesige Satzung entsprechend abzuändern.
Bürgermeisterin Ulrike Schmidt will Extremismus keinen Raum geben
Nicht nur die Mitglieder des Ausschusses für Bildung, Jugend, Kultur und Sport stellten sich geschlossen hinter den Antrag, auch Bürgermeisterin Ulrike Schmidt befürwortete ihn: „Ich nehme den Auftrag gerne an. Wir dürfen dem Extremismus in Henstedt-Ulzburg keinen Raum geben.“ Sie sei begeistert, dass Menschen in ganzen Deutschland auf die Straße gingen, um gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD zu demonstrieren.
Auf Vorschlag der Wählergemeinschaft Henstedt-Ulzburg (WHU) wurde der CDU-Antrag um einige Nuancen verfeinert. So sollen Träger von Bekleidungsmarken wie „Thor Steinar“ und „Consdaple“ das Bürgerhaus nicht betreten dürfen. Etliche Verfassungsschützer und zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in dieser Kleidung Erkennungsmerkmale der rechtsextremen Szene. „Consdaple“ enthält zum Beispiel das Kürzel „NSDAP“ für Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei im Markennamen.
Reinbek hat noch keine Erfahrungen mit der neuen Satzung gemacht
In Reinbek hat es seit der Satzungsänderung für das Schloss im Oktober 2023 noch keinen Antrag von extremistischen Organisationen auf Nutzung der Räumlichkeiten gegeben. Bürgervorsteherin Brigitte Bortz (CDU) hofft aber, dass der politische Beschluss Wirkung zeigt: „Wir haben die Satzung bewusst so geändert, dass im Schloss weder die AfD, noch andere extremistische Gruppierungen tagen dürfen. Ob die geänderte Satzung Wirkung zeigt, weiß ich nicht, wir haben aber ein Auge darauf.“
Die CDU hätte mit einer geänderten Satzungs- und Benutzungsordnung für das Bürgerhaus tatsächlich alle politischen Gruppierungen ausschließen können – diese Absicht aber hat in Henstedt-Ulzburg offenbar niemand. „Wir lassen uns nicht aus dem Bürgerhaus verdrängen“, sagt Michael Meschede, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender Mitinitiator des CDU-Antrages ist. FDP-Politiker Stephan Holowaty sprach während der Sitzung auch für seine Ausschusskollegen: „Wir sind uns alle einig, dass Henstedt-Ulzburgs Bürgerhaus nicht von Extremisten genutzt werden darf.“