Norderstedt. Männer dominieren die Straßennamen der Städte. In Norderstedt sind jetzt gleich drei Damen für Widmungen im Gespräch.
Sie waren äußerst präsent. Und mindestens genauso engagiert, haben sich großem Herzen und viel Leidenschaft für eine bessere Gesellschaft in Norderstedt und weit darüber hinaus eingesetzt: Schleswig-Holsteins frühere Sozialministerin Heide Moser (SPD), Liesel Hünichen und Charlotte Paschen (beide CDU). Nun könnten die Politiker mindestens eine aus dem inzwischen verstorbenen Trio posthum ehren, indem sie neue Straßen nach ihnen benennt.
Gemeint sind die „Planstraße A“ und die „Planstraße B“, die das Neubaugebiet südlich der Harckesheyde und beidseitig der Falkenbergstraße erschließen werden. Dort will die Firma Schaffarzyk auf rund 47.000 Quadratmetern 205 Wohnungen und Häuser bauen, 164 Geschosswohnungen und Stadtvillen sowie 41 Reihen- und Doppelhäuser.
Straßennamen: Heide Moser, Charlotte Paschen oder Liesel Hünichen
Das Bauprojekt ist beschlossen, nun sollen die Straßennamen folgen. Die Verwaltung hat für die nächste Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Vorschläge erarbeitet (Donnerstag, 2. November, ab 18.15 Uhr, Rathaus). Auf der Vorschlagliste stehen für jede der beiden Erschließungsstraße vier Wahlmöglichkeiten. Je zwei passen zu den Straßennamen der Umgebung, die beiden anderen bezeichnen eben die bekannten Norderstedter Frauen.
Für die Planstraße A, die von der Harckesheyde ins Neubaugebiet führen wird, stehen „Moorkoppel“, „Harkesried“, „Heide-Moser-Weg“ und „Liesel-Hünichen-Weg“ zur Wahl. Bei der Planstraße B, die von der Falkenbergstraße abzweigt, können die Politiker zwischen „Moosbeerenweg“, „Harkesmoor“, „Heide-Moser-Kehre“ und „Charlotte Paschen“ wählen.
Frauen sind als Namensgeber für Straßen stark unterrepräsentiert
Die Fraktion von Wir in Norderstedt/Freie Wähler hatte am 21. September beantragt, mehr neue Straßen nach Frauen zu benennen. So solle der „eklatante Unterschied zwischen nach Männern benannten Straßen und nach Frauen benannten Straßen“ verringert werden. Mit den jetzigen Vorschlägen will die Verwaltung dazu beitragen, das Ungleichgewicht abzubauen.
Dass Heide Moser zweimal auftaucht, ist ihrem Amt und der damit verbundenen öffentlichen Aufmerksamkeit geschuldet. Die 1943 in Osnabrück geborene Lehrerin schaffte 1987 von Norderstedt aus nicht nur den Sprung in den Landtag, die Sozialdemokratin gehörte mehr als zehn Jahre der Landesregierung an. Als Ministerin beackerte die streitbare Politikerin die Bereiche Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz.
Legalisierung von Cannabis – damit sorgte Heide Moser bundesweit für Furore
Bundesweit machte Heide Moser Mitte der 90er-Jahre mit einem Projekt Schlagzeilen, das jetzt, mehr als 25 Jahre später, von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorangetrieben wird: die Legalisierung von Cannabis.
Seine schleswig-holsteinische Kollegin wollte in einem Modellversuch erreichen, dass Haschisch kontrolliert in Schleswig-Holsteins Apotheken abgegeben wird. Doch ihre Initiative scheiterte, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte widersprach, Bundesgesundheitsminister Seehofer sprach gar von einer „Schnapsidee“. Heide Moser starb 2009 in Norderstedt an den Folgen einer Krebserkrankung.
Liesel Hünichen: engagierte Sozialpolitikerin und Zeitzeugin
Liesel Hünichen machte sich vor allem als Streiterin für die Frauen einen Namen. Sie wurde 1919 in Münster geboren, kam 1960 nach Norderstedt und mischte engagiert in der Kommunalpolitik mit, und da vor allem in der Sozialpolitik. Ihr Einsatz galt Kindern, Frauen und Familien. Die Christdemokratin gründete den Deutschen Kinderschutzbund, die Frauenvereinigung der CDU, später Frauen-Union, und den Verband alleinstehender Mütter in Norderstedt und auf Kreis- und Landesebene.
- Trauer um eine starke Frau
- Trauer um frühere Sozialministerin Heide Moser
- Eine Jahrhundert-Zeugin ist tot
1974 wurde Liesel Hünichen als erste Frau der CDU per Direktwahl in den Kreistag Segeberg und 1984 beim Presseball in Bad Segeberg zur „Frau des Jahres“ gewählt. 1990 hob sie den Seniorenbeirat der Stadt Norderstedt mit aus der Taufe. Sie schrieb mehrere Bücher, ging als Zeitzeugin in Schulen und berichtete dort über die Nazi-Gräuel. Für ihr Engagement wurde Liesel Hünichen 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie starb im Februar 2021 in Trier.
Charlotte Paschen war die erste Stadtpräsidentin Norderstedts
Die Dritte im Bunde der möglichen Namensgeberinnen ist Charlotte Paschen. Sie wurde 1938 in Uetersen geboren und zog 1960 nach Friedrichsgabe. Von 1971 bis 1998 arbeitet sie als Musikschullehrerin in Norderstedt. Von 1997 bis 2003 leitete Charlotte Paschen den CDU-Ortsverband und machte ihn durch ihren persönlichen Einsatz zu einem der mitgliederstärksten in Schleswig-Holstein.
1998 folgte sie ihrem Mann Herbert, der für die CDU auch im Landtag saß, in die Stadtvertretung. Im April 2003 wurde die immer freundlich, aber durchaus resolute Kommunalpolitikerin zur Bürgervorsteherin gewählt, drei Monate später wurde sie aufgrund einer Änderung der Gemeindeordnung zur ersten Städtpräsidentin Norderstedts. Charlotte Paschen starb Anfang 2008, sie hatte den Kampf gegen den Krebs verloren.