Kreis Segeberg. Nach Hamas-Angriffen wurden in Synagoge in Bad Segeberg alle Veranstaltungen abgesagt. Gottesdienste finden nur per Zoom statt.
- Ayala Nagel ist Vorsitzende des Norderstedter Vereins "Chaverim – Freundschaft mit Israel"
- Seitdem die Hamas Israel angegriffen hat, bangt sie jeden Tag um ihre Familie in ihrem Heimatland.
- In Bad Segeberg wurden die Veranstaltungen in der Synagoge vorsorglich abgesagt.
Ayala Nagel atmet tief ein. Dann seufzt sie. Sie möchte etwas sagen. Aber sie weiß einfach nicht was. „Es ist schwer in Worte zu fassen, wie ich mich gerade fühle“, sagt sie. Ihre Stimme klingt zittrig. So als würde sie jeder Satz unendlich viel Kraft kosten. „Ich bin entsetzt, was in Israel passiert.“
Eigentlich wollte die Vorsitzende des Norderstedter Vereins „Chaverim – Freundschaft mit Israel“ am Sonnabend mit ihrer Familie den letzten Tag des Laubhüttenfestes feiern, ein jüdisches Fest, das auch Sukkot genannt wird. Doch als sie am Morgen auf ihr Handy schaut und die Nachrichten aus ihrem Heimatland liest, weiß sie, das heute kein Tag zum Feiern ist.
Terror in Israel: „Jeder kennt jemanden, der ermordet wurde“
Die Hamas hat Israel angegriffen. Auf einem Musik-Festival ermordeten Mitglieder der Terrororganisation auf bestialische Weise junge Menschen. Viele von ihnen wurden verschleppt und werden noch immer vermisst. „Seitdem schlafe ich kaum noch“, sagt Ayala Nagel. Der Großteil ihrer Familie lebt in Israel. Ihre Mutter. Tante. Cousinen mit Kindern. Viele Freunde. „Wenn ich auf meinem Handy sehe, dass Raketenalarm ist, melde ich mich sofort bei meinen Freunden und frage nach, ob sie in Sicherheit sind.“
Jeden Tag sterben mehr Menschen in Israel und werden verwundet. „Die Zahlen bekommen Namen“, sagt Nagel. „Jeder, mit dem man spricht, kennt jemanden, der ermordet wurde oder vermisst wird.“ Die 55-Jährige lebt seit 25 Jahren in Norderstedt, ist aber in Israel geboren und aufgewachsen, hat dort studiert und in der Armee gedient.
„Die Hamas hat ganze Familien ausgelöscht“
Im Gespräch mit dem Abendblatt wiederholt sie einen Satz immer wieder: „Das ist alles unvorstellbar.“ Niemals hätte Ayala Nagel geglaubt, das so etwas in ihrer Heimat passieren würde. Etwas, das sie an die schlimmste Zeit in der Geschichte der Juden erinnert. „Die Ortschaften am Gazastreifen werden nie wieder so sein, wie sie einmal waren. Die Hamas ist von Haus zu Haus gegangen und hat ganze Familien ausgelöscht.“
Um sich nicht vollkommen ohnmächtig zu fühlen, möchte sie den Menschen in Israel helfen. Sie unterstützt Projekte von dem Verein Jüdischer Nationalfonds Israel. Dieser sammelt Spenden, um die Israelis vor Ort mit therapeutischer Hilfe zu unterstützen. Damit Kinder und Jugendliche die traumatischen Erlebnisse irgendwie verkraften und verarbeiten können.
Ayala Nagel empfindet in diesen Tagen besonders große Dankbarkeit, in Norderstedt leben zu dürfen. Vor dem Rathaus hat die Stadt die israelische Flagge gehisst. „Das berührt mich sehr. Dieses Zeichen gibt mir das Gefühl, dass die Norderstedterinnen und Norderstedter an der Seite meines Landes stehen.“
Synagoge in Bad Segeberg geschlossen – wegen Sicherheitsbedenken
In der Synagoge in Bad Segeberg, der einzigen im gesamten Kreis Segeberg, sind alle Veranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt. Zu Gottesdiensten treffen sich die Juden und Jüdinnen per Zoom. „Wir sind alle geschockt“, sagt Walter Blender, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg. „Natürlich haben viele Angst rauszugehen. Als Jude mag sich hier gerade keiner gerne zeigen.“
Der 61-Jährige, der selbst bei der Kriminalpolizei arbeitet, hat ernsthafte Sicherheitsbedenken. „Für uns ist die Situation sehr angespannt. Es fühlt sich an, als würde ein Unglück bevorstehen“, sagt er. Selbst wenn die Israelis im Krieg wieder die Oberhand gewinnen würden – was passiert dann? „Möglicherweise will die Hamas ihr Gesicht wahren und plant weitere Anschläge“, befürchtet Walter Blender, dessen beiden Töchter im Norden Israels leben.
Mitglieder der jüdischen Gemeinde fühlen sich wohl in Schleswig-Holstein
Der Polizist hat auf seinem Handy einen Screenshot von einem Twitter-Post. Darin heißt es, dass die Hamas zu offener Gewalt an Juden, jüdischen Restaurants, Läden und Synagogen in allen Teilen der Welt aufruft. „Das Gefahrenpotenzial ist groß. Noch ist alles still und ruhig – aber es gibt so viele Hamas-Sympathisanten da draußen. Dann haben wir den Nahostkonflikt vor der Haustür.“
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Walter Blender bedauert die derzeitige Entwicklung sehr. In Schleswig-Holstein fühlen sich die Mitglieder der Gemeinde nämlich normalerweise sehr wohl. „Wir spüren keinen Antisemitismus. Hier läuft es gut. Doch jetzt wird das jüdische Leben auf Eis gelegt. Das ist ein richtiger Einschnitt, ein Schlag für den toleranten Norden“, sagt er. Die ohnehin mit Stacheldraht, einer hohen Mauer und Kameras gesicherte Synagoge wird nun zusätzlich von der Polizei bewacht. „Das wirft uns weit zurück. Das macht uns wieder unsichtbar.“
Wer für die Israel-Soforthilfe des Jüdischen Nationalfonds spenden möchte, kann dies unter www.jnf-kkl.de/spende/soforthilfe-suedisrael/