Norderstedt. Reifen, Felge und Bremsen nach Fahrt auf der Segeberger Chaussee demoliert. Wann man eine Kommune zur Kasse bitten kann.
- Schlagloch lag auf einer der meistbefahrenen Straßen der Stadt
- Rechtsstreit mit der Stadtverwaltung zog sich über Monate
- ADAC: „Autofahrer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass es keine Schäden auf Straßen gibt.“
Ende Dezember 2022. Es ist bereits dunkel, als Norman Dehmel in sein Auto steigt. Gemeinsam mit seiner Mutter fährt er in Richtung Baumarkt. Plötzlich ruckelt und kracht es auf der Segeberger Chaussee in Norderstedt auf der Höhe des Penny-Marktes. Der 30-Jährige ist mit seinem VW Golf durch ein tiefes Schlagloch gefahren. Mitten auf einer der meistbefahrenen Straßen der Stadt. „Ich habe einen extremen Schlag gespürt. Das Auto hat nach rechts gezogen“, berichtet Dehmel.
Vorsichtig rollt er auf den nächstgelegenen Parkplatz. Mit seinem Wagen kann er unmöglich weiterfahren. Reifen, Felge und Bremsanlage sind kaputt. Er ruft die Polizei und den Abschleppdienst. Die Reparatur kostet ihn mehr als 1200 Euro.
Schlagloch: Geschädigter bekommt Reperaturkosten teilweise erstattet
Nach dem Unfall denkt Dehmel zunächst, er hätte einfach Pech gehabt. Den durch das Schlagloch verursachten Schaden müsse er selbst bezahlen. Doch die Polizei gibt ihm den Hinweis, sich mit der Rechnung an die Norderstedter Verwaltung zu wenden. „Die Beamten haben mir bestätigt, dass dies eine Angelegenheit der Stadt sei.“
Obwohl er alle Formulare ordnungsgemäß ausfüllt, passiert viele Monate lang nichts. Erst als Dehmel die Sprechstunde von Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder besucht, kommt Bewegung in seinen Fall. Schließlich werden dem Norderstedter nach einem halben Jahr Wartezeit immerhin 840 Euro seiner Reparaturkosten von der Stadt erstattet. Die restlichen 400 Euro muss er selbst tragen, da er nicht beweisen kann, dass die Bremsanlage ebenfalls durch den Unfall kaputt gegangen ist. „Nach dem ganzen Hin und Her bin ich damit vollkommen zufrieden“, sagt Dehmel.
Stadt, Kreis, Land oder Bund für Zustand der Straßen verantwortlich
Für die Sicherheit und den Zustand der Straßen ist je nach Zuständigkeit entweder Kommune, Kreis, Land oder Bund verantwortlich. Doch viele Verkehrsteilnehmer wissen gar nicht, dass eine Stadt unter bestimmten Voraussetzungen die Kotsen für Fahrzeugschäden durch kaputte Straßen übernehmen muss. Das Abendblatt erklärt: In welchen Fällen zahlt der Autofahrer selbst? Und wann muss die Kommune einspringen?
Grundsätzlich gilt: Auf viel befahrenen Straßen – wie etwa der Segeberger Chaussee – müssen laut ADAC mehrmals wöchentlich Kontrollen erfolgen, unter Umständen sogar täglich. Auf weniger befahrenen und verkehrsunwichtigen Straßen reicht gegebenenfalls eine einmalige Kontrollfahrt pro Woche oder alle paar Wochen aus. In der Realität sind diese Anforderungen allerdings kaum zu erfüllen. „Von einer Gemeinde ist nicht zu erwarten, dass sie jeden Tag die wichtigsten Straßen abfährt. Sie ist auf Meldungen der Autofahrenden angewiesen“, sagt Rainer Pregla, Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein.
Norderstedt kontrolliert regelmäßig gesamtes Straßennetz
In Norderstedt überprüfen Straßenkontrolleure und Wegewarte regelmäßig den Zustand der Straßen, Geh- und Radwege sowie der Wege in Grünanlagen. Die Gesamtlänge des Straßennetzes beträgt laut Stadtverwaltung annähernd 360 Kilometer, die zu kontrollierende Fahrbahnfläche liegt bei mehr als 1,763 Millionen Quadratmetern. Davon sind rund 87 Prozent aspahltiert.
„Im Falle von Hauptverkehrsstraßen findet zum Beispiel mindestens eine Kontrolle alle zwei Wochen statt“, sagt Rathaussprecher Bernd-Olaf Struppek. Zudem erfolgen zumeist alle drei Jahre detaillierte, technische Messungen des gesamten Straßennetzes. „Daraus ergibt sich ein Jahresplan von Straßen- und Wegesanierungen“, erklärt Struppek.
Unfall durch Schlagloch sollte genau dokumentiert werden
Sollte ein Schlagloch entdeckt werden, erfolge in aller Regel eine Ausbesserung „sehr zügig“. Nach dem Autounfall von Norman Dehmel ist sofort ein Team ausgerückt und hat den brüchigen Asphalt repariert. „In den Vorjahren wurde jeweils pro Jahr eine Fahrbahnfläche von insgesamt mehr als 50.000 Quadratmetern instandgesetzt“, berichtet Struppek.
Sollten Auto oder Motorrad dennoch beschädigt werden, empfiehlt die Stadt genau wie der ADAC den Schaden und den Unfallort möglichst genau mit Fotos zu dokumentieren, Zeugen zu notieren und den Fall schnell anzuzeigen. „Die Stadt prüft dann in Zusammenarbeit mit der Versicherung jeweils den Einzelfall“, so Struppek.
Kaputter Asphalt: Wann der Schadensersatzanspruch entfällt
Das heißt aber noch lange nicht, dass die Kommune wirklich zur Kasse gebeten werden kann: „Ein Schadensersatzanspruch kann ganz entfallen oder gekürzt werden, wenn die Schlaglöcher gut erkennbar waren, eine Warntafel vorhanden war oder die aufgrund der Gefahrenstelle angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung nicht eingehalten wurde“, erklärt ADAC-Sprecher Rainer Pregla. Ein Kraftfahrer dürfe nicht generell davon ausgehen, dass der Fahrbahnbelag in Ordnung sei und keine Schäden aufweise.
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Da Norman Dehmel im Dunkeln auf einer Hauptverkehrsstraße unterwegs war und kein Warnschild auf das Loch in der Asphaltdecke hingewiesen hat, war das Recht auf seiner Seite. Rainer Pregla stellt dennoch eine Bitte an die Auto- und Motorradfahrenden: „Auch wenn ich jeden Tag dieselbe Strecke fahre, darf ich mich nicht darauf verlassen, dass es keine Schäden an der Straße gibt. Der Zustand kann sich täglich ändern.“
Entdecken Bürgerinnen und Bürger in Norderstedt ein Schlagloch in der Straße, können sie dieses per digitalem Mängelmelder der Stadt mitteilen. Bei akuter Gefahr für die Verkehrsteilnehmer ist auch die Polizei zu informieren.