Norderstedt. Siegfried Todzi war 40 Jahre lang Fahrlehrer in Norderstedt. Vieles hat sich geändert – Todzi hat überraschende Erklärungen.

Fahrschule Todzi – das ist eine Institution. Tausende von Norderstedtern haben hier das Autofahren gelernt, bei vielen hat der Fahrschulgründer Siegfried Todzi selbst auf dem Beifahrersitz gesessen. Nun ist Todzi, nach 42 Jahren, in den Ruhestand gegangen, den er an der Nordsee genießt. Seiner Nachfolgerin Alexandra Mätzke wird er allerdings noch in beratender Funktion zur Seite stehen.

In den mehr als vier Jahrzehnten hat Siegfried Todzi viele Veränderungen in seiner Branche und dem Berufsumfeld beobachtet. Über seine aktive Zeit und die Entwicklungen erzählt er gerne – und oft auch mit einem Lachen: „Bis heute hängt nun mal mein Herzblut an der Fahrlehrerei“, beteuert er. Im Gespräch mit dem Abendblatt benennt Todzi klipp und klar, was sich seiner Meinung nach an dem Können der Fahrschüler, den Prüfungen und Prüfern und auch in den Fahrschulen selbst im Laufe der Jahrzehnte geändert hat.

„Die kleine Ein-Mann-Fahrschule ist heute zum Scheitern verurteilt”

An den Fahrschulen selber gebe es vor allem eine Entwicklung zu beobachten, sagt Todzi: „Es werden weniger. Die bestehenden Schulen werden allerdings größer, kleine Fahrschulen können sich dagegen nur schwer über Wasser halten.

Die, die es schaffen, müssen Personal aufstocken, denn in den Städten gibt es immer mehr Fahrschüler.“ Aber Todzi betont mit Nachdruck: „Die kleine Ein-Mann-Fahrschule ist heute zum Scheitern verurteilt.”

Als er seine Fahrschule im Jahr 1981 als Einzelkämpfer eröffnete, sei das noch anders gewesen. Vor allem die eigene Ausbildung der nachkommenden Fahrlehrer habe dau beigetragen, dass seine Fahrschule wachsen konnte.

Siegfried Todzi in den frühen 80er-Jahren bei einem Ferienkurs mit einem Golf Cabrio
Siegfried Todzi in den frühen 80er-Jahren bei einem Ferienkurs mit einem Golf Cabrio © Siegfried Todzi | Siegfried Todzi

„90 Prozent der Fahrschüler saßen früher schon mal auf dem Fahrersitz, heute ist es umgekehrt“

Den Führerschein zu machen, das kostet heute wesentlich mehr als früher – was auch daran liegt, dass es länger dauert, bis die Fahranfängerinnen und -anfänger ihre Prüfung ablegen können. Ein Grund dafür sei die „Ausgangslage“, mit der Fahrschüler in die praktische Ausbildung starteten, meint Todzi.

Der Fahrlehrer sagt, dass das Interesse der jungen Leute an Fahrzeugen und am Führerschein zu seiner Anfangszeit in den 80er-Jahren viel stärker ausgeprägt gewesen sei als heute. „Wenn man heute einen Fahrschüler fragt, welches Auto die Eltern fahren, kommt nach kurzem Nachdenken die Antwort: ,Ein rotes‘“, schmunzelt der Ruheständler. Er persönlich findet das nicht schlimm, es bedeute jedoch, dass Fahrschüler heute oft doppelt so viele Fahrstunden nehmen müssten, bis sie „straßentauglich“ seien.

Früher haben die Kinder den Straßenverkehr beobachtet, heute gucken sie aufs Handy

Aber auch Wahrnehmung und Koordination hätten sich verändert. Todzi betont: „Früher haben die Kinder noch vom Rücksitz aus die Eltern und die Straßen während einer Autofahrt beobachtet, heute geht der Blick nach unten auf das Smartphone“. Fahrschüler brauchten heutzutage einfach deutlich länger, um sich an das Fahrzeug und das rege Verkehrstreiben zu gewöhnen. .

Und was ist mit der Prüfungsangst – hat die zugenommen unter den jungen Leuten? Mit dem Begriff „Prüfungsangst“ hat Todzi so seine Schwierigkeiten. „Es gibt keine Prüfungsangst, es gibt nur Angst vor dem Versagen – und die hat im Laufe der Zeit weder zu- noch abgenommen bei den Fahranfängern.“

„Fahrlehrer müssen ihre Fahrschüler aufbauen, wenn mal ein Fehler passiert ist“

Gründe für so eine Angst gebe es viele: Der Druck, so schnell und kostengünstig wie möglich die Fahrerlaubnis zu erlangen, komme von Eltern, Bekannten und auch Freunden.

Aufgabe der Fahrlehrer sei es deshalb, die Fahrschüler zu ermutigen und aufzubauen, wenn sie mal einen Fehler gemacht haben. „Mit Kommentaren wie: ,Wenn du so fährst, brauchst du gar nicht erst zur Prüfung zu erscheinen’, bekommt man fast jeden kaputt“, sagt Todzi.

Prüfungen waren früher deutlich kürzer, allerdings nicht unbedingt fair

Auch in der theoretischen und der praktischen Führerscheinprüfung habe sich einiges geändert, betonte der Fahrlehrer a.D.: „Früher war vor allem die praktische Prüfung deutlich kürzer. Wir haben damals 16 Prüfungen an einem Tag gemacht und waren nachmittags um 15 Uhr fertig. Und das war manchmal sehr unfair”, so Todzi. Denn früher habe es keine Richtlinien gegeben, nach denen die Fahrschüler bewertet wurden.

Es sei oft fast ausschließlich auf den subjektiven Eindruck der Prüfer angekommen. Da reichte dann die Aussage des Fahrlehrers, der Prüfling habe einen unsicheren Eindruck gemacht, um ihm die begehrte Lizenz zum Fahren zu versagen – dabei hatte es spezifische Fahrfehler vielleicht gar nicht gegeben. Heute sei das anders, mit dem elektronischen Prüfprotokoll werde genau dokumentiert, welche Situationen im Straßenverkehr gut und welche nicht so gut bewältigt wurden.

Technische Neuerungen sind nicht angesagt - bei den Eltern!

Dass die Eltern der Fahrschüler bei ihm auf der Matte stehen, um sich etwa über die lange Ausbildungszeit und die Kosten zu beschwerten, habe sich im Übrigen in den vergangenen Jahren nicht geändert.

Auch technischen Neuerungen gegenüber seien Mütter uind Väter heute wie damals häufig negativ eingestellt. Vor allem bei Fahrerassistenzsystemen oder zum Beispiel bei der Servolenkung stellten sich viele quer: „Wie soll mein Sohn denn unser Auto zu Hause einparken, wenn er es nicht richtig lernt?”, laute ein häufiger geäußerter Vorwurf, so Todzi.

Todzi hat früh in die Elektromobilität investiert

Er selbst sei großer Fan von technischen Neuerungen und findet es wichtig, mit der Zeit zu gehen. So hat Todzi früh in Elektromobilität investiert und das mit Erfolg, wie der betont: „Die Fahrschüler lieben die E-Autos.“

Der Einsatz neuer Technik in der Fahrschule ist für ihn eine wichtige Angelegenheit. Die Fahrschüler sind für ihn „Multiplikatoren der Technik”: Die Fahranfänger, die beispielsweise früh Fahrassistenten kennenlernen, würden zur Verbreitung der Technik beitragen, sodass sich diese schnell etablieren könne.

Praktische Prüfungen seien früher oft unfair gewesen

Selbstkritisch sagt Todzi, dass auch die Fahrprüfer früher oft Technik-Muffel gewesen seien.. So sei das Einparken mit Rückfahrkamera in der Prüfung anfangs überhaupt nicht gern gesehen worden, erinnert er sich. Mittlerweile sei festgeschrieben, dass zwei Fahrassistenz-Systeme geprüft werden müssen.

Auch wenn er jetzt nicht mehr im Tagesgeschäft tätig ist und in einen neuen Lebensabschnitt startet, kann Todzi nicht aus seiner Fahrlehrer-Haut, wie er selbst sagt. Aktuell wird an dem Theoriekurssystem gewerkelt: Zurzeit ist es in den Fahrschulen so, dass die verschiedenen Theoriestunden in einer Zwei-Wochen-Rotation abgehalten werden, und die Fahrschüler tragen sich individuell selbst für die Themen ein.

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Die Folge, so Todzi: „In einem Theoriekurs sitzen oft Fahrschüler mit ganz unterschiedlichem Kenntnisstand. Einer ist zum letzten Mal da und weiß schon alles, ein anderer steht noch komplett am Anfang.“

Künftig sollen Fahrschüler wie im Klassenverband lernen

Die Überlegung ist nun, dass 10 bis 15 Fahrschüler und Fahrschülerinnen zusammen beginnen und die Themen an das Wissen der Gruppe angepasst werden können. Sie lernen zusammen und könnten sich auch gegenseitig unterstützen, wie bei einer Schulklasse.

Dazu sagt der Fahrlehrer im Ruhestand: „Ich bin neidisch darauf, dass meine Nachfolgerin Alexandra diese spannende Entwicklung mitmachen kann“. Er selbst wird sie hauptsächlich von der Nordsee aus verfolgen.