Norderstedt. Privathaushalte, Restaurants, Supermärkte: Überall landet Essen im Müll. Was im Kreis Segeberg dagegen unternommen wird.
78 Kilogramm – das ist die Menge an Essen, die bei uns jährlich im Müll landet, pro Kopf. Ziel der Politik ist es, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung zu halbieren. Wie sieht es in Norderstedt und Umgebung aus – wie wird hier mit Essensresten umgegangen?
Gut Wulksfelde: Tierische Helfer gegen Lebensmittelverschwendung
„Wir schmeißen nichts weg“, sagt Nina Roggmann, Sprecherin des Gutes Wulksfelde. Denn auf dem Bioland-Hof in Tangstedt wird Gemüse und Obst, das im Hofladen nicht verkauft werden kann, einfach an die Mitarbeiter weitergegeben. Man habe außerdem „den Vorteil, dass wir mit den Schweinen dankbare Abnehmer haben für altes Brot, Kartoffeln und Gemüsereste und sogar Bananen“, so Roggmann.
Und was ist mit unförmigem Gemüse? Sehr kleine Kartoffeln würden als Drillinge verkauft, große als Backkartoffeln, erklärt Roggmann. In einigen REWE-Märkten in Schleswig-Holstein und Hamburg werden über die Verbrauchermarke „Du bist hier der Chef“ auch Wulksfelder Kartoffeln verkauft, die nicht der gängigen Norm entsprechen – zum Beispiel, weil sie leicht abweichende Formen haben. Sonst bleiben solche Kartoffeln oft auf dem Acker liegen oder werden wieder untergepflügt.
Was bei Rewe mit Waren passiert, die nicht mehr verkauft werden können
Etwas komplizierter ist die Lage bei großen Supermarktketten. Hier fällt immer wieder Müll an, etwa deshalb, weil Artikel das MHD überschreiten. Obwohl die Waren oft länger genießbar sind, ist das für den Verkauf ein Ausschlusskriterium.
Wir haben bei Rewe Nord nachgefragt, wie damit umgegangen wird. Sprecherin Rebecca Lehners sagt: „Von den knapp zwei Prozent der nicht verkauften Lebensmittel geht ein Großteil an die Tafeln und andere Einrichtungen wie foodsharing.“ In Norderstedt arbeite die Supermarktkette ausschließlich mit der Tafel zusammen.
Rewe-Märkte bieten Lebensmittel, die ihr Mindesthaltbarkeitsdatum in wenigen Tagen erreichen, zu reduzierten Preisen an, ehe sie die Ware an die Tafel abgegeben. Auch durch technische Weiterentwicklungen wie Prognosesysteme und automatisierte Bestellverfahren seien Lebensmittelabfälle und -spenden im Lebensmitteleinzelhandel in den letzten Jahren zurückgegangen.
Norderstedter Tafel: Weniger Ware von Supermärkten, dafür mehr Privatspenden
Pro Woche holt die Tafel Norderstedt nach eigenen Angaben etwa 18 Tonnen Lebensmittel aus Supermärkten in der Region und aus dem Rewe-Zentrallager in Henstedt-Ulzburg ab. Das entspricht etwa vier bis fünf vollgeladenen Autos am Tag. Allerdings sei es „auf lange Sicht gesehen schon weniger Ware geworden, was aber per se nicht schlecht ist“, so Margrit Grebe von der Tafel Norderstedt.
Grebe schätzt, dass der Handel in den letzten Jahren einfach besser disponiere. Gleichzeitig beobachtet sie eine steigende Anzahl von Kunden – so nennt Grebe die Personen, die Lebensmittel von der Tafel beziehen. Trotzdem sei die Menge der Lebensmittel, die von der Tafel an jeden und jede einzelne ausgegeben wird, weitgehend gleichgeblieben: „Es sind etwa zwei Taschen, die jeder Kunde hier bekommt.“ Möglich machen es die Spenden von Privatpersonen: „Das ist seit Corona erheblich mehr geworden, und das hat glücklicherweise angehalten“, freut sich die Vorständin.
Wie Restaurants mit dem Problem der Lebensmittelverschwendung umgehen
Lebensmittelabfälle fallen auch in Restaurants an. Teilweise einfach deshalb, weil etwas auf den Tellern der Gäste liegen bleibt. Dazu Lutz Frank, Dehoga-Vorsitzender im Kreis Segeberg: „Jeder gelernte Gastronom und Kaufmann versucht natürlich, die Portionsgrößen so zu gestalten, dass möglichst wenig Reste anfallen“.
Frank ist selbst Gastronom, führt das „Restaurant am Ihlsee“ in Bad Segeberg. Dort können Gäste Seniorenteller mit kleineren Portionen bestellen – eine von vielen Maßnahmen im Kampf gegen das Wegwerfen. Die Servicekräfte bieten den Gästen außerdem an, Speisereste einzupacken, damit diese zu Hause noch gegessen werden können.
Gastronom zu Speiseresten in der Tonne: „Tut mir manchmal in der Seele weh“
Bei Speisen mit Mayonnaise oder Gerichten wie Vitello Tonnato (Kalbfleisch mit Thunfischsoße) sei das aber wegen der Hygienebestimmungen nicht machbar: „Als Gastronom muss ich sicher sein, dass ich die Ware auch abgeben kann“, so Frank. Bei Buffets gilt für ihn deshalb: Lieber nachlegen, als von vorneherein zu viel aufzutischen.
Trotz aller Bemühungen landen auch im Restaurant am Ihlsee Speisereste in der Tonne. „Mir tut das manchmal in der Seele weh“, kommentiert Frank. Er befinde sich, wie viele Gastronomen und Gastronominnen, in einem Zwiespalt – denn trotz des Nachhaltigkeitsgedankens und der Kosten wolle man als Gastgeber natürlich, dass die Gäste satt werden und gerne wiederkommen.
Foodsharing: Wie man Müll in Privathaushalten vermeidet
Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht in privaten Haushalten. Ganze 59 Prozent sind es, deutschlandweit. Dazu zählt natürlich auch kaum vermeidbarer Müll wie Nuss- und Obstschalen oder Kaffeesatz.
Trotzdem ist noch viel Luft nach oben: Durch geschickte Planung, gezieltes Einkaufen und kreative Resteverwertung könnte in Privathaushalten noch einiges vor der Tonne gerettet werden. Eine Bewegung, die sich das zum Ziel gesetzt hat, ist „Foodsharing“. Kathrin Bandel ist im Kreis Segeberg „Botschafterin“ des Vereins Foodsharing e.V. Sie sagt: „.Ich glaube, ein Großteil der Verschwendung im Privaten kommt daher, dass man zu viel einkauft und ohne Plan kocht.“
„Richtige Lagerung ist ganz wichtig“, sagt die Foodsharing-Botschafterin
Seit sie zum Foodsharing kam, hat sie viel über das Lagern und haltbar machen von Lebensmitteln gelernt. „Die richtige Lagerung ist ganz wichtig“, bekräftigt Bandel. Zum Beispiel sollten Äpfel und Bananen nicht nebeneinander im Obstkorb liegen, um den Reifungsprozess nicht zu beschleunigen. Werden die Bananen doch einmal zu schnell reif, könne man diese gut einfrieren und dann für Smoothies verwenden oder Bananenbrot damit backen.
Außerdem kocht die Foodsharing-Botschafterin aus sehr reifen Tomaten ihre eigene Tomatensauce, die sie auch im Winter gerne isst. Beim Einkochen müssen die Gläser steril sein, um eine möglichst lange Haltbarkeit zu gewährleisten, erklärt Kathrin Bandel.
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Und falls man nicht mehr wisse, wohin mit den übrigens Lebensmitteln, könne man diese auch in einen sogenannten „Fairteiler“ legen. Das ist eine Art öffentlicher Schrank, aus dem sich jeder die Lebensmittel nehmen darf. In Norderstedt steht ein „Fairteiler“ am Aurikelstieg. Man könne auch Lebensmittel, die man selbst nicht mehr braucht, oder auf der Plattform foodsharing.de einstellen, sagt die Botschafterin.