Norderstedt. Die Angst vor den Kosten für die neue Heizung geht um. Abendblatt-Energieexperten verraten, wo und wie es Fördergeld gibt.

Seit der eher unbeabsichtigten Veröffentlichung des ersten Entwurfs des überarbeiteten Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) machen beängstigende Zahlen rund um die Anschaffung einer Wärmepumpen-Heizung die Runde. Auch Politiker beteiligten sich an der Diskussion und warnten vor Kosten in astronomischer Höhe. Besonders Bayerns Ministerpräsident Markus Söder tat sich hier hervor, indem er die zu erwartenden Gesamtkosten inklusive allhinfälliger Sanierungen eines Bestandsgebäudes mit 300.000 Euro bezifferte.

„Woher der Spitzenpolitiker aus dem südlichsten Bundesland diese Zahlen hat, ist nicht belegt“, sagt Martin Oster, der gemeinsam mit Anne Pamperin in einer Serie in der Norderstedter Regionalausgabe des Hamburger Abendblatts über das neue Heizungsgesetz schreiben. Die beiden Energierexperten zeigen auf, was das neue Gesetz bezweckt und im Detail bedeutet. Die beiden Quickborner betreiben seit April 2020 den Youtube-Kanal „gewaltig nachhaltig“ und haben mittlerweile mehr als 70.000 Abonnenten.

Sicher sei, so Martin Oster, dass es in vielen Fällen nicht mit dem einfachen Tausch einer Gas- oder Öltherme gegen eine Wärmepumpe oder ein vergleichbares Heizsystem gemäß den Vorgaben des GEG getan sei. Lesen Sie, welche Ratschläge Oster und Pamperin für Wohnungs- und Hausbesitzer haben, die ihre Immobilie fit für die Energiewende machen wollen:

Es ist ratsam, einen Energieberater einzuschalten

Abendblatt-Energieexperte Martin Oster freut sich über die positiven Bescheide vom BAfA (Bundesamt für Ausfuhrkontrolle) für sein Elektroauto und seine Wärmepumpe.
Abendblatt-Energieexperte Martin Oster freut sich über die positiven Bescheide vom BAfA (Bundesamt für Ausfuhrkontrolle) für sein Elektroauto und seine Wärmepumpe. © Anne Pamperin (NZ) | Anne Pamperin

Wer noch überhaupt keine Dämmung im Ober- oder Dachgeschoss und noch Fenster mit alter Ein- oder Zweifachverglasung hat, der sollte zunächst einen Energieberater hinzuziehen. Dieser kann Maßnahmen zusammenstellen, die die Effizienz einer Wärmepumpe deutlich verbessern.

Auch wir hatten einen Energieberater im Haus, der uns aufzählte, mit welcher Sanierungsmaßnahme wie viel Energieeinsparung im Heizbereich möglich ist. Wir haben uns daraufhin zu den jeweiligen Maßnahmen Angebote eingeholt. So konnten wir abschätzen, ob es wirtschaftlich vertretbar oder sogar notwendig für den Betrieb einer Wärmepumpe ist, zum Beispiel das Dach oder die Fenster auf den neuesten energetischen Stand zu bringen.

Auch der Tausch von Heizkörpern wird finanziell unterstützt

Wichtig ist, in solche Überlegungen auch die staatlichen und regionalen Fördermöglichkeiten mit einfließen zu lassen. Denn jede Maßnahme, die ein Gebäude energieeffizienter und mit regenerativen Energien beheizbar macht, wird finanziell unterstützt.

Allen voran steht hier die Förderkulisse für das GEG. Für die Anschaffung einer mit mindestens 65 Prozent regenerativen Energien betriebenen Heizung gibt es in jedem Fall eine Grundförderung von 30 Prozent – sowohl auf die Heizung selbst, alle dazugehörigen Materialien und auf alle für den Einbau notwendigen Arbeiten. Letzteres beinhaltet auch den Tausch von Heizkörpern. Dies gilt für selbstgenutzte, vermietete, unternehmerisch oder gemeinnützig genutzte und kommunale Gebäude.

Wer vor 2028 umrüstet, bekommt die Hälfte der Kosten erstattet

Weitere 20 Prozent Förderung vom Bund gibt es für schnellentschlossene Eigenheimbesitzer, die ihre Immobilie auch selbst bewohnen. Wer vor dem Jahr 2028 auf eine solche zukunftssichere Heizlösung umsteigt, wird mit insgesamt der Hälfte der Gesamtkosten unterstützt. Weitere fünf Prozent Nachlass winken bei der Wahl für eine Wärmepumpe, die ein nachhaltiges Kältemittel verwendet.

Derzeit liegt hier R290 – Propangas, das in jedem Gasgrill zu Einsatz kommt – im Trend. Dieses har im Gegensatz zu den aktuell gängigen Alternativen nicht das Problem, dass es beim Freiwerden extrem klimaschädlich wirkt. Wer die Innovationsprämie einstreichen möchte, sollte hierauf achten. Liegt das zu versteuernde Haushaltseinkommen unter 40.000 Euro, gibt es noch einmal 20 Prozent oben drauf.

Zinsgünstige Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

Die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe steht vor einem Wohnhaus: Wer schnell ist, kann beim Einbau Tausende Euro Zuschuss bekommen.
Die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe steht vor einem Wohnhaus: Wer schnell ist, kann beim Einbau Tausende Euro Zuschuss bekommen. © dpa | Silas Stein

Die Gesamtfördermenge ist allerdings auf 70 Prozent und 30.000 Euro gedeckelt. Damit wird der Marktdynamik Rechnung getragen. Geförderte Produkte neigen dazu, dass sie sich im Rahmen ihrer Förderung verteuern – mit der Deckelung soll die Preisspirale gestoppt werden. Kombiniert werden die Förderungen mit einem zinsgünstigen Kredit durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Eine neue Wärmepumpe für das Eigenheim mit einem Gesamtpreis von 35.000 Euro kostet den „schnellentschlossenen“ einkommensschwächeren Haushalt also lediglich 10.500 Euro. Ein direkter Wechsel von Gas zu Gas dürfte nur unwesentlich günstiger ausfallen.

Energieberater erstellt individuellen Sanierungsfahrplan

Befindet sich das Gebäude in einem für den Betrieb einer Wärmepumpe ungeeigneten Zustand, gibt es weitere Förderungen für die entsprechenden Maßnahmen. Diese belaufen sich auf 15 Prozent je Maßnahme zuzüglich weiterer fünf Prozent, wenn man sich vom Energieberater einen individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) erstellen lässt.

Dieser beinhaltet neben dem Ist-Zustand des Gebäudes mehrere Maßnahmen hin zu einer energetisch optimierten Immobilie. Die Maßnahmen sind dabei als Vorschläge zu verstehen und sind nicht verbindlich. Der iSFP wird mit 80 Prozent vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) bezuschusst.

Rechenbeispiel für ein Haus aus den 70er-Jahren

Ein Rechenbeispiel: Eine Familie mit einem zu versteuernden Einkommen von 50.000 Euro jährlich bewohnt ein Haus aus den 70er-Jahren. Weder Dach noch Fenster wurden je erneuert. Der Umstieg von Gastherme auf Wärmepumpe ist geplant. Der Energieberater empfiehlt mindestens den Tausch der alten Fenster gegen moderne Thermo-Verglasung und eine Isolierung der obersten Geschossdecke im Spitzboden.

Neue Fenster werden mit 30.000 Euro veranschlagt, die Obergeschossdämmung mit 20.000 Euro und die neue Wärmepumpe, die nach diesen Maßnahmen entsprechen kleiner dimensioniert werden kann, liegt bei 35.000 Euro. In der Summe werden 85.000 Euro fällig – was auf den ersten Blick für Kopfzerbrechen sorgen kann. Durch die Förderung werden die Kosten der Wärmepumpe allerdings auf 17.500 Euro und die der energetischen Maßnahmen auf 40.000 Euro verringert. So beträgt der Gesamtaufwand nach Förderung noch 57.500 Euro.

Alle Kosten müssen berücksichtigt werden

Das ist viel Geld, doch die Alternative könnte wesentlich teurer werden: Die CO2-Bepreisung auf fossile Brennstoffe wird ab 2024 nach der inflationsbedingten Aussetzung wieder aufgenommen. Bis 2026 steigt der Preis pro Tonne CO2 auf 65 Euro. Das heißt, der Gaspreis wird um 1,3 Cent steigen. Ab 2027 geht die nationale CO2-Bepreisung in den europäischen Zertifikate-Handel über. Preise von 300 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 sind dann nicht ausgeschlossen.

Das würde den Gaspreis neben Inflation und Beschaffungskosten um weitere 6 Cent steigen lassen. Alleine dadurch können in einem ungedämmten Haushalt wie in unserem Rechenbeispiel jährliche Mehrkosten von 2000 Euro und mehr entstehen. Auf die Lebensdauer einer Gastherme summiert dich das zu einer stattlichen Summe.

Mehr zum Thema

Genau diese Berechnungen sind auch Inhalt der Beratungsgespräche, die zukünftig beim Einbau einer Gas- oder Ölheizung für die Betreiber verpflichtend werden. Verbraucherzentralen warnen schon heute davor, nur die Mehrkosten der aktuellen Umstellung auf regenerative Verbraucher zu sehen. Die Gesamtrechnung könnte am Ende negativ sein.

Bis 2027 will der Bund 211 Milliarden Euro bereitstellen

Hohe Summen stehen also zukünftig im Raum. Bis 2027 will der Bund 211 Milliarden Euro bereitstellen. Diese Finanzmittel werden aber nicht pauschal aus dem Steuertopf genommen. Sie werden über den Klima- und Transformationsfond zur Verfügung gestellt. Dieser speist sich hauptsächlich aus den Einnahmen des europäischen Zertifikate-Handles und der nationalen CO2-Bepreisung. Es gilt also nicht das linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip, sondern die Gelder werden zweckgebunden entnommen und wieder bereitgestellt.

Auch wir haben die Mehrkosten für den Umstieg auf Eigenenergieerzeugung mittels Photovoltaikanlage, Elektroauto und Wärmepumpe durchgerechnet und liegen über die Betriebszeit bei einem Plus im fünfstelligen Bereich bei nur minimal steigenden Energiepreisen.