Norderstedt. Umweltminister Goldschmidt kam am Montag nach Norderstedt. Wie lange es dauern wird, die illegale Müllkippe abzutragen.
Seit Jahren ist er das vielleicht größte Ärgernis in Norderstedt: die illegale Müllkippe der ehemaligen Firma Gischen Containerdienst in Friedrichsgabe. Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen Stadt und Land Schleswig-Holstein wird sie jetzt endlich abgeräumt. Am Montag kam Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) zur Besichtigung der Baustelle.
Rund 15 000 Kubikmeter unsortierter Müll – vom Bauschutt über Plastikfolien bis zur Dachpappe – soll in den nächsten drei Monaten abgetragen und sortiert werden. Die Stadt Norderstedt und das Land hätten ganz eng zusammengearbeitet, damit die Räumung stattfinden kann, sagte Goldschmidt.
Norderstedt entsorgt tonnenweise illegalen Müll – Bagger räumen Skandal-Haufen weg
Über zwei Jahrzehnte hatte sich im Gewerbegebiet Friedrichsgabe, zwischen Tycho-Brahe-Kehre und Beim Umspannwerk, Müll aller Art angesammelt. „Es gut, dass hier endlich Fakten geschaffen werden und der Müllberg entfernt wird“, sagte der Minister.
Tobias Goldschmidt ist schon lange im Umweltbereich tätig, einen solchen Fall hat er allerdings noch nie erlebt. „Das ist schon etwas Besonderes“, sagte er und meinte damit nicht nur das illegale Ansammeln von Müll in einem bisher noch nicht gekannten Ausmaß, sondern auch die nach seinen Worten enge Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land.
Räumung kostet 3 Millionen Euro
Der Minister und Norderstedts Baudezernent Christoph Magazowski stellen sich gemeinsam vor die Kameras und demonstrierten Entschlossenheit und Einigkeit. Tatsächlich hatte es lange ganz anders ausgesehen: Der Streit um die Zuständigkeit währte einige Jahre. Stadt und Land konnten sich nicht einigen, wer für die Entsorgung des Mülls zuständig sein sollte. Immerhin ging es hier um Millionenbeträge.
Drei Millionen Euro, schätzt Tobias Goldberg, wird die Entsorgung kosten. Christian Rauch vom Hamburger Recyclingunternehmen Ehlert & Söhne bestätigt diese Summe. Er ist der Verantwortliche für den ordnungsgemäßen Abbau der Müllhalde.
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Das ist der ausgehandelte Deal: Das Land übernimmt zunächst die Koordination der anstehenden Arbeiten sowie die anfallen Kosten. Im Gegenzug wird die Stadt Norderstedt die Erlöse aus einem späteren Verkauf der geräumten Fläche als Teilkompensation an das Land zurückerstatten. Das Grundstück allerdings kann nur verkauft werden, wenn kein giftiges Wasser in den Untergrund und damit in das Grundwasser gelangt ist.
Probebohrungen haben ergeben: Kein Anhalt für Verseuchung des Grundwasser
Da die Müllkippe seit über zwei Jahrzehnten unbedeckt Wind und Wetter ausgesetzt war, könnte der Untergrund tatsächlich beeinträchtigt sein: 15.000 Kubikmeter Müll wurden ständig beregnet. Bis jetzt allerdings, darauf weist Baudezernent Christoph Magazowski hin, habe sich bei Probebohrungen kein Anhalt für eine Verseuchung des Grundwassers ergeben. Während der Räumungsarbeiten und danach werde es weitere Kontrollen geben.
Die Mitarbeiter des Hamburger Recyclingunternehmens müssen in den nächsten Monaten unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Das Gelände ist schwer zugänglich, auf Freiflächen müssen die verschiedenen Abfälle sortiert werden. Dafür werden am Rande der Müllkippe Container aufgestellt, die später von einem Hamburger Entsorgungsunternehmen abtransportiert werden.
Müllräumung: In den Baggerkabinen herrscht Unterdruck, Arbeiter tragen Schutzanzüge
Nach den Vorarbeiten auf dem Müllgelände wird der sortierte Müll zu verschiedenen Mülldeponien transportiert und dort fachgerecht recycelt. Für die Dauer der Räumungsaktion wird der Verbindungsweg für Fußgänger und Radfahrer zwischen Tycho-Brahe-Kehre und der Straße Beim Umspannwerk gesperrt. Der Abtransport der Abfälle erfolgt ausschließlich über die Tycho-Brahe-Kehre.
Die Mitarbeiter tragen Ganzkörperschutz, in den Baggerkabinen herrscht zudem Unterdruck. Die Luft wird ständig gemessen. Aber der Entsorgungsverantwortliche Christian Rauch ist zuversichtlich: „Der Regen bindet die Schadstoffe zurzeit natürlich.“ Umweltminister Goldberg und alle anderen, die am Montag dabei waren, trugen Atemschutzmasken, um sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Der Minister und der Norderstedter Baudezernent nahmen sie nur kurzzeitig für die Fotografen und Kameraleute der TV-Sender ab.
Der Norderstedter BUND empfing den Minister mit Plakaten
Begleitet wurde die Aktion von Mitgliedern des BUND Norderstedt, die die jetzt bevorstehende Räumung der illegalen Müllkippe auch als einen eigenen Erfolg feierte. Sie empfingen den Umweltminister mit Plakaten und machten darauf aufmerksam, wie es überhaupt zu einer Räumung des Geländes kommen konnte: Bürger, BUND und die Presse hätten den Anstoß gegeben. „Vier Millionen Euro – eine gute Investition für die Gesundheit und das Grundwasser“, hieß es auf einem der Plakate.
Das frühere Grundstück der Firma Gieschen war ursprünglich als Abfall-Zwischenlager genehmigt worden, auf dem höchstens 2900 Tonnen Abfall gelagert werden dürfen. Über Jahre wurde jedoch illegal Müll in unerlaubter Menge und Art gelagert. Seit 2018 fand kein Abtransport mehr statt, sodass sich dort eine geschätzte Menge von 15.000 Kubikmeter Müll ansammeln konnte. Alter Bauschutt, Autoreifen, Dachpappen, asbesthaltige und andere giftige Stoffe liegen seitdem unberührt auf dem Grundstück zwischen den Firmen Delta Fleisch und Kiesow. Bis zu sechs Meter hoch türmen sich die Abfallberge. In den unteren Bereichen hat bereits der Zersetzungsprozess sichtbar.
Der Eigentümer tauchte jahrelang unter. Vor zweieinhalb Jahren aber wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Dazu muss er 598.000 Euro zahlen und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
SPD Norderstedt: Lob für Oberbürgermeisterin Roeder
Die SPD Norderstedt nutzte den Auftakt der Arbeiten dazu, der Ex-Oberbürgermeisterin Elke Chriostina Roeder eine Dankeschön hinterherzurufen. „Es ist der Hartnäckigkeit unserer ehemaligen Oberbürgermeisterin zu verdanken, dass es nach langen Verhandlungen mit dem Land, eine gemeinsame Lösung für dieses Problem gibt und dieser durch die Firma Gieschen verursachte Müllskandal ein Ende findet“, sagte der Fraktionsvorsitzende, Nicolai Steinhau-Kühl. „Wir sind Frau Roeder und ihrer Verwaltung dankbar, dass ihnen dieses Kunststück gelungen ist und Friedrichsgabe nun von diesem Schandfleck befreit wird.“